Umweltinstitut warnt vor Ersatz-Pestiziden für Neonicotinoide
Anfang April wurde auf EU-Ebene beschlossen, den Einsatz von drei Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide im Freiland zu verbieten. „Doch anstatt nun aus den Fehlern, die mit der Zulassung dieser Pestizide gemacht wurden, zu lernen, sollen schon bald neue Insektengifte auf den Markt kommen, die eine ähnlich verheerende Wirkung haben“, erklärt das Umweltinstitut München. Dabei handelt es sich um die Insektengift-Wirkstoffe Sulfoxaflor, Cyantraniliprol und Flupyradifuron. Pestizidmischungen mit diesen Wirkstoffen weisen nach Ansicht des Umweltinstituts eine ähnlich verheerende Wirkung wie die gerade erst verbotenen Neonicotinoide auf. Und genau für solche Pestizidmischungen liegen in Deutschland mehrere Anträge auf Zulassung vor. Schon im August könnten laut Umweltinstitut erste Pestizidmischungen mit dem Wirkstoff Flupyradifuron auf den Markt kommen.
„Die drei neuen Insektengifte bergen eine erhebliche Gefahr nicht nur für Honigbienen, sondern auch für wildlebende Insekten wie Schmetterlinge und Hummeln“, so das Umweltinstitut. Die neuen Wirkstoffe seien zwar deutlich weniger giftig für Bienen als die Neonicotinoide. Trotzdem sind sie immer noch in extrem geringen Mengen tödlich. Sie seien für Insekten aber nicht nur hochgiftig, sondern wirken zusätzlich auch noch systemisch. Das bedeute, dass sie von Pflanzen aufgenommen und in allen Teilen der Pflanzen verteilt werden. So würden nicht nur Stängel und Blätter von behandelten Pflanzen giftig, sondern auch die Blüten und sogar das Wasser, das Pflanzen über ihre Blätter ausscheiden (Guttation). So könne zum Beispiel eine Rapsblüte noch zur Gefahr für Bestäuber werden, wenn das Rapskorn vor der Aussaat mit Cyantraniliprol behandelt wurde.
Obwohl viel gegen die neuen Insektengifte spreche, wurden sie auf EU-Ebene genehmigt und auch in einigen EU-Staaten sind bereits Pestizidmischungen mit den Wirkstoffen Sulfoxaflor und Cyantraniliprol auf dem Markt. Zu den für die Zulassung von Sulfoxaflor zunächst fehlenden und dann nachgereichten Daten gibt es laut Umweltinstitut bisher keine offizielle Einschätzung der zuständigen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die EFSA habe außerdem festgestellt, dass von Sulfoxaflor bei bestimmten Anwendungen ein hohes Risiko für Honigbienen und Langzeitrisiken für kleine pflanzenfressende Säugetiere ausgeht.
In Frankreich sei die Zulassung auf eine Klage der Umweltschutzorganisation Générations Futures hin gerichtlich ausgesetzt worden. Die Begründung: Von dem Insektengift geht ein hohes Risiko für die menschliche Gesundheit und für die Gesundheit von Honigbienen aus. In Deutschland liegen laut Umweltinstitut mindestens drei Zulassungsanträge für sulfoxaflorhaltige Pestizide vor. Sulfoxaflor hat den selben Wirkmechanismus wie die kürzlich verbotenen Neonicotinoide.
„Obwohl kein Pestizid mit dem Wirkstoff Cyantraniliprol in Deutschland genehmigt ist, kommt er trotzdem schon zum Einsatz“, erklärt das Umweltinstitut. Möglich machen es demnach sogenannte Notfallzulassungen, die das Ausbringen von Pestizidmischungen erlauben, ohne dass sie das reguläre nationale Zulassungsverfahren durchlaufen haben. Außerdem dürfe mit Cyantraniliprol behandeltes Saatgut aus EU-Staaten importiert werden, in denen Pestizide mit dem Wirkstoff bereits zugelassen sind. Denn für Saatgut gelten ganz eigene Regeln. In Deutschland lägen mindestens sieben Zulassungsanträge für cyantraniliprolhaltige Pestizide vor.
Flupyradifuron wurde vom deutschen Bayer-Konzern entwickelt. Es seien in noch keinem Mitgliedstaat Zulassungen für Pestizidmischungen mit diesem Wirkstoff erteilt worden. In Deutschland lägen mindestens fünf Zulassungsanträge für flupyradifuronhaltige Pestizide vor. Auch Flupyradifuron habe den selben Wirkmechanismus wie die kürzlich verbotenen Neonicotinoide.
Unter dem Motto „Insektengifte? Nicht schon wieder!“ fordert das Umweltinstitut die Bundesagrarministerin Julia Klöckner und die Bundesumweltministerin Svenja Schulze dazu auf, Insektengiften mit den Wirkstoffen Sulfoxaflor, Flupyradifuron und Cyantraniliprol die Zulassung in der Bundesrepublik zu verweigern, Notfallzulassungen zu beenden und den Import sowie die Aussaat von Saatgut, das mit den neuen Wirkstoffen gebeizt wurde, zu stoppen.