Lob und Kritik am Koalitionsvertrag

Bioland begrüßt den vorgelegten Koalitionsvertrag ++ BÖLW: Aus 'wagen' muss 'machen' werden ++ Germanwatch: Ampel steht auf klimapolitischem Aufbruch, die Bewährungsprobe steht aber noch aus ++ BUND: Fortschritt gegenüber Vorgängerregierungen ++ DNR: Ampel hat Zeichen der Zeit erkannt ++ Tierschutzbund begrüßt Tierschutzpläne ++ Fridays for Future: Vertrag verfehlt Einhaltung des 1,5°-Ziels ++ ISN: Kein Dokument des Mutes und der Zuversicht ++ DBV: Gewaltige Herausforderung ++ BDM: Chance und Risiko für die Landwirtschaft

Bioland begrüßt den vorgelegten Koalitionsvertrag
Bioland sieht ein gutes Potenzial im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien für den notwendigen ökologischen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft. 30 Prozent Bio-Landwirtschaft bis 2030 sind machbar. Dafür müssen nun die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Rechnung dazu ist so einfach, wie logisch: „Damit die Bio-Fläche bis 2030 auf 30 Prozent anwachsen kann, muss auch der Werkzeugkasten dafür auf 30 Prozent wachsen. Zentral dafür ist, dass ressortübergreifend an diesem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird. Die Voraussetzungen dafür scheinen gegeben, denn mit einem eigenständigen Agrarressort und der gleichzeitigen Führung der Ministerien Umwelt und Wirtschaft/Klimaschutz stellen sich die Grünen ihrer Verantwortung für einen ökologischen Aufbruch. Das ist sehr zu begrüßen“, kommentiert Bioland-Präsident Jan Plagge. Für die Erreichung des Ziels, müssten nun Taten folgen. Dazu gehören zum Beispiel die Umsetzung von mindestens 30 Prozent Bio in Kitas- und Kantinen sowie 30 Prozent Agrarforschungsmittel für die Ökolandbauforschung und -entwicklung. Als erste Sofortmaßnahme müssten, wie im Koalitionsvertrag beschrieben, jetzt unmittelbar die GAP-Verordnungen, die in dieser Woche im Kabinett noch hastig verabschiedet wurden, korrigiert werden. Denn Bio-Betriebe müssen nach Ansicht von Bioland die GAP-Mittel, auch aus der ersten Säule, vollumfänglich in Anspruch nehmen können. „Ein wichtiges Signal ist sicherlich auch, dass man das ‚Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft‘ nun wieder einfach ‚Bundesprogramm Ökologischer Landbau‘ nennt und damit seinem eigentlichen Nutzen näherbringt“, interpretiert Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland, den Koalitionsvertrag. „Und den Hinweis, dass die Zukunftsstrategie ökologischer Landbau (ZÖL) die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen soll, beurteilen wir ebenso positiv.“ Aber das Papier hat laut Bioland auch noch einige Schwachstellen: „Der Bio-Umbau funktioniert nur, wenn Veränderungen in Agrarproduktion und Ernährung zusammen angepackt werden. Zu diesem Punkt liefert der Vertrag kaum konkrete Ansätze und beim Ausschluss unfairer Handelspraktiken bietet er ebenfalls wenig Substanz“, heißt es bei Bioland. Vage bleibe der Koalitionsvertrag vor allem auch beim Thema Tierhaltung. Wie genau soll der Umbau der Tierhaltung finanziert werden? Darüber gebe das Ampel-Bündnis keine klare Auskunft. Bedauerlich ist für Bioland auch, dass das Instrument einer Pestizidabgabe nicht im Koalitionsvertrag erwähnt werde.
BÖLW: Aus 'wagen'muss 'machen' werden
Für den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) muss jetzt 30 % Umbaupower überall dort investiert werden, wo es nötig ist. „Mit 30 % Bio bis 2030 wagt die Ampel mehr Fortschritt. Aus ‘wagen’ muss jetzt ‘machen’ werden! Mit Bio steuert die neue Bundesregierung in Richtung enkeltaugliche, klimafreundliche Landwirtschaft und gesunde Ernährung. Das ist gut. Nicht nur, weil Deutschland damit Europas Green Deal Ziele umsetzt und dem folgt, was die Zukunftskommission Landwirtschaft empfohlen hat. Sondern vor allem, weil nachhaltige Unternehmen vom Hof bis in den Handel mit Bio gute wirtschaftliche Perspektiven bekommen – und Öko gleichzeitig das System ist, mit dem günstig und erprobt Artenvielfalt, Klima, Wasser und Boden geschützt wird. Dass die Bundesregierung die ganze Wertschöpfungskette mitdenkt und erstmals auf eine Ernährungsstrategie setzt, zahlt ebenfalls auf mehr Fortschritt ein“, erklärt Tina Andres, BÖLW-Vorstandsvorsitzende.
Und Peter Röhrig, geschäftsführender BÖLW-Vorstand, kommentiert: „30 % Ökolandbau gelingen dann, wenn die Ampel jetzt auch mindestens 30 % Umbaupower überall dort investiert, wo es nötig ist: 30 % wo es um Investitionen in den Umbau von Höfen und Unternehmen geht, 30 % Bio in der Gemeinschaftsverpflegung, 30 % bei der Forschung und Ausbildung, 30 % der Personalkapazität in den relevanten Ministerien und Behörden beispielsweise. Das alles braucht einen guten Plan. Wir begrüßen deshalb, dass die Bundesregierung eine ‚Zukunftsstrategie Bio‘ für die gesamte Wertschöpfungskette auflegt. Die Zukunftsstrategie muss alle relevanten Themen von der Agrarpolitik und Außer-Haus-Verpflegung über nachhaltige Wirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit bis zur Züchtung bedienen. Das Öko-Ziel erreicht die Ampel auch nur dann, wenn alle Maßnahmen und Investitionen der gesamten Bundesregierung das 30 %-Ziel stützen und sich nicht konterkarieren.“
Germanwatch: Ampel steht auf klimapolitischem Aufbruch, die Bewährungsprobe steht aber noch aus

Der Koalitionsvertrag kündigt nach Ansicht von Germanwatch einen Aufbruch für ambitionierten Klimaschutz an. Allerdings bleibe unklar, ob die Koalition auch die notwendigen Instrumente zur Umsetzung beschließen wird. „Der Koalitionsvertrag formuliert ein Aufbruchssignal für den Klimaschutz: Das 1,5 Grad-Limit und der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes sollen die Messlatte sein“, kommentiert Silvie Kreibiehl, Vorstandsvorsitzende der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Positiv hervorzuheben sind aus Sicht von Germanwatch besonders folgende Punkte: Bis 2030 soll der Anteil Erneuerbarer Energien im Strommix auf 80 Prozent verdoppelt werden und der Kohleausstieg durch Marktinstrumente gelingen. Anfang der 2030er Jahre sollen in Deutschland nur noch CO2-neutrale Autos verkauft werden. Die von der EU-Kommission vorgelegten Pläne für die Umsetzung des European Green Deal sollen unterstützt und das deutsche Klimaschutzgesetz erhalten werden. Die deutsche Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU soll für Klima- und Biodiversitätsschutz angepasst werden. Die Klimaaußenpolitik soll gestärkt werden. Und bis Ende 2022 soll das Sofortprogramm Klimaschutz im Gesetzesblatt stehen. „Der klimapolitische Aufbruch kann aber nur gelingen, wenn der Koalitionsvertrag Beginn eines gemeinsamen sozial-ökologisch-digitalen Reformprojekts ist, anstatt dass ideologische Kämpfe um jeden Reformschritt das Handeln der Regierung blockieren. Vieles, was im Koalitionsvertrag vage angedeutet wird, muss nun von mutigen Ministern und Ministerinnen mit Blick auf das klimawissenschaftlich Notwendige ausgestaltet und umgesetzt werden“, erklärt Kreibiehl und fragt unter anderem: „Wird der neue deutsche Strategieplan zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft zur Bindung der Tierzahlen an die Fläche umsetzen, ohne die die Klimaziele nicht erreichbar sein werden? Klar ist: Ohne den Druck großer, engagierter Teile der Gesellschaft wird das Aufbruchssignal nicht zum notwendigen Aufbruch führen.“


BUND: Fortschritt gegenüber Vorgängerregierungen

Lob und Zweifel äußert der BUND mit Blick auf den Koalitionsvertrag. "Die Ampel-Koalition hat sich auf einen umweltpolitischen Koalitionsvertrag verständigt, der gegenüber allen Vorgängerregierungen einen Fortschritt bedeutet. Teile davon möchte ich explizit loben. Ich zweifle jedoch daran, dass die getroffenen Vereinbarungen reichen, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Kritisch sehen wir diesbezüglich beispielweise die Maßnahmen im Verkehrssektor, der Gasinfrastruktur und beim Abbau umweltschädlicher Subventionen. Die Ampel-Koalition hat einen ambitionierten Einstieg in den Umbau der Tierhaltung vorgelegt. Nun wird es darum gehen, die Agrarpolitik im Geiste der Zukunftskommission Landwirtschaft zu gestalten", erklärt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Und Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin, ergänzt: "Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung finden sich deutlich mehr Klimaschutz und Naturschutz als in dem Regierungshandeln der Großen Koalition: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde dezentral und in der Hand von Bürger*innen und Kommunen gestärkt, der Kohleausstieg vorgezogen. Das waren überfällige Schritte für das Gelingen der Energiewende. Nun werden die ersten Monate zeigen, wie ernst die Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag nimmt und ob diese Regierung tatsächlich wie behauptet auf dem 1,5-Grad-Pfad liegt. Als BUND werden wir die Dringlichkeit der Krisen deutlich machen und die Umsetzung kritisch begleiten. Denn schon heute ist klar, dass diese Koalition wie auch bereits in anderen Krisen in den kommenden vier Jahren über den Koalitionsvertrag hinauswachsen muss."
DNR: Ampel hat Zeichen der Zeit erkannt

Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR), sieht in dem Koalitionsvertrag zumindest eine Chance, die 1,5-Grad.Marke einzuhalten. „Die Ampel hat die Zeichen der Zeit erkannt und in ihrem Koalitionsvertrag den Anspruch formuliert, den Stopp von Artensterben und Klimakrise nicht länger auf die lange Bank zu schieben, sondern in die Gegenwart zu holen. Auch wenn viele Fragen noch offen sind: Werden die Vereinbarungen nun schnell und konsequent umgesetzt, hat Deutschland zumindest eine Chance, die 1,5-Grad-Marke einzuhalten. Damit kann sich Deutschland in der Spitzengruppe des Klimaschutzes zurückmelden. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zeigen nach Ansicht des DNR in die richtige Richtung, reichen aber noch nicht, um in den nächsten Jahren die Sektorziele im Klimaschutzgesetz einzuhalten. Wichtig werde hier die Ausgestaltung des Sofortprogramms Klimaschutz. „Angesichts des dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt muss die Bekämpfung des Artensterbens höchste Priorität in der Ampel-Koalition erhalten. Klima- und Naturschutz müssen zusammengedacht werden. Wir begrüßen deshalb, dass der dringend überfällige Neustart der Naturschutzfinanzierung endlich angegangen wird. Mit einer deutlichen Stärkung des Moorschutzes setzen die Ampel-Koalitionäre ein hoffnungsvolles Zeichen“, so Niebert, der mit Blick auf die Agrarpolitik erklärt: „In der Agrarpolitik erkennen die künftigen Koalitionsparteien, dass die Landwirtschaftspolitik der Vergangenheit keine Zukunft hat. Der Umbau der Nutztierhaltung, die Reduzierung des Pestizideinsatzes, der Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent bis 2030 sowie die ambitionierte Umsetzung der EU-Agrarpolitik in Deutschland sind wichtige Signale für eine längst überfällige Transformation. Nun gilt es, die gesetzten Überschriften mit konkreten Maßnahmen und Instrumenten zu unterfüttern.“
Tierschutzbund begrüßt Tierschutzpläne
Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die im Koalitionsvertrag vereinbarten Tierschutzpläne der Ampel-Koalition ausdrücklich. Zwanzig Jahre nach der Einführung des Staatsziels Tierschutz scheint die zukünftige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP die seit Jahren überfälligen Verbesserungen im Tierschutz nun angehen zu wollen. „Seit Einführung des Staatsziels Tierschutz im Jahr 2002 macht sich erstmals eine Bundesregierung auf den Weg, dieses hehre Ziel politisch mit Leben zu füllen. Der Koalitionsvertrag zeigt die Bereitschaft, unsere Forderungen umsetzen und dem Tierschutz einen politischen Stellenwert einzuräumen, den die Vorgängerregierung konsequent verweigert hat. Neue politische Wege im Tierschutz werden wir gern vertrauensvoll, aber konstruktiv-kritisch begleiten und unterstützen“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Aus Sicht des Verbandes müssen die gesteckten Ziele in den kommenden vier Jahren zügig angegangen werden. Der Schutz der Tiere müsse politisch klar über die Nutzung der Tiere gestellt werden - egal, ob in der Landwirtschaft, der Forschung oder der Heimtierhaltung. Obwohl das Staatsziel Tierschutz dies bereits seit zwanzig Jahren gebietet, scheiterte es bisher weitestgehend an der politischen Umsetzung. Als „ambitionierte Tierschutzziele“ im Koalitionsvertrag nennt der Tierschutzbund unter anderem die Nutztierhaltung artgerecht umbauen zu wollen sowie bestehende gesetzliche Lücken schließen und Lebendtiertransporte in Drittstaaten stark beschränken zu wollen. Letztere sollen nur noch erlaubt sein, wenn tierschutzgerechte Versorgungseinrichtungen auf der Route nachgewiesen sind. Für die geplante verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung auf Produkten sollen auch Transport und Schlachtung der Tiere entscheidend sein.

ISN: Kein Dokument des Mutes und der Zuversicht
Bei der Vorstellung des Vertrages sprach der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck von einem Dokument des Mutes und der Zuversicht. Aus Sicht der Schweinehalter müssen wir nach der ersten Durchsicht des Vertrages leider resümieren: In Bezug auf die Weiterentwicklung der Tierhaltung ist das Gegenteil der Fall! Das schreibt die ISN zum Koalitionsvertrag. Zwar gibt es eine klare Aussage zur Absicht, eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung und eine umfassende Herkunftskennzeichnung einzuführen, was wir immer wieder gefordert haben und ausdrücklich begrüßen, erläutert ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Allerdings bleiben laut ISN alle weiteren Vorstellungen zum Umbau der Tierhaltung und insbesondere auch zur Finanzierung äußerst vage und schwammig. Wenn es aber um Neuregelungen im Ordnungsrecht gehe, werden die Koalitionäre äußerst deutlich und konkret. Staack führt weiter aus: „Während man in anderen Bereichen, wie z.B. der Fischerei oder dem Pflanzenbau, zumindest von Zukunftsstrategien oder Zukunftskommissionen spricht, ist bei der Nutztierhaltung kein Wort zu den Ergebnissen der Borchert-Kommission zu finden. Wir gehen aber trotzdem davon aus, dass diese nicht über Bord geworfen werden. Schließlich ist ein Umsetzung der verpflichtenden Haltungskennzeichnung im kommenden Jahr, wie es die Ampelparteien vorsehen, ohne das weit ausgearbeitete Borchert-Konzept zum Umbau der Tierhaltung gar nicht möglich.“ Der Inhalt des Koalitionsvertrages ist für Schweinehalter überwiegend enttäuschend. Denn das Ordnungsrecht wird leider in den Vordergrund gestellt, dabei sind Schweinehalter heute schon mit den immer wieder neuen Auflagen überfordert – wie jüngst die ISN-Umfrage zur Zukunft der Schweinehaltung deutlich gezeigt hat. Richtigerweise spricht Robert Habeck bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages davon, dass das Höfesterben nach einer Änderung der Politik schreit. Aber doch nicht so, dass das Höfesterben noch beschleunigt wird. Schließlich geht es hier um Bauernfamilien und ihre Existenzen. Wenn an den fixierten Vorstellungen der designierten Koalitionäre nicht noch erheblich bei den Details und der Ausgestaltung gefeilt wird, um mit Augenmaß zu agieren, wird die Abwanderung der Schweinehaltung ins Ausland noch mehr beschleunigt, dabei sollte genau das verhindert werden. Genau daran wird man aber die Erfolge einer Koalition am Ende messen müssen.
DBV: Gewaltige Herausforderung
Für den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, stellt der Koalitionsvertrag eine gewaltige Herausforderungen für die Landwirtschaft dar. „Aufbruch, Innovation und Fortschritt sind einige Leitbegriffe aus dem Koalitionsvertrag, die auch für die Agrar- und Umweltpolitik der neuen Bundesregierung gelten müssen. Die deutsche Landwirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden und schwierigen Transformationsprozess. Für diese Herausforderungen greift der Koalitionsvertrag nur einen Teil der Empfehlungen auf, die alle gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam in der Zukunftskommission Landwirtschaft erarbeitet haben. Der Umbau kann nur gelingen, wenn er als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährleistet“, so Rukwied. Die Absicht, eine umwelt- und klimagerechte Landwirtschaft weiterzuentwickeln, die auch den Bauern gute wirtschaftliche Perspektiven bietet, sei zu begrüßen. Es komme jedoch gerade bei den Vorhaben zum Naturschutz, zur Tierhaltung und zum Pflanzenschutz maßgeblich auf die Umsetzung an. Wichtiges Ziel müsse es sein, die heimische Landwirtschaft zu sichern und Strukturbrüche zu verhindern. Positiv bewertet der Deutsche Bauernverband die Pläne zur Haltungsform- und Herkunftskennzeichnung und die Absicht, den Umbau zu höheren Tierwohlstandards zu erleichtern. Zu den unterstützenswerten Aspekten gehört auch die Stärkung des kooperativen Natur- und Artenschutzes sowie der Einstieg in das Bestandsmanagement beim Wolf. An einigen Stellen des Koalitionsvertrags wünscht sich der DBV mehr Verbindlichkeit. Einige Themenfelder böten noch Spielraum für unterschiedliche Interpretationen und bedürften noch der Präzisierung.

Fridays for Future: Weitere Eskalation der Klimakrise
In einem Statement von Fridays for Future wird scharfe Kritik an dem Koalitiosnvertrag geübt. „Während die Welt auf knapp drei Grad Erhitzung hin steuert, verfehlt der Vertrag von SPD, Grüne und FDP noch vor Amtsantritt die eigenen Versprechen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Trotzdem feiern wir nach 154 Wochen Klimastreiks auch Erfolge der Klimabewegung wie den Kohleausstieg 2030. Nur: Der aktuelle Koalitionsvertrag allein reicht für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht aus.Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise.
Es ist ein Skandal, dass die Ampel den CO2-Preis nicht erhöhen will, die Erdgasinfrastruktur ausbauen möchte und nicht alle Dörfer an der Kohlegrube Garzweiler vor der Zerstörung schützt. Die notwendige Klimaneutralität bis 2035 ist mit diesen Maßnahmen nicht zu erreichen.
Um diese Krise tatsächlich zu lösen, brauchen wir eine echte Transformation der Gesellschaft, die soziale Fragen ernst nimmt. Angesichts der zerstörerischen Extremwetter in Deutschland und weltweit, Klimaschäden in Milliarden-Höhe und massenhaftem gesellschaftlichen Protest fragen wir uns: Was zur Hölle braucht es denn noch, bis Deutschland seine internationalen Versprechen zu Klimagerechtigkeit einhält?
Wir haben den Kohleausstieg 2030 erkämpft, jetzt werden wir auch 1,5-Grad-Politik der Ampel-Koalition erkämpfen.“

BDM: Chance und Risiko für die Landwirtschaft
„Was uns als Tierhaltern fehlt, sind konkretere Festlegungen, wie der intensiv diskutierte Umbau der Tierhaltungssysteme finanziert werden soll“, erklärt der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Stefan Mann zum Koalitionsvertrag. „Bisher in der Branche und auf Politikebene diskutierte Modelle wie z.B. die Erhebung eine Verbraucherabgabe sind viel zu kurz gesprungen. Was wir brauchen, sind marktwirtschaftliche Ansätze, die mittel- und langfristig dazu in der Lage sind, das Erzeugerpreisniveau deutlich anzuheben.“ Mehr Fortschritt wagen – das ist nach Ansicht des BDM auch bitter nötig in der Ausrichtung der Europäischen Agrarpolitik (GAP). Das vereinbarte Bestreben, die aktuelle Architektur der GAP zu überprüfen und ein Konzept vorzulegen, wie die Direktzahlungen mittels einer einkommenswirksamen Honorierung von Klima- und Umweltleistungen angemessen ersetzt werden können, ist unabdingbar. „Nicht vergessen darf die neue Bundesregierung dabei, dass eine zukunftsorientierte Agrarpolitik mehr bedeutet als sich mit der Verteilung der Agrargelder zu befassen, wir brauchen unbedingt einen Fortschritt in der Gestaltung der Gemeinsamen Marktordnung (GMO)“, betont der BDM-Vorsitzende ausdrücklich. „Der aktuellen Zielsetzung der GAP, die Verarbeitungs- und Ernährungsindustrie mit möglichst günstigen Rohstoffpreisen einen globalen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, muss ein Ende gesetzt werden.“ Erfreulich, aber ebenso bitter notwendig sind die Verlautbarungen hinsichtlich eines fairen Wettbewerbs mit fairen Preisen. Man werde den Milchmarkt weiter beobachten und die Bilanz der Lieferbeziehungen evaluieren, heißt es im Koalitionsvertrag. Den Worten sollten schnellstens Taten folgen. Durch das jahrelange Prinzip der Hoffnung der konservativ geführten Bundesregierungen ist den Bäuerinnen und Bauern bereits ein nicht wieder gut zu machender Schaden entstanden“, stellt Stefan Mann fest. Was es jetzt braucht, sind Marktrahmenbedingungen, die es ermöglichen, die Marktstellung des gesamten Primärsektors gegenüber dem Sekundärsektor deutlich zu stärken. Der Landwirtschaft muss ermöglicht werden, mittels anerkannter Branchenorganisationen ein wirkungsvolles Marktmanagement umsetzen zu können. „Wir stehen zu marktwirtschaftlichen Lösungen. Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken und den Fortschritt umgehend Realität werden“, appelliert der BDM-Vorsitzende an die Ampelkoalitionäre.
„Der Koalitionsvertrag enthält viele ambitionierte Zielformulierungen, die naturgemäß vage bleiben. Ob diese mehr Chancen oder mehr Risiken für die Landwirtschaft bedeuten, hängt entscheidend von ihrer Ausgestaltung ab.“
30.11.2021
Von: FebL/PM

Illustration der ISN zur Vorlage des Koalitionsvertrages. Bildquelle: ISN, canva