Nach Krisengipfel: Appelle und Forderung nach „Erzeugerfairpreis-Signal“ statt Strukturzerstörung

Mit einem deutlichen Appell endete laut einer Mitteilung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums dort am 6.9. das im Vorfeld als Krisengipfel angekündigte Branchengespräch Schwein mit Erzeugern, Handel, Verarbeitung und Verbänden. Agrarministerin Barbara Otte-Kinast formulierte in der Videokonferenz eine deutliche Erwartung an die Marktpartner: „Jeder muss seinen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten: Wir brauchen ein klares Bekenntnis des Handels zur deutschen Produktion. Dies muss dringend auch die Stufe der Sauenhalter beinhalten. Wer den Verbrauchern regionale Produkte oder ausschließlich Ware aus den Haltungsstufen 3 und 4 verspricht, muss den Bauern Planungssicherheit durch langfristige Verträge geben. Aber auch die Landwirtschaft ist gefordert. Das Angebot ist immer noch zu groß. Inzwischen muss doch klar sein: Wenn die Nachfrage nicht da ist, dann benötigen wir auch weniger Schweine.“ Eine Aufforderung an den Handel und die Politik kommt von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): Vom Handel erwartet die AbL ein deutliches „Erzeugerfairpreis-Signal“ statt Strukturzerstörung und von der Politik mehr Gestaltung bei den Rahmenbedingungen. Die Ministerin betonte, dass für Niedersachsen mit dem drohenden Strukturbruch viel mehr auf dem Spiel steht, als die endgültige Schließung einiger Hoftüren. „Die Landwirtschaft ist der Motor im ländlichen Raum. Wenn der stottert, dann läuft hier nichts mehr rund.“ Sie drängte daher auf eine zügige Implementierung des Konzepts der Borchert-Kommission, um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Nutztierhaltung abzusichern. Bei der Agrarministerkonferenz, die Herbst-AMK soll vom 29. September bis 1. Oktober 2021 stattfinden, werde Niedersachsen einen Antrag einbringen, um zwischen Bund und Ländern ein abgestimmtes Vorgehen gegen die Strukturkrise zu erreichen. In Niedersachsen gibt es rund 5000 Betriebe mit 8,195 Millionen Schweinen. Die Beteiligten machten laut Ministerium deutlich, dass kein Ende der Preisspirale in Sicht ist. Seit der Erzeugerpreis auf 1,30 Euro/kg Schlachtgewicht gefallen ist, geht die Angst vor einem „noch nie dagewesenen Strukturbruch“ in der Branche um. Positiv wurden deshalb die Signale der REWE Gruppe gewertet. Diese kündigte an, rund 95 Prozent der Produkte als „5D“ auszuzeichnen: Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung in Deutschland. „Wir erwarten diese Selbstverpflichtungserklärung vom gesamten Handel“, erklärte Ministerin Barbara Otte-Kinast. In dem Branchengespräch wurde laut Ministerium deutlich, dass dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit mit zwei Maßnahmen entgegengesteuert werden muss:
1. Höhere deutsche Tierwohl-Standards werden durch geeignete Finanzierungsmodelle flankiert, wie dies die Borchert-Kommission vorgeschlagen hat. Mehr Platz für die Tiere in den Ställen bedeutet dann auch weniger Schweine.
2. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) wird mittelfristig so angepasst, dass die Erbringung höherer Tierwohl- und Umweltstandards alternative Einkommensmöglichkeiten für Landwirte eröffnet. Agrarministerin Barbara Otte-Kinast: „Die Zeit drängt, die Not der Schweinehalter wächst täglich. Wir brauchen zwingend Hilfe von der Bundespolitik“. AbL: Erzeugerfairpreis-Signal statt Strukturzerstörung
Anlässlich des Krisengipfels erklärt AbL-Bundesgeschäftsführer Georg Janßen: „1,25 Euro für das Kilo Schweinefleisch, 35 Cent für den Liter Milch – die Erzeugerpreise für Bäuerinnen und Bauern haben nichts mehr mit Kostendeckung und Gewinnerwirtschaftung zu tun. Sie sind strukturzerstörend und würdelos.“ In den letzten 10 Jahren haben laut dem Statistischen Bundesamt 47.300 Bäuerinnen und Bauern in Deutschland die Tierhaltung aufgegeben. „Die ruinösen Erzeugertiefpreise bei Milch und Schweinefleisch in den letzten Monaten stellen uns alle vor eine Weichenstellung: Aufgabe der Tierhaltung oder uns alle in die Verantwortung nehmen, um wieder Perspektiven zu schaffen. Wir Bäuerinnen und Bauern müssen uns aktiv für faire Preise und artgerechte Tierhaltung einsetzen, statt mit geballter Faust in der Tasche Frust zu schieben. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch“, so Janßen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen seiner Ansicht nach deutlich machen, dass qualitativ hochwertige und gesunde Lebensmittel auch bedeuten, dass Bäuerinnen und Bauern dafür wirtschaftlich in die Lage versetzt werden und faire Preise erhalten müssen. „Der Lebensmitteleinzelhandel wird nicht müde in bunten farbigen Anzeigen und in Gesprächen die Partnerschaft mit der Landwirtschaft zu betonen, aber diese Partnerschaft beweist sich auch im Tun. Wir fordern die Lebensmittelketten und die Discounter auf, aufgrund der bedrohlichen Lage ein erstes deutliches Erzeugerfairpreis-Signal zusammen mit Schlachtunternehmen und Molkereien zu setzen: 1,70,- Euro für das Kilo Schweinefleisch, 40 Cent für den Liter Milch. Das wäre eine Ansage an alle Marktbeteiligten, dass die Arbeit von Bäuerinnen und Bauern und eine tierwohlgerechte Nutztierhaltung wertgeschätzt werden, statt den Ausverkauf der Landwirtschaft zu Ramschpreisen weiter zu befeuern. Und die Politik? Sie macht keine Preise für unsere Erzeugnisse, aber sie gestaltet die politischen Rahmenbedingungen. Gestalten statt Stillstand und ‚weiter so‘. Bäuerinnen und Bauern sind doch bereit, die Herausforderungen beim Umbau der Tierhaltung, für Natur- und Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt anzupacken. Dafür muss die neue Bundesregierung, müssen die Landesregierungen sich für eine Agrarpolitik einsetzen, die Perspektiven und Planungssicherheit für Mensch, Tier, Klima und Natur setzen, denn jeder Hof zählt“, fordert der AbL-Bundesgeschäftsführer.
06.09.2021
Von: FebL/PM

Der LEH bekundet in seinen Werbeprospekten immer mal wieder sein Herz für die Bauern und Bäuerinnen, hier der Discounter Netto mit Blick auf Produkte, bei deren Kauf laut Netto 10 Cent direkt an die Landwirte weitergegeben werden.