Im März 1525 wurden in Memmingen die zwölf Artikel von einem „Bauernparlament“ als Forderungen gegenüber der weltlichen und kirchlichen Obrigkeit, vertreten durch den Schwäbischen Bund, verabschiedet. Sie gelten als die erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa. Journalist Heribert Prantl bezeichnet sie als „Monument deutscher Freiheitsgeschichte“, Historiker Gerd Schwerhoff stellt fest: „Eine Massenerhebung wie im Bauernkrieg bleibt in deutschen Landen einmalig.“
Die herausragende Bedeutung der Aufstände wird gewürdigt, oft stehen aber generelle Freiheitsrechte und Demokratie im Vordergrund – wir haben in der AbL einen offenen Arbeitskreis gegründet, um die bäuerliche Perspektive einzubringen. Die Würdigung des unglaublichen Muts der Bäuer:innen, die damals gegen Unfreiheit, Willkür und Ausbeutung gekämpft haben, hilft uns, die eigene Sicht auf Geschichte und Zukunft bäuerlichen Widerstands zu finden.
Was lag also näher als die Frage, welche Bedeutung die historischen Aufstände für die heutige Situation in der Landwirtschaft haben können und vor allem: Sind die 500 Jahre alten Forderungen heute erfüllt? Den Ertrag unseres Ringens haben wir bei der AbL-Bundesmitgliederversammlung in Bad Boll am 2. November letzten Jahres mit der szenischen Lesung „Die zwölf Artikel von Memmingen und bäuerliche Assoziationen zur Gegenwart“ auf die Bühne gebracht. Zum radikalsten Artikel zur Abschaffung der Leibeigenschaft: „Wir Bäuer:innen werden als freie Unternehmer:innen gesehen, aber zu viele sind Knechte der Bank. Heute stehen sich nicht Hirten und Höchste, sondern Bäuer:innen und Handelskonzerne gegenüber. Von Gleichheit und Verhandeln auf Augenhöhe sind wir in den Lieferketten weit entfernt.“
Ein Höhepunkt im Gedenkjahr war die Kundgebung mit befreundeten Verbänden in Memmingen im März. Vor dem historischen Ort des Treffpunkts der Bauern damals, dem Kramerzunfthaus, wurden nach einem Zug durch die Innenstadt mit Kuhglocken und Heukarren und hochkarätigen Reden die Artikel und unsere Assoziationen im Dialog von Bühne und Publikum verlesen. Während andernorts ausschließlich die historische Dimension des Bauernsaufstandes Eingang in Reden fand, verbinden wir das Damals mit aktuellen agrar- und gesellschaftspolitischen Forderungen.
Auch künftig wollen wir das Feld der Erinnerungskultur nicht nur den Historikern oder gar Landwirtschaftsverbänden überlassen, die auch vor zweifelhaften Vereinnahmungen nicht zurückschrecken. Eine klare Abgrenzung der Aufstände von den Bauernprotesten vom Frühjahr 2024 erscheint uns elementar, leider begegnete uns diese Verknüpfung nur allzu oft in Gesprächen. Fragen zur Kontinuität von Herrschaft oder zur ambivalenten Rolle mancher Anführer damals und heute (?) fordern weitere Erforschung. „Ohne Widerstand und Selbstermächtigung wird eine bäuerliche, sozial und ökologisch orientierte Landwirtschaft, die dem Gemeinwohl dient, nicht möglich sein“, sagte Karl Hellwig, AbLer im Arbeitskreis.
Weitere Infos und Kontakt zum Arbeitskreis hier:
https://www.abl-ev.de/initiativen/bauernkrieg-1524-1525