Milchdialog will DENKZETTEL verteilen, weil Verhandlungsstand nicht reicht
Nicht nur angesichts laufender Verhandlungen mit Vertretern des Lebensmittelhandels (LEH) hatten die Organisationen des Milchdialogs zunächst geplant, bis zum 10. Januar weitere Aktionen bei Verarbeitern wegen des Lockdowns auszusetzen. Doch der aktuelle Verhandlungsstand mit dem Handel und den Verarbeitern reicht, trotz einzelner positiver Signale des Handels, ihnen nicht, zumal wenn sie jetzt von deren Seite aufgefordert werden, sich zunächst zu einigen. „Nein, wir müssen uns nicht einig werden. Wir sind uns einig, dass die Preise kurzfristig raufmüssen“, heißt es beim Milchdialog. Die Landwirte sind nach Ansicht des Milchdialogs nicht die eigentlichen Verhandlungspartner des LEH. „Wir können Vorschläge machen und Ideen zur Umsetzung diskutieren, das ersetzt aber in keiner Weise das Gespräch zwischen Handel und Verarbeitern. Die Bäuerinnen und Bauern waren die vehementen Türöffner beim Handel und fordern, dass der Handel und die Verarbeiter endlich die längst überfälligen Gespräche aufnehmen. Nur so sitzen sich die eigentlichen Geschäftspartner gegenüber und nur so ist eine Augenhöhe hergestellt, die die Landwirte aktuell nicht im Ansatz haben. Selbst wenn die Landwirte unterschiedliche Ideen präsentieren – es bleiben Vorschläge und Ideen“, heißt es in einem Statement des Milchdialogs. Um kurzfristig mehr Wertschöpfung auf die landwirtschaftlichen Betriebe zu bekommen, ist es für sie die einfachste und marktwirtschaftlichste Methode: „Macht von Handelsseite die Kontrakte auf und begebt Euch von Verarbeiterseite endlich an den Verhandlungstisch! Und reicht die Ergebnisse vollständig an die Landwirte durch! Alles, was sonst diskutiert wird, dauert deutlich länger und bringt nicht den notwendigen kurzfristigen Preiseffekt. Runde Tische, juristische Abklärungen, Arbeitsgruppen, Fonds-/Zuschlagslösungen, für die juristische Grundlagen geschaffen werden müssen, dauern Wochen und Monate und haben dann maximal einen kurzfristigen Effekt. Wir fordern: Längerdauernde Arbeitsgruppen und Runde Tische nur für mittel-und langfristige Lösungen.“
Aufgrund der Signale aus den Reihen der Landwirte sei die Aussetzung weiterer Aktionen nicht aufrechtzuerhalten. Am 22. Dezember sollen einige Molkereien und Schlachthöfe von je max. zwei Personen (!) daher einen „DENKZETTEL“ (im eigentlichen Wortsinn) verpasst bekommen. Ob das auch bei einigen Handelsunternehmen der Fall sein wird, könne nicht eingeschätzt werden. Die Botschaft auf den ‚DENKZETTELN“ lautet, je nach Verarbeiter und Branche angepasst, beispielsweise für Molkereien: „Macht Euren Job! Neue Verträge mit LEH abschließen! 15 Cent mehr für die Bauern!“
Bereits zuvor hatte sich der Milchdialog auch an die Politik gewandt und erklärt: .„Wir fordern auch die Politik auf, genau hinzuschauen, wer sich in dieser prekären wirtschaftlichen Situation für die Erzeugerinnen und Erzeuger bewegt und wer sich überhaupt nicht bewegt, und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Die katastrophale Marktstellung der Erzeugerebene gegenüber der Verarbeitungsindustrie lässt zu, dass alle Markt- und Preisrisiken unmittelbar auf die Erzeuger abgewälzt werden. Wer sich in einer für die Bäuerinnen und Bauern existenziell so bedrohlichen Lage nicht bewegt, bewegt sich mittel- und längerfristig erst recht nicht auf freiwilliger Basis auf Branchenebene.“
Um mittel- und längerfristig den landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftlich nachhaltige Perspektive zu ermöglichen, brauche es politische Unterstützung dafür, die Marktstellung der Erzeuger innerhalb der Wertschöpfungskette zu verbessern - weit über eine Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken hinaus. „Die nationalen, europäischen und globalen Märkte müssen auf politisch wie marktwirtschaftlicher Ebene so gestaltet werden, dass eine vielfältig strukturierte und resiliente Landwirtschaft weiterexistieren und die großen Herausforderungen der Zukunft meistern kann“, fordern die Teilnehmer des Milchdialogs auch mit Blick auf die Politik.
Die am Milchdialog teilnehmenden Verbände/Organisationen sehen im Lebensmitteleinzelhandel weiterhin einen möglichen Partner für ein gemeinsame Reformierung der Marktrahmenbedingungen. Die Ausrichtung der aktuellen Agrar(markt)politik und auch die europäische Handelspolitik haben maßgeblich dafür gesorgt, dass aus Lebensmitteln nur noch billige Rohstoffe wurden, die Handel und Verarbeiter nutzen, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Diese fatale Ausrichtung der Agrarmarktpolitik auf Niedrigpreise setzt die Landwirtschaft nicht nur hier, sondern weltweit massiv unter Druck und hat negative Folgen auch für Mensch, Tier, Umwelt und Klima.