„Regenerative Landwirtschaft und Klimaschutz - Hohe Erwartungen, geringe Erfolge“ lautet die Überschrift eines Beitrages in der wissenschaftlichen Zeitschrift EuroChoices zu einer Studie des Thünen-Instituts und des globalen Netzwerks agri benchmark. Die Bodenexpertin Dr. Andrea Beste hat nachfolgend die Studie einer kritischen Kurzbewertung unterzogen.
Im Artikel von Zimmer et al. (2025) im Magazin EuroChoices zu ihrer Studie zu „Regenerativer Landwirtschaft“ hinterfragen die Autoren deren tatsächliche Wirksamkeit im Kontext von Klimaschutz und nachhaltiger Landwirtschaft. Hohe Erwartungen, die an diese landwirtschaftliche Praxis gestellt werden, würden in der Praxis oft nicht erfüllt. Zimmer et al. definieren regenerative Landwirtschaft als eine Praxis, die auf reduzierte Bodenbearbeitung, den Anbau von Zwischenfrüchten und den Verzicht auf synthetische Düngemittel setzt, um Kohlenstoff im Boden zu speichern. Dabei zitieren sie auch das US-amerikanische Rodale-Institut ohne deutlich zu machen, dass hier „Regenerative Landwirtschaft“ als top up des Ökolandbaus fungiert, sehr genau definiert ist und auf nachweisbar wirksamen Methoden beruht. Diese Referenz generell für „Regenerative Landwirtschaft“ zu vereinnahmen ist irritierend, weil unzutreffend.
Zimmer et al. weisen darauf hin, dass die wissenschaftliche Evidenz einer regenerativen Wirkung auf die Böden für die drei oben genannten Maßnahmen begrenzt ist, was für eine reduzierte Bodenbearbeitung zutrifft, jedoch für Zwischenfrüchte und den Ersatz synthetischer Düngemittel durch organische nicht ganz stimmt. Die Aussage, dass die Kohlenstoffspeicherung durch regenerative Praktiken oft überschätzt wird, ist in jedem Fall in Bezug auf die Klimaschutzaussagen richtig. Denn atmosphärisch klimawirksame Mengen an CO2 im Boden zu speichern, ist im Ackerbau nahezu unmöglich. Darüber hinaus wird das Risiko von ‚Leckage‘-Effekten angesprochen – d.h. wenn die Konzentration auf den Humusaufbau einiger Flächen zur Vernachlässigung bei anderen Flächen führt, wird die Bilanz der CO2-Speicherung völlig zunichte macht, ohne dass dies bei der Messung auffällt.
Die Aussagen zur atmosphärischen Klimaschutzwirksamkeit bedeuten jedoch nicht, dass durch regenerative Praktiken kein Humusaufbau bzw. eine Minderung des Humusabbaus stattfindet. Veröffentlichungen des Thünen-Instituts weisen darauf hin, dass Zwischenfrüchte, Ökolandbau und Agroforst hier sehr wirksam sein können. Und das ist für eine Klimaanpassung und Resilienz der Landwirtschaft gegenüber Klimaextremen sehr wichtig und insofern durchaus klimarelevant. Hier muss immer zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung sehr klar unterschieden werden.
Zimmer et al. hinterfragen auch besonders die wirtschaftlichen Versprechen der regenerativen Landwirtschaft. Eine Studie der Boston Consulting Group behauptet, dass Landwirte ihre Gewinne um bis zu 50 % steigern könnten. Zimmer et al. halten diese Annahme für unrealistisch, da die Umsetzung regenerativer Praktiken oft hohe Kosten verursacht und ohne finanzielle Unterstützung für Landwirte wenig attraktiv ist. Diese Einschätzung entspricht früheren Warnungen vor dem Carbon Farming-Hype und Aussagen des Thünen-Institutes, die vielfach verdeutlicht haben, dass Humusaufbau langwierig, Messungen schwierig, die Speicherung zeitlich unsicher und Vergütungen daher fraglich sind. Hinzu kommt, dass diejenigen, die schon länger humusaufbauend arbeiten, benachteiligt werden, da sie aktuell niedrigere Aufbauraten nachweisen können und damit nicht profitieren, was ökonomisch gesehen unfair ist.
Im Artikel wird vorgeschlagen, sich stärker auf die Verbesserung der Stickstoffnutzungseffizienz zu konzentrieren, da dies messbare Emissionsreduktionen bewirken könne. Es wird argumentiert, dass dieser Ansatz keine Ertragseinbußen verursacht und wirtschaftlich tragfähiger ist. Doch zum einen verbraucht schon die Erzeugung synthetischer Stickstoff-Düngemittel viel Energie: Der Einsatz von Stickstoffdünger führt, laut einer Studie von 2023, jährlich für Emissionen in der Größenordnung von 2,6 Milliarden Tonnen CO2, also mehr als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen. Zum anderen zeigt aktuelle Forschung, dass synthetische Stickstoffdünger Bodenorganismen – insbesondere Mykorrhizzapilze – stören und zu hohen Lachgasemissionen beitragen können, besonders bei reduzierter Bodenbearbeitung.
Eine systematische Reduzierung synthetischer Düngemittel und Pestizide sowie eine stärkere Förderung des ökologischen Landbaus wäre für eine Regeneration und Klimaanpassung der Böden deutlich effizienter. Die positiven Umweltauswirkungen agrarökologischer Methoden sind vielfach nachgewiesen.
Was der Artikel nicht kritisiert, ist die Tatsache, dass viele Unternehmen den Begriff der „Regenerativen Landwirtschaft“ nutzen, ohne verbindliche Vorgaben für nachhaltiges Fruchtfolge-Management und Zielwerte zur Reduktion von Pestiziden oder synthetischen Düngemitteln zu machen, was Greenwashing begünstigt. Großkonzerne wie Nestlé oder PepsiCo instrumentalisieren den Begriff ohne ernsthafte Änderungen in ihren Produktionsmethoden vorzunehmen. Dadurch wird die regenerative Landwirtschaft, mangels genauer Definition, zu einer Fortsetzung konventioneller Praktiken mit minimalen Anpassungen. Eine echte Transformation der Landwirtschaft erfordert tiefgreifendere Maßnahmen, als die derzeit propagierten regenerativen Praktiken. Ob die Autoren das deshalb nicht thematisieren, weil sie Teil des Autorennetzwerks agri-benchmark Cash Crop sind, welches finanziell eng mit Bayer CropScience zusammenarbeitet, kann man nur vermuten.
Lesetipp
Unter der Überschrift „Regenerative Landwirtschaft – reiner Etikettenschwindel?“ hat Andrea Beste im Kritischen Agrarbericht 2025 einen Beitrag zu Entstehung, Inhalt und Verwendung eines weit verbreiteten Begriffs verfasst. Dort heißt es zu Beginn: „Es gibt viele seriöse Netzwerke und viele engagierte Landwirtinnen und Landwirte, die Gutes für Boden und Landwirtschaft erreichen wollen und das »regenerative Landwirtschaft« nennen. Auch viele Projekte, die sich dieses Labels bedienen, haben gewiss nicht zum Ziel, Greenwashing zu betreiben. In Deutschland und Europa ist der Begriff und sind die zum Einsatz kommenden Methoden jedoch weder definiert noch geschützt. Es kann also jeder behaupten, regenerative Landwirtschaft zu betreiben – auch große global player der Agrarindustrie.“