Monopolkommission sieht Anzeichen von Wettbewerbsproblemen und Marktmacht des LEH

In einer Stellungnahme (Policy Brief) zur Situation des Wettbewerbs in der Lebensmittellieferkette stellt die Monopolkommission fest, dass die Strukturen der Lieferkette für Lebensmittel in Deutschland Anzeichen von Wettbewerbsproblemen und Marktmacht des LEH aufweisen. Angesichts bereits bestehender Regelungen, die teilweise intensive Eingriffe in den Markt und die freie Preisbildung darstellten und deren Auswirkungen noch nicht abschließend geklärt seien, warnt die Monopolkommission jedoch vor kurzfristig vorgenommenen neuen Eingriffen in die Lieferkette für Lebensmittel ohne belastbare Tatsachengrundlage.

In der ökonomischen Forschung besteht laut der Monopolkommission mittlerweile ein breiter Konsens, dass Lebensmittelmärkte oft keine vollständig funktionierenden Wettbewerbsmärkte darstellen. Im LEH sei historisch eine hohe Marktkonzentration festzustellen, die sich seit 2011 zudem weiter erhöht hat (siehe Grafik 1). Gleichzeitig zeige sich, dass der Erlösanteil der Landwirtinnen und Landwirte an den Verkaufserlösen der Endprodukte in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken ist (siehe Grafik 2). Wurden beispielsweise im Jahr 1970 Milcherzeugnisse aus deutscher Produktion im LEH verkauft, gingen durchschnittlich 57 Prozent des Verkaufspreises an die Erzeugung. Im Jahr 2020 waren es noch 36 Prozent.

Vor diesem Hintergrund und auf Basis einer vorläufigen Betrachtung der Lebensmittellieferkette ließen sich „potentielle Indizien für bestehende Marktmacht feststellen, die sich zulasten der Landwirtinnen und Landwirte auswirken könnte.“

Um kurzfristig reagieren zu können, sollten nach Ansicht der Monopolkommission insbesondere die bereits bestehenden Maßnahmen zur Stärkung der Marktposition von Landwirtinnen und Landwirten („Anbietermacht als Gegengewicht“ beispielsweise durch Kooperationen untereinander oder eine gebündelte Vermarktung ihrer Erzeugnisse) sowie zur Verhinderung des Missbrauchs von Marktmacht („Einschränkung der Nachfragemacht“ beispielsweise durch die Verbote unlauterer Handelspraktiken des Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetzes - AgrarOLkG) innerhalb der Lebensmittellieferkette in den Blick genommen werden.

Bedenken äußert die Kommission hinsichtlich der Anwendung der in Art. 148 der gemeinsamen Marktordnung für landwirtschaftliche Erzeugnisse der EU (GMO) vorgesehenen Möglichkeit, Rohmilch verarbeitende Betriebe dazu zu verpflichten, Landwirtinnen und Landwirten für jede Rohmilchlieferung einen schriftlichen Vertrag anzubieten. Ein solcher Vertrag müsste zwar bestimmte Mindestbestandteile wie den Preis oder eine Preisberechnungsmethode und die Liefermenge festlegen, so die Kommission. Dies hätte für Milchbauern Vorteile hinsichtlich der Rechtssicherheit sowie einer besseren Planbarkeit der Milchproduktion und würde auch die übliche Praktik einschränken, nach der Molkereien den Milchauszahlungspreispreis erst nach der Lieferung durch die Milchbauern frei festsetzen können. Denn ein einmal vereinbarter Preis darf durch Käufer von Lebensmitteln nicht ohne weiteres nachträglich geändert werden.

„Der tatsächliche Nutzen einer Anwendung der in Art. 148 GMO eröffneten Möglichkeiten sollte allerdings nicht überschätzt werden“, heißt es in der Stellungnahme, da der Artikel unter anderem auf genossenschaftliche Molkereien – und damit einen Großteil der Milchproduktion – keine Anwendung finde, sofern deren Binnenorganisation die Milchlieferung bereits entsprechend regelt

„Die Monopolkommission hält eine solche Maßnahme deswegen kurzfristig höchstens für sinnvoll, soweit sich bereits gegenwärtig konkrete Probleme der Ausnutzung überlegener Verhandlungspositionen durch die nachträgliche Festlegung von Rohmilchpreisen feststellen lassen und diese durch die staatliche Durchsetzung schriftlicher Verträge eingedämmt werden können. Die Ausgestaltung sollte in diesem Fall so erfolgen, dass sie nicht zu einer Belastung der Milcherzeuger mit zusätzlichen Dokumentations- und Nachweispflichten führt“, so die Kommission.

„Die Monopolkommission strebt an, die Lebensmittellieferkette nun noch gründlicher zu untersuchen und damit auch eine Grundlage für die Empfehlung möglicher Eingriffe entsprechend der politischen Fragestellungen zu schaffen“ und rät bis dahin von kurzfristigen Maßnahmen und Eingriffen in die Agrarmärkte sowie die Lieferketten für Lebensmittel ab.

15.02.2024
Von: FebL

Abbildung 1: Marktanteile der größten Unternehmen im LEH (Food) - Quelle: Tradedimensions/Policy Brief;

Abbildung 2: Anteil der Verkaufserlöse der Landwirtschaft an den Verbrauchsausgaben für Nahrungsmittel (nur inländische Herkunft) - Quelle: Thünen-Institut/Policy Brief