Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Zürich wegen des Ukraine-Kriegs für eine rasche Ratifizierung des europäisch-kanadischen Handelsabkommens CETA ausgesprochen. Deutlicher Widerspruch kommt von Ludwig Essig, Koordinator des Netzwerkes gerechter Welthandel, dem auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft angehört.
In Zürich wandte sich Kretschmann mit seiner Forderung nach einer raschen CETA-Ratifizierung auch an seine eigene Partei. „Das ist jetzt eine Ansage an den eigenen Laden“, erklärte Kretschmann und fragte: „Wenn wir nicht mal mit Kanada ein Freihandelsabkommen machen können, mit wem dann?“ Man dürfe sich nicht mehr verhaken im Kleinteiligen. Spätestens wegen des Ukraine-Kriegs müsse man nun die großen Probleme besser in den Blick nehmen. Zuvor hatte bereits die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) gefordert, „in diesen fragilen Zeiten“ alles daran zu setzen, das CETA-Abkommen „vollständig und endgültig umzusetzen“.
Nach Ansicht von Ludwig Essig verkennt Kretschmann mit seinen Äußerungen die Lage. "Das umfassende Handels- und Investitionsschutzabkommen CETA wird seit 2017 vorläufig angewandt. Alle handelsrelevanten Bereiche sind damit aktiv. Alleine die Investor-Staat-Schiedsgerichte und die intransparent arbeitenden Ausschüsse des Abkommens sind davon ausgenommen. Wenn Kretschmann also für eine Ratifizierung des Vertrags ist, spricht er sich deutlich für die Schaffung einer Paralleljustiz aus, die alleine für ausländische Großinvestoren zugänglich wäre und Staaten mit Millionenklagen überziehen könnte. CETA stellt die Interessen von multinationalen Konzernen über den Schutz von Verbraucher:innen, Arbeitnehmer:innen und der Umwelt“, erklärt Essig. Schon während der Verhandlung des Abkommens war es nach Ansicht von Essig aus der Zeit gefallen. „In der Zwischenzeit haben sich die sozialen und ökologischen Krisen weiter dramatisch verschärft. CETA könnte diese Krisen weiter befeuern, denn die Aktivierung der Schiedsgerichte würde den Handlungsspielraum von Parlamenten zugunsten ausländischer Großinvestoren einschränken. Es ist zu erwarten, dass sich Regierungen bei der Bekämpfung der Klimakrise und anderer Umweltprobleme dann noch mehr zurückhalten. Schließlich müssten sie damit rechnen, von internationalen Investoren auf Schadensersatz verklagt zu werden, wenn Maßnahmen zum Klima- oder Umweltschutz deren Geschäfte beeinträchtigen. Gerade in Zeiten von Krieg und Klimakrise brauchen unsere demokratisch gewählten Regierungen Handlungsfreit und dürfen nicht von Großinvestoren mit Klagen vor internationalen Schiedsgerichten erpressbar gemacht werden", so Essig. Und abschließend erklärt der Koordinator des Netzwerkes gerechter Welthandel: "Neben der Frage, mit wem ein Vertrag geschlossen werden soll, ist für uns die Frage entscheidend, was der Inhalt des Vertrags ist. Dies scheint Kretschmann weniger wichtig zu sein."