Ferkelaufzucht in artgerechtem Haltungssystem

Ferkelaufzuchtställe mit hohen Tierwohlansprüchen sind in der breiten Praxis wenig anzutreffen. Schließlich gibt es derzeit auch noch keine Festlegung, wie zum Beispiel ein Aufzuchtstall nach dem staatlichen Tierwohlkennzeichen der höchsten Stufe drei aussehen soll. Was es gibt, sind aber Pioniere, die sich schon vor 20 Jahren auf den Weg zu mehr Tierwohl gemacht haben. Der hier vorgestellte Stall erfüllt aller Voraussicht nach die höchste Stufe der staatlichen Tierwohlkennzeichnung und ist darüber hinaus auch noch sehr kostengünstig zu bauen und zu bewirtschaften. Auf Tierwohlkurs Wer einen kleinen Aussiedlungsbetrieb im Nebenerwerb wie den der Österles im baden-württembergischen Obermarchtal zu einem Vollerwerbsbetrieb mit Zuchtsauenhaltung und einem Einkommen für zwei Familien ausbaut, muss oft und viel bauen. Der ursprüngliche Bestand von 62 Sauen wurde nach und nach auf die jetzige Größe von 230 Tieren aufgestockt. Karl Österle setzte von Anfang an auf kostengünstige, überschaubare Bauabschnitte. Einstreu und besonders tierfreundliche Haltungsverfahren waren schon immer die Devise. Die besonders preiswerte Bauweise durch Eigenleistungen verdankt Karl Österle seinem Vater, der außerlandwirtschaftlich als Maurer arbeitete und so sein Know-how und seine Arbeitskraft einbrachte. So wurde lange vor der verpflichtenden Einführung der Gruppenhaltung bei Wartesauen ein neuer Stall mit tief eingestreuten Liegebereichen im Cafeteria-System gebaut. Bereits vier Jahre später wurde ein neuer Aufzuchtstall für 900 Plätze gebaut. Letztes Kernstück im Betrieb sind die im letzten Jahr neu erstellten Abferkelställe mit freier Abferkelung. Die Vermarktung erfolgt in langfristigen Verträgen über das Hofglück-Programm von Edeka Südwest. Ferkelaufzucht in Pigports Letztlich muss sich jeder Betrieb bei Investitionen darüber im Klaren sein, wie Investitions- und Betriebskosten, artgerechte Haltung mit optimaler Vermarktung und die Arbeitswirtschaft in Einklang gebracht werden können. Karl Österle hat mit der Ferkelaufzucht auf planbefestigte Pigports gesetzt. Jeder der drei Pigports mit einem Platzangebot von drei Mal 300 Plätzen wird im Rein-Raus-Verfahren belegt. Diese Ställe sind technisch nur mit dem Wesentlichsten ausgestattet: Gefüttert wird an Trockenfutterautomaten, die mit einer Futterspirale beschickt werden. Jede dritte Woche wird einer von den drei Pigports mit dem Schlepper entmistet. „Mit diesem Haltungssystem kann nichts anbrennen, wenn der Strom und die Technik ausfallen sollten. „Wir haben bei der Arbeit frische Luft um die Nase und in den Ställen halten wir erfolgreich unkupierte Ferkel!“, so Junior Thomas Österle, der nach seiner landwirtschaftlichen Technikerausbildung im Betrieb mitarbeitet. Trennung der Funktionsbereiche Das Platzangebot teilt sich in zwei Bereiche auf: den beheizbaren und gedämmten Liegebereich sowie den großen, eingestreuten und überdachten Auslauf. Bei einer Buchtenbreite von 2,50 Meter und einer Buchtentiefe von 13,30 Meter stehen bei einer Belegung mit 54 Ferkeln jedem Tier 0,6 m² an Platz zur Verfügung. Davon entfallen 0,18 m² auf den Liegebereich und 0,42 m² auf den Auslauf. Diese Strukturierung bietet eine sichere Voraussetzung zur deutlichen Unterscheidung der Funktionsbereiche für Liegen, Aktivitäten und Koten. Insbesondere sorgt die reichliche Einstreu im Auslauf für genügend Anreiz für die Tiere, sich dort aufzuhalten und dort ihre Exkremente abzusetzen. Bei niedrigen Außentemperaturen werden die Deckel vom Liegebereich in der ersten Woche nach dem Absetzen mit mobilen Dunkelstrahlern versehen, damit sich die Ferkel in lockerer Seitenlage gut verteilen und den Liegebereich sauber halten. Trockenfütterung ist unumgänglich Eine wesentliche Voraussetzung für die Buchtensauberkeit ist Trockenfütterung. Die Wandautomaten sind auf der gesamten Buchtenbreite von 2,50 m auf der Rückseite des Liegebereiches auf einem kleinen Betonsockel (30 cm breit und 5 cm hoch) entlang des Kontrollganges aufgestellt. So bleiben die Automaten auch bei reichlich Einstreu funktionsfähig und die Ferkel können sich nicht so leicht vor die Automaten legen und den Zugang für die Kumpanen versperren. Da das Tier-Fressplatz-Verhältnis insbesondere in der Absetzphase etwas knapp ist, wird Futter auch in Langtrögen im Auslauf verabreicht. In den ersten zehn Tagen nach dem Absetzen brennt im Liegebereich ein Orientierungslicht, so dass die Ferkel möglichst oft zu einer kleinen Futteraufnahme angeregt werden. Auf diese Maßnahmen darf insbesondere in den Wintermonaten nicht verzichtet werden. Im besten Fall sind die Futterzuleitungen einschließlich der Futterfallrohre komplett im Warmbereich verlegt. So wird vermieden, dass in den Futterleitungen Kondensat auftritt. Im Kaltbereich verlegte Futterfallrohre müssen nach jedem Winterdurchgang gereinigt werden. Verkotungen in den Buchtenecken werden vermieden, da der Liegebereich zwei Ausgänge in den Auslauf hat, die sich in den Buchtenecken befinden. Einer der beiden Ausgänge ist in der Höhe nach oben offen, so dass man zum Ausstallen und Reinigen den Liegebereich aufrecht begehen kann. Die Tränken befinden sich außerhalb des Liegebereichs an der Wand zum Auslauf. Die Tränkwasserleitungen sind im Estrich des Liegebereiches als Zirkulationsleitung verlegt. Eine Zusatzheizung des Tränkewassers ist deshalb nicht erforderlich. Bei tiefen Außentemperaturen sorgt jedoch eine Zirkulationspumpe für die Umwälzung des Wassers. Wenig Ohren- und Schwanzbeißen Reichlich Einstreu, ausreichend Fressplätze, passende Futterzusammensetzung und -struktur sind wichtige Voraussetzungen für die Haltung unkupierter Ferkel. Österles ziehen seit mehr als 20 Jahren ihre Ferkel mit Ringelschwänzen auf. Um die Arbeit beim Entmisten zu erleichtern und den Ferkeln mehr Ausweichräume zu bieten, sind im Auslauf nur wenige Buchtengitter im Einsatz. Großgruppen von ca. 80 bis 100 Ferkeln haben sich bewährt. Zum Aufstallungsbeginn werden Großpacken Stroh in die Ausläufe gestellt. Nach dessen Verbrauch wird täglich frisch nachgestreut. Der Strohaufwand beläuft sich auf ca. 6 kg je aufgezogenem Ferkel. Die Erbringung von maximalen Eigenleistungen bzw. der Einsatz von kostengünstigen Arbeitskräften war schon immer der Schlüssel für kostengünstigen Stallbau bei Österles. So hat der Neubau der ersten 900 Aufzuchtplätze vor 20 Jahren nur ca. 60 Euro pro Platz (ohne Eigenleistungen) gekostet. Im vergangenen Jahr wurde jeder der drei Pigports um je weitere 150 Plätze vergrößert. Durch Kostensteigerungen bei den Baumaterialien beliefen sich aktuell die Kosten einschließlich der Genehmigung auf 47.239 Euro, was 104 Euro je Platz entspricht. An geschätzten Eigenleistungen wurden ca. 800 Stunden erbracht. Bei einem Ansatz von 25 Euro je Arbeitsstunde kommen so weitere 20.000 Euro hinzu, woraus sich 44 Euro je Platz errechnen. Der Aufzuchtplatz mit 0,6 m² je Tier konnte so für 149 Euro erstellt werden.
17.05.2021
Von: Ruldolf Woedmann, Berater für artgerechte Tierhaltung

Tief eingestreuter Liegebereich Foto: Wiedmann