Noichl kritisiert Gerechtigkeitslücke und „rechnerischen Klimaschutz“ der GAP

Ein „unsägliches“ Verhalten des EU-Agrarrates geprägt von Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament, das sich besonders in den Verhandlungen zur Obergrenze der Direktzahlungen gezeigt habe, eine „immense Gerechtigkeitslücke“ in der EU-Agrarpolitik, mit Blick auf die Öko-Regelungen deutlich hinter den Erwartungen zurückgebliebene Umweltleistungen und einen lediglich „rechnerischen Klimaschutz“ sieht die EU-Abgeordnete Maria Noichl von der SPD in dem Ergebnis des Trilogs zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) in einem Interview mit Agra Europe (AgE). Zur Gerechtigkeitslücke erklärt die Abgeordnete: „Ich finde es völlig daneben, dass sich der Rat im Prinzip geweigert hat, über eine verpflichtende Kappung überhaupt zu verhandeln und dies mit den Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs begründet hat, denen zufolge es keine verpflichtende Kappung geben soll. Tragischerweise wurde im Trilog über eine verpflichtende Kappung keine fünf Minuten gesprochen. Ich darf aber daran erinnern, dass die Empfehlungen des Europäischen Rates keinerlei Gesetzeskraft haben. Wir als Parlament sind Mitgesetzgeber, und das müssen die Mitgliedstaaten endlich mal akzeptieren. Leider wird es nun weiterhin dabei bleiben, dass rund 80 % der Beihilfen in den Händen von 20 % der Empfänger landen. Das heißt, es gibt weiterhin eine immense Gerechtigkeitslücke in der EU-Agrarpolitik.“ Für die SPD-Abgeordnete sind die Trilog-Ergebnisse zur Begrenzung der betrieblichen Direktzahlungen eine Katastrophe. „Weder gibt es eine verpflichtende Kappungsgrenze noch eine Sondergrenze für Agrarholdings. Die vom Haushaltskontrollausschuss in das Verhandlungsmandat des Parlaments eingebrachte Forderung nach einer Obergrenze der Zahlungen für Agrarholdings von 500 000 Euro in der Ersten Säule und 1 Mio Euro in der Zweiten Säule konnte gegenüber dem Rat nicht durchgesetzt werden und wurde gestrichen. Lediglich auf eine Umverteilung der Direktzahlungen in Höhe von 10 % konnte man sich einigen. Allerdings bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, wann genau sie umverteilen. Damit wird es die GAP wieder nicht schaffen, dem Sterben der Kleinbetriebe Einhalt zu gebieten und die Mittelverteilung gerechter zu gestalten“, so Noichl im AgE-Interview. Sie sieht den Rat „als Besitzstandswahrer für die, die die großen Gelder kriegen. Das ist auch bei der internen Konvergenz der Fall, die wieder nicht vollständig durchgesetzt werden konnte. Die Mitgliedstaaten verhalten sich hier wie ein Besitzstandswahrungsverein. Komischerweise fallen da aber die meisten Landwirte unten durch. Anscheinend steht der Rat nur an der Seite der Landwirte, die die großen Gelder erhalten. Einige Regierungen, und das ist noch schlimmer, sehen die GAP als Versorgungssystem für ihnen gewogene Oligarchen sowie Familienmitglieder.“ Dass im Durchschnitt 24 % Eco-Schemes vorgeschrieben werden, könne man positiv sehen. Dieses neue System müsse jedoch in Zukunft ausgebaut werden und an Durchschlagskraft gewinnen. Allerdings seien die Vorgaben, wann genau wieviel Prozentpunkte in welchem Jahr erreicht werden müssen, unglaublich kompliziert. Inhaltlich reichen die 35 %, die aus der Zweiten Säule in den Klima- und Umweltschutz fließen sollen, nach Ansicht von Noichl bei weitem nicht aus und auch die Tatsache, dass Gelder für benachteiligte Gebiete oder auch für den Tierschutz teilweise als Klimaleistung angerechnet werden dürfen, wird von der EU-Abgeordneten kritisiert. Konkret sollen Zahlungen zur Förderung benachteiligter Gebiete in der Zweiten Säule zu 50 % automatisch als Klimaleistungen verbucht werden. „Der Rat hatte sich zunächst sogar für 100 % ausgesprochen. Daran merkt man, dass es vielen im Trilog, auch auf der konservativen Seite des Parlaments, eher um einen rechnerischen Klimaschutz geht“, so Noichl. Als „besonders kritisch“ bezeichnet sie auch die Regelungen zur Konditionalität, die „vielfach zu schwach und mit zu vielen Ausnahmen versehen“ seien. Eine Definition zum aktiven Landwirt hat das Parlament zwar durchsetzen können, allerdings hätten die Abgeordneten eine gemeinsame europäische Definition haben wollen. Die solle es zwar auch geben, jedoch mit weitgefassten Vorgaben bei der nationalen Umsetzung. „Des Weiteren war es unser Ziel, Leistungsbezieher, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, auszuschließen. Wir hatten uns also eine Negativliste erhofft, die der Rat allerdings ablehnte“, so Noichl. Eine Defintion des aktiven Landwirts mit einer entsprechenden Liste hat kürzlich die AbL vorgelegt.