Eine für Alles

Der Januar ist ein wichtiger Monat für die Bundeslandwirtschaftsministerin. Mit der Grünen Woche in Berlin findet „ihre“ Messe statt. Auch wenn sich die Grüne Woche schon seit längerem immer mehr zur Verbrauchermesse entwickelt hat, zu einem Ort, an dem man unterschiedlichsten Kulturen und vor allem deren Essgewohnheiten begegnen kann. Ein Ort des Austauschs also, des Kennenlernens, des miteinander Redens. Und das findet natürlich rund um die in den Messehallen aufgebauten Leckereien statt. Gleichzeitig wird in Kongresszentren, auf Empfängen und bei der seit mehreren Jahren parallel stattfindenden internationalen Agrarministerkonferenz, für die Messebesucher fast unsichtbar, die Zukunft der Landwirtschaft in Europa und weltweit diskutiert. Für die Landwirtschaftsministerin eine Zeit mit vielen Reden und vielen Presseterminen. Eine Zeit voller medialer Aufmerksamkeit, die sie nutzen könnte, um ihre politischen Ziele für ihre weitere Amtszeit vorzustellen und Wege aufzuzeigen. Wenig Konkretes Natürlich zählt Julia Klöckner dabei die Erfolge ihres Ministeriums, ihres Schaffens, aber auch schon mal das ihrer Vorgänger, angepasst an die jeweilige Zuhörerschaft auf. In ihrem Redemanuskript zum Neujahrsempfang des Deutschen Bauernverbands einen Tag vor Messebeginn stehen beispielsweise bewilligte Dürrehilfen, ein marktreifes Verfahren zum Ausstieg aus dem Kükentöten oder das neue Bundesprogramm Nutztierhaltung. Beim Empfang des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft erwähnt sie ihr Ziel von 20 Prozent Ökolandbau genauso, wie sie der Forderung nach einer weiteren Qualifizierung der Agrarförderung eine klare Absage erteilt. „Unsere Landwirtschaft wird zu oft romantisiert“, steht in dem Manuskript zum Neujahrsempfang des Deutschen Bauernverbands. Von wem diese Romantisierung kommt, sagt Klöckner nicht. Die Landwirte sind es sicherlich nicht. Vielleicht hat sie die Medien oder die Demonstranten der wenige Tage später stattfindenden Wir-haben-es-satt-Demo im Sinn. Auf jeden Fall sind es auch die vielen Lebensmittelkonzerne, die den Kunden mit netten Bildern von Kühen auf der Wiese locken und Marken wie „Meine Metzgerei“ des Discounters Aldi, die das Bild einer handwerklichen Produktion beim Kunden vermitteln wollen, obwohl industrielle Strukturen dahinterstecken. Fragen darf man aber auch, was denn falsch sein soll an diesem Bild, das eine Landwirtschaft zum Inhalt hat, bei der das Tier noch wahrgenommen wird, die Natur eine Existenzberechtigung hat und der größtmögliche Ertrag nicht das alles überdeckende Ziel ist. Es sind eher die nicht genannten Punkte, die die Position der Ministerin zeigen. Da werden die Stalleinbrüche zu Recht gegeißelt, aber es wird nicht darauf eingegangen, dass die Aufnahmen natürlich nur dann in den Medien kursieren, wenn es offensichtliche Missstände gibt. „Damit werden bewusst Ängste geschürt und die moderne Landwirtschaft und damit auch Sie, liebe Bäuerinnen und Bauern, in ein schlechtes Licht gerückt“, ist das Fazit der Ministerin. „Viele öffnen transparent ihre Ställe und geben Einblick in ihre tägliche Arbeit“ und auch auf der Messe wird der Austausch gesucht. Trotzdem es „kritische Stimmen“ gebe, solle man sich nicht entmutigen lassen. Weiter so, scheint die Devise der Bundeslandwirtschaftsministerin zu sein. Nur wenige Tage zuvor hat Prof. Dr. Grethe vom Wissenschaftlichen Beirat Nutztierhaltung zum wiederholten Male die notwendigen Schritte für einen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland angemahnt. Stehen doch mit dem Ende der betäubungslosen Ferkelkastration und einem sich in Zukunft ankündigenden Kupierverbot von Ringelschwänzen gewaltige Herausforderungen für die Schweinehalter an. Vielleicht muss man in diesem Kontext auch die Platzierung des Standes des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) außerhalb der BMEL-Halle sehen. Das Ohne-Gentechnik-Logo wurde 2009 von der damaligen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner der Öffentlichkeit vorgestellt. Nachdem das Ministerium das Logo in der Anfangszeit selbst vergab, wurde diese Aufgabe sehr bald an den VLOG übergeben. Noch immer ist die Auseinandersetzung um gentechnikfreie Lebensmittel nicht beendet. Immer wieder versuchen die Befürworter, den Markt für gentechnisch veränderte Produkte zu öffnen, Kennzeichnungsregeln zu verwässern, Anbauzulassungen zu erreichen, um den gentechnikfreien europäischen Lebensmittelmarkt zu sabotieren. Dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik in dieser Situation den traditionellen Platz in der BMEL-Halle zu versagen, muss vor den vielen Äußerungen von Julia Klöckner zu Innovation und Effizienzsteigerung als ein klares Warnsignal verstanden werden. Allerdings gibt es leider auch hier keine klare Position der ehemaligen Weinkönigin, die so gerne vermittelt, Forschungsprojekte anschiebt und auf ihr freiwilliges Tierwohllabel im Jahr 2020 verweist. Bäuerinnen und Bauern, sowohl ökologisch als auch konventionell wirtschaftend, bleiben mit ihren zentralen Fragen alleine. Nach welchen Maßgaben sollen neue Ställe gebaut werden? Kann man sich auf Tierwohlkennzeichnungen des Handels verlassen? Welche Nachjustierungen sind bei der Düngeverordnung zu erwarten? Und was passiert bei der GAP? Das sind nur einige der Fragen. Eine Antwort Die Ministerin hat sie gefunden: die eine Antwort auf alle Fragen. Es ist die Digitalisierung. Man hat das Gefühl von einem Rauschzustand, in dem sich der Schreiber der Rede der Ministerin zur Berliner Agrarministerkonferenz im Rahmen des „Global Forum for Food and Agriculture“ (GFFA) befand. Da werden Ressourcen geschützt, Verbraucher besser informiert, da ist von Techniksprüngen und disruptiven Veränderungen die Rede. Omnipotent und omnirelevant sei diese Digitalisierung, die unsere Welt verändern wird. Chancen seien zu nutzen und Risiken zu beachten. Wenn wir sie gestalten, kann sie vor Hunger schützen, genauso wie vor Wetterkapriolen, Dürre oder Schädlingen. Sie hilft effizienter zu arbeiten und „von einem Hektar Ackerland mehr Ertrag erzielen“ zu können. Denn „jeder neunte Mensch auf der Welt leidet Hunger, das sind derzeit rund 821 Millionen Menschen“. Digitalisierung hilft dieser „Verantwortung nachkommen [zu] können“, „das Recht auf Nahrung umzusetzen“. Natürlich muss man diesen Prozess gestalten. Zugang für alle gewährleisten, „die Frage der Datensouveränität, der Datensicherheit und des Datenschutzes [...] klären“. „Wem gehören die Daten, die über die zu erwartende Ernte generiert werden? Wer darf sie nutzen, wer darf sie verwerten?“ Wer, so könnte man auch fragen, darf sie nutzen, um an Börsen zu spekulieren, Nahrungsengpässe vorherzusagen, sein politisches Spiel damit zu treiben? Oder ist das alles zu negativ, sollten die Informationen nur zum vermeintlich Guten genutzt werden? Bei aller Euphorie dann die Ernüchterung. Denn all dies sei erst noch zu klären, von einem „internationalen und unabhängigen Digitalrat für die Landwirtschaft“ durch eine von der FAO erbetene Technikfolgenabschätzung und „zuverlässige Analysen“. Ganz am Ende kommt dann auch noch die Entscheidung darüber, „welche politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Schritte notwendig sind, um Digitalisierung zu gestalten“. Für die Beteiligung der Gesellschaft am Prozess, an der Ausrichtung der zukünftigen Landwirtschaftspolitik, an den Bedürfnissen in den ländlichen Regionen über schnelles Internet hinaus dürfte es dann zu spät sein. Genau diese Beteiligung fordern aber immer mehr Menschen. Auch die 35.000, die durchaus kritisch, aber nicht ablehnend einen Systemwandel für die Landwirtschaft vor dem Brandenburger Tor gefordert haben.