Erst die Pommesbude, dann die Existenzgründung auf 5,5 Hektar mit eigenem Kartoffelanbau.
Es ist eine Beschreibung für Art und Ort des Ackerns: Biolee. So heißt der Biobetrieb, den Sarah Hoffmanns und David Büchler im Jahr 2022 auf 6,5 ha Pachtfläche links und rechts einer alten Allee im Nordwesten von Münster in Nordrhein-Westfalen gegründet haben. Schon während des Studiums im hessischen Witzenhausen haben sie mit ihrer Pommesbude eine Verarbeitungsidee in die Tat umgesetzt: „Wir haben angefangen mit dem Gedanken, irgendwann die Kartoffeln selber anzubauen“, erklärt Büchler. Intensiv haben sich die beiden mit den Möglichkeiten der außerfamiliären Hofübernahme beschäftigt. 35 Betriebe haben sie angeguckt, bei vielen war noch völlig unklar, wie sich die Abgebenden eine Übergabe vorstellen, auf drei Höfen haben Hoffmanns und Büchler wochenweise probegearbeitet, ergeben hat sich nichts. Sie suchten sich Jobs als Übergangslösung – und als Vorleistung, um Geld zu verdienen für eine spätere Existenzgründung. So landete das Paar als Ökolandbauberater und Praxisforscherin bei der Landwirtschaftskammer in Münster. Der Einstieg in die Landwirtschaft ergab sich dann über die Wohnsituation: Als Mieter auf einem alten Gutshof mit vielen verschiedenen Parteien, Freiräumen und Unterstellmöglichkeit für Auto und Pommesbude lernten sie die heutigen Eigentümer der verbliebenen Flächen des Gutes kennen. Überzeugt von dem Konzept, das die beiden Junglandwirte im Kopf hatten, überließen sie ihnen nach Auslaufen des bisherigen Pachtvertrages die Flächen.
Schwerer Zugang zu Land
„Am Anfang braucht man eine Betriebsnummer und dafür braucht man Land“, beschreibt Hoffmanns den Zugang zu Land als größte Hürde für Existenzgründer: „Es braucht also immer jemanden, der sagt: Mach mal.“ Büchler fügt hinzu: „Der entscheidende Punkt ist, ins Tun zu kommen. Dann entstehen Dinge.“ Sie stellten die Flächen auf ökologische Bewirtschaftung um, kauften Trecker und Kartoffelsortiermaschine gebraucht, machten eine kleine Scheune als Kartoffellager nutzbar. Anfangsinvestitionssumme: 70.000 Euro. Vom jungen Hofübernehmer des Nachbarbetriebes bekamen die Neugründer viel Unterstützung und konnten Maschinen leihen – als ehemaliger Pächter der Flächen hegte er keinen Groll, sondern freute sich über die neuen bäuerlichen Nachbarn.
Doch zwei Jahre später begann ein nervenaufreibender Prozess, um die Flächen zu sichern: Einer der Eigentümer wollte ausbezahlt werden, die Flächen mussten verkauft werden. Gemeinsam mit der Kulturland-Genossenschaft und gut vernetzten Unterstützern aus dem Kundenkreis gelang es im Spätsommer 2023 innerhalb weniger Wochen, die enorme Kaufsumme von 660.000 Euro aufzubringen. Aber die Landwirtschaftskammer versagte auf Grundlage des Grundstücksverkehrsgesetzes den Kauf, weil sie die Kulturland eG als nicht landwirtschaftlich tätigen Investor einstufte und einen an den Flächen interessierten Landwirt fand, der demnach ein Vorkaufsrecht hätte. Gemeinsam mit Kulturland klagten Büchler und Hoffmans gegen die Entscheidung, weil sie als Bewirtschaftende rechtlich in den Kauf mit eingebunden sind, und bekamen vom Amtsgericht Münster recht. Doch die Kammer legte Widerspruch ein, sodass als Nächstes im Herbst dieses Jahres eine Verhandlung am Oberlandesgericht in Hamm ansteht. Der Klageweg kostet Zeit und Geld, aber es geht um das Herzstück von Biolee – und grundsätzlich um den Status solcher gemeinschaftlichen Landkäufe.
Entwicklungsschritte
Parallel ergab sich wieder Unerwartetes: Im letzten Jahr konnten die beiden Existenzgründer u. a. die Landwirtschaft mit 20 ha Fläche und kleiner Ochsenmast eines nahegelegenen Biobauern zur Pacht übernehmen, weil dieser altersbedingt aufhörte. „Es kamen viele glückliche Zufälle zusammen bei uns“, blickt Büchler insgesamt dankbar auf die Entwicklungen: „Es ist sehr viel passiert in den letzten drei Jahren.“ Eine wichtige Aufgabe besteht von Anfang an darin, Vermarktungsstrukturen für die eigenen Erzeugnisse aufzubauen. Das Paar sieht das externe Einkommen aus ihren 20-Stunden-Stellen als Notanker für die mittlerweile vierköpfige Familie: „Bis wir in den Vollerwerb gehen, brauchen wir zwei, drei Jahre konstanten Umsatz, auf den wir bauen können.“ Für die Pommesbude wird weniger zugekauft und ein Drittel der eigenen, auf einem Hektar angebauten Kartoffeln eingesetzt. Über Naturkostläden in der Region und die Direktvermarktung mit zwei Selbstbedienungsstandorten läuft das übrige Feldgemüse. Backgetreide geht an Münsters Biobäckerei Cibaria. Hinzu kommt der Ansatz, den stadtnahen Standort zu nutzen und Verbrauchern bei Aktionen mit Eventcharakter Landwirtschaft näherzubringen: Die Existenzgründer bieten Kartoffelbuddeltage zur Selbsternte an sowie Kartoffelerlebnisabos durch die Saison und sie vergeben bezahlte Blühpatenschaften.
Existenzgründer als Bereicherung
Als Neueinsteiger haben sie schon viel erreicht, können von einigen Hürden berichten und mittlerweile verschiedene Ansatzpunkte benennen, wie ein Einstieg in die Landwirtschaft gefördert werden könnte. Büchler ist überzeugt: „Unser Landkauf zeigt die Situation: Es ist so schwer für Existenzgründer, weil so wenig aus der Branche kommt. Es gibt keine ausgeprägte Willkommenskultur. Die Genehmigungsbehörden müssten sich mehr öffnen für neue Konzepte.“ Auch die Fördergestaltung lässt Besonderheiten von Neueinsteigern außer Acht, erklärt der Jungbauer. „Da ist eine Unsicherheitszeit zu Beginn. Es braucht eine Vorlaufzeit von ein paar Jahren, bis man sieht: Ich komme in der Region an, meine Ideen funktionieren, ich finde Vermarktungspartner. Dann erst bin ich bereit, größere Investitionsschritte zu machen. Dann machen Kredite zu gesonderten Konditionen Sinn. Zuerst braucht es niedrigschwellige, konzeptbasierte Zuschüsse als Signal: Fang an!“ Um ganz praktisch den Einstieg zu meistern, haben sich Büchler und Hoffmanns nicht nur einmal eine Art Mentorenprogramm mit erfahrenen Bäuerinnen und Bauern ausgemalt, die helfen, vor Ort Ansprechpartner zu finden, behördliche Abläufe zu verstehen und die beratend zur Seite stehen. Büchler weist auf den unterschätzten Wert von begeisterten Neueinsteigern hin: „Hürden halten uns nicht auf, die machen erfinderisch. So bringen Existenzgründer Innovationspotential in die Branche.“
Betriebsspiegel Biolee:
15,5 ha Acker,
15 ha Grünland,
Kulturen: Kleegras, Winterweizen, Winterroggen, Sommerweizen, Kartoffeln, Kürbis, Rote Bete, Tomaten im Folientunnel;
15 Ochsen, Rotbunte in Extensivmast
INFO: Land in Gemeinschaftshand
Die Kulturland eG wurde gegründet, um es Biobetrieben zu ermöglichen, zum Verkauf stehende landwirtschaftliche Flächen zu erwerben. Meist sind die Höfe bereits die Bewirtschafter. Mit finanzieller Beteiligung durch gezeichnete Genossenschaftsanteile von Unterstützern des jeweiligen Hofes werden die Flächen von einer gemeinsamen Kommanditgesellschaft aus Hofbewirtschafter und Genossenschaft gekauft und aus dem privaten Eigentum gelöst. Anschließend werden die Flächen dem Hof langfristig und zu fairen Konditionen verpachtet. Mit ähnlichem Ziel sind auch die BioBodenGenossenschaft und mittlerweile mehrere Regionalwert-AGs tätig.
