Eigentlich wollten Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der vergangenen Woche Orientierungspunkte für ein Lieferkettengesetz vorstellen. Doch daraus wurde nichts. Medienberichten zufolge wurde die Veröffentlichung auf Intervention des Kanzleramts abgesagt. Bei Menschenrechten darf nicht länger auf Zeit gespielt werden, kritisiert deshalb die Entwicklungsorganisation INKOTA: Im Schulterschluss mit den Unternehmensverbänden, dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), versuchen Wirtschaftsministerium und Kanzleramt seit Monaten ein Lieferkettengesetz zu verhindern – und das obwohl inzwischen sogar immer mehr Unternehmen und Vertreter aus der Wirtschaft eine gesetzliche Regelung auch auf nationaler Ebene befürworten.
„Mit ihrer Intervention verhindert die Bundeskanzlerin eine breite Diskussion über die Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes“, kritisiert Arndt von Massenbach, Geschäftsführer von INKOTA, einer von über 90 Organisationen der
„Initiative Lieferkettengesetz". Dabei hatte Angela Merkel bei der Jubiläumsfeier der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im Juni erklärt: „Die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen, und nicht umgekehrt.“ Höchste Zeit, sie beim Wort zu nehmen, findet von Massenbach: „Statt Maulkörbe zu verteilen, muss die Bundeskanzlerin die Bemühungen der Kabinettskollegen unterstützen, Menschenrechte und die Umwelt in globalen Lieferketten zu schützen. Dass sie stattdessen die Vorstellung der Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz verhindert hat, ist skandalös.“
Merkel bremse mit ihrem Vorgehen die in der Sache richtigen Bemühungen der Kabinettskollegen Heil und Müller entscheidend aus. „Diese Minister haben offenbar verstanden, dass wir einen Paradigmenwechsel brauchen“, sagt Arndt von Massenbach. „Die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen allein hat bislang nicht dazu geführt, die Menschenrechte weltweit ausreichend zu schützen.“
Das Wirtschaftsministerium lasse sich hingegen weiter vor den Karren der Unternehmensverbände spannen – und bekomme dabei auch noch Rückendeckung vom Kanzleramt. „Mit einer Verzögerungstaktik hat das von Peter Altmaier geführte Ressort in den vergangenen Monaten den Monitoring-Prozess zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte immer wieder blockiert – mit dem Ziel, ein Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verhindern,“ kritisiert von Massenbach. Und das obwohl selbst Unternehmen wie Bayer, Tchibo oder BMW eine gesetzliche Regulierung inzwischen ausdrücklich befürworteten.
Das Wirtschaftsministerium will erst das Ergebnis eines noch bis zum 24. April laufenden Monitorings abwarten, einer zweiten Befragung der Unternehmen. Bei einer ersten Umfrage hatten von 3.200 Unternehmen lediglich 14 Prozent geantwortet, auf Nachfassen und mit Fristverlängerung wurden es 20 Prozent.