Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) die Bundesregierung auf, die Empfehlung des „Ärztlichen Sachverständigenbeirats" „Parkinson durch Pestizide" als Berufskrankheit bei LandwirtInnen anzuerkennen, rasch umzusetzen. „Die Politik muss die Berufskrankheiten-Verordnung jetzt entsprechend ergänzen. Sie darf nicht auf den letzten Metern vor der geballten Lobby-Macht einknicken", so CBG-Vorständin Brigitte Hincha-Weisel. Und Bernd Schmitz, AbL-Bundesgeschäftsführer und Mitglied der Vertreterversammlung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), fordert wie auch die CBG die pestizidherstellende Chemieindustrie auf, einen Teil ihre Profite zur Verringerung der Belastung der heutigen Beitragszahler beisteuern.
Die SVLFG hat laut CBG aktuell 8.000 Parkinson-Patient:nnen unter ihren Mitgliedern. Sie rechnet durch die neue Regelung mit zusätzlichen finanziellen Belastungen von bis zu 270 Millionen Euro pro Jahr. Nicht zuletzt um das zu schultern, hat die Berufsgenossenschaft der Landwirt:nnen ihre Beiträge um rund 20 Prozent erhöht. „Die Gefährdeten selbst sollen also zahlen und nicht die Gefährder. Das geht nicht an. BAYER und die anderen Pestizid-Produzenten müssen hier ihren Beitrag leisten", verlangt Brigitte Hincha-Weisel.
Dazu haben sich BAYER und die anderen im Industrieverband Agrar (IVA) organisierten Hersteller bisher laut CBG jedoch nicht bereit erklärt. Sie leugnen sogar den Tatbestand. „Die Entstehung von Parkinson ist komplex und in der Medizin nicht vollständig geklärt", behauptet der IVA. Die vorliegenden Studien würden zwar „statistische Zusammenhänge abbilden (Korrelation), aber die Ursache nicht erklären (Kausalität)", führt der Lobby-Verband aus. Ansonsten schiebt er in altbekannter Manier alles auf eine möglicherweise nicht sachgerechte Anwendung der Mittel, so die CBG.
Dabei belegten erste wissenschaftliche Untersuchungen bereits in den 1980er Jahren den Zusammenhang zwischen Pestizid-Exposition und Parkinson. Und im Jahr 2023 forderten MedizinerInnen in der Fachzeitschrift „The Lancet Planetary Health" ausdrücklich mit Verweis auf die Nebenwirkung „Parkinson", den BAYER-Antrag auf eine Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung abzulehnen. „Eindringlich appellieren wir an die Regierungen und Politiker der Europäischen Union, gegen die Verlängerung der Marktzulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre zu stimmen", schrieben sie.
Dementsprechend begrüßen die „Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen" (DPG) und die „Deutsche Gesellschaft für Neurologie" (DGN) die Anerkennung als Berufskrankheit. „Für viele Pestizide ist ein direkter toxischer Effekt auf das Nervensystem nachgewiesen. So auch für Glyphosat, welches zu Veränderungen der Neurotransmitter- (Überträgerstoff-)Konzentrationen im Nervensystem und zu einem zellschädigenden Milieu beiträgt. Parkinson-Erkrankungen werden sowohl nach akuter (...) wie auch nach chronischer (...) Glyphosat-Exposition beobachtet", konstatiert die DGN.
„Die Pestizid-Nebenwirkung ‚Parkinson' zeigt einmal mehr, was für Lasten gesundheitlicher und finanzieller Art BAYER & Co. der Gesellschaft aufbürden", hält Hincha-Weisel abschließend fest.
Dazu erklärt Bernd Schmitz: „Die durch die Berufsgenossenschaft (BG) in der SVLFG anzuerkennenden Fälle von Parkinson als Berufskrankheit stammen im Wesentlichen aus einer Zeit, in der die verfügbaren Schutzmaßnahmen vor der Einwirkung von Pestiziden auf den Anwender noch begrenzt waren. Die meist selbständigen Bauern haben in dieser Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“ Als Beispiel nennt Schmitz das Herbizid Atrazin. Über Jahrzehnte intensiv eingesetzt insbesondere im Maisanbau, wurde dessen Anwendung 1991 in Deutschland und 2003 in der EU wegen der Gefahr für Mensch und Umwelt verboten. Eine Anfang 2024 veröffentlichte Studie aus den USA, wo Atrazin noch zugelassen ist, zeigt, dass Menschen in Regionen der USA, in denen eine höhere Belastung durch Pestizide und Herbizide besteht, häufiger an Parkinson erkranken. Der stärkste Zusammenhang zwischen einer Parkinson-Diagnose und dem Einsatz eines bestimmten Stoffes wurde dabei unter anderem bei Atrazin festgestellt. Menschen mit der höchsten Atrazin -Exposition hatten ein um 31 Prozent höheres Parkinson-Risiko. Das heutige Problem für an Parkinson Erkrankte: Der Betroffene muss mindestens 100 Tage mit einem Herbizid, Fungizid oder Insektizid gearbeitet haben. Und das nachzuweisen ist nach Jahren oder Jahrzehnten vielfach nicht (mehr) möglich (Rechnungen oder Anwendungsaufzeichnungen existieren nicht resp. nicht mehr). Für Schmitz ist vor diesem Hintergrund „nicht ausreichend, dass staatliche Unterstützung die BG-Beiträge der Höfe entlastet, sondern die Inverkehrbringer der Chemieindustrie einen Teil ihre Profite zur Verringerung der Belastung der heutigen Beitragszahler beisteuern. Gewinne privatisieren und Schäden sozialisieren sollte auch in der Chemieindustrie verpönt sein.“
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren wird „Parkinson durch Pestizide" auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlung setzen, die am 25. April im Online-Format stattfindet. Auf der Kundgebung, die zeitgleich um 10 Uhr vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen beginnt und zu der die CBG aufruft, kommt das Thema ebenfalls zur Sprache.