Umweltverbände fordern Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit ein
Die Einigung im Europäischen Rat zu den EU-Konjunkturhilfen und zum Haushalt für die kommenden sieben Jahre ruft bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch ein zwiespältiges Echo hervor. "Die Einigung nach langen Verhandlungen ist zwar ein positives Zeichen für den Zusammenhalt der EU, aber der Kompromiss geht zu stark auf Kosten von Klimaschutz sowie einem fairen und zukunftsfähigen Strukturwandel", sagt Audrey Mathieu, Leiterin des Teams Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch. „Kanzlerin Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs haben an den falschen Ecken gespart. Das EU-Parlament muss die Schwachstellen nun soweit es geht ausbügeln", so Mathieu.
Germanwatch sieht vor allem die teilweise dramatischen Einschnitte bei den Programmen zur Finanzierung von Klimaschutz und Strukturwandel, wie dem Just Transition Fund, kritisch. Positiv sei aber die Stärkung einiger klimarelevanter Elemente wie die leichte Anhebung der Klimaquote im EU-Haushalt auf 30 Prozent und dass die Gelder aus Konjunkturpaket und EU-Haushalt nicht im Widerspruch zu den EU-Klimazielen für 2050 (Klimaneutralität) und das nun noch zu beschließende, verbesserte Ziel für 2030 stehen dürfen.
„Das EU-Parlament muss nun in seinen Verhandlungen mit dem Europäischen Rat nacharbeiten. Wir brauchen eine deutliche Nachschärfung bei den Kriterien für den Zugang zu EU-Mitteln und für die nationalen Konjunkturprogramme, den klaren Ausschluss von fossilen Energien und vor der Vergabe von Hilfsgeldern den Einsatz des Prüfrahmens für nachhaltige Investitionen - der EU-Taxonomie - wie ihn der Vorschlag der EU-Kommission noch vorgesehen hatte.”
Bereits vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs hatten die Verbände BUND, NABU, WWF, Germanwatch, E3G und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) in einer gemeinsamen Pressemitteilung Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, der Bekämpfung der Klimakrise bei den Ratsverhandlungen höchste Priorität beizumessen und sich für ein Paris-kompatibles EU-Klimaziel für 2030 starkzumachen.
"Klimaschutz ist im Jahr 2020 keine Kür, sondern ökonomische Vernunft und Verpflichtung gegenüber jungen Menschen. Die hunderte Milliarden Schulden, die nun für den europäischen Wiederaufbau gemacht werden, müssen künftige Generationen abbezahlen. Darum sollten sich die Staats- und Regierungschefs gleichzeitig dazu verpflichten, das europäische Klimaziel auf ein Niveau anzuheben, das im Einklang mit den Pariser Klimazielen steht. Dies muss im EU-Klimaschutzgesetz verankert werden, das noch bis Ende des Jahres verabschiedet werden muss. Sonst bürden sie der jungen Generation zusätzlich die enormen Kosten durch den ungebremsten Klimawandel auf. Angela Merkel muss hier als Vertreterin der EU-Ratspräsidentschaft und der größten europäischen Volkswirtschaft entschieden für eine verantwortungsvolle und zukunftsgerichtete Klimapolitik eintreten", fordern die Umweltorganisationen.
Sie fordern die klimawissenschaftlich notwendige Verantwortungsübernahme für eine Anhebung des EU-Klimaziels für 2030 auf mindestens 65 Prozent, anerkennend, dass auch ernsthafte Schritte in diese Richtung eine Herausforderung für viele Akteure darstellen.
Neben der substanziellen Anhebung des europäischen Klimaziels sei zentral, dass die Gelder gezielt in die Transformation der Wirtschaft fließen und dazu verbindlich an strenge Klimaauflagen geknüpft werden, so die Umweltverbände weiter. "Das europäische Konjunkturpaket muss den Umbau der Wirtschaft beschleunigen und weiter verfestigen, anstatt sie abzuwürgen. Dabei gilt es, den vielzitierten Grünen Wiederaufbau nicht nur in schönen Reden zu beschwören, sondern durch konkrete politische Regeln in die Tat umzusetzen. Teure fossile Subventionen kann sich ein Kontinent, der spätestens 2050 klimaneutral sein will, heute nicht mehr leisten. Der Vorschlag der EU-Kommission bleibt an dieser Stelle weit hinter dem Notwendigen und Möglichen zurück", mahnen die Organisationen.
Die Verbände begrüßten hingegen die Kompromissvorschläge des Ratspräsidenten Charles Michel als Schritt in die richtige Richtung. Demnach sollen die Erholungspläne, die die Mitgliedstaaten für die Abrufung der Gelder vorlegen müssen, im Einklang mit dem neuen höheren EU-Klimaziel stehen, das bis Ende des Jahres verhandelt wird. Zudem sollen die Ausgaben, die gezielt den Klimaschutz voranbringen, auf 30 Prozent des gesamten EU-Budgets steigen. Dies sei aber immer noch nicht ausreichend im Angesicht der Dringlichkeit der Klimakrise. Mindestens 40 Prozent seien hierfür nötig, fordern die Verbände.