Die Bauern und Bäuerinnen gehören mit an die Verhandlungstische. Sie sind es, die die Welt ernähren, sie sind es vor allem in den Ländern des globalen Südens aber auch im Norden, die eine enorme Verantwortung tragen und im Moment mit Knappheiten und extremen Kostensteigerungen kämpfen, sich anpassen müssen an zum Teil dramatische Veränderungen der natürlichen Ressourcen – ihrer Wirtschaftsgrundlagen – und gleichzeitig allzu selten Preise für ihre Erzeugnisse erzielen, die sie fair entlohnen. Aber sie waren nicht im Schloss in Elmau um mit den Staatenlenkern der wichtigsten Industrienationen die Welternährungskrise zu besprechen. Sie durften nur abseits ein bisschen demonstrieren, um ja nicht das Bild der schönen Eintracht vor weiß-blauer Kulisse zu stören, auf dem die mildtätigen Mächtigen unzureichende Geldgeschenke verteilen. Mit ein paar Milliarden lässt sich diese Krise nicht lösen. Und sie lässt sich auch nicht lösen, wenn nur Mittel und Wege gefunden werden, um die blockierten Getreidevorräte aus den Silos in Odessa und Mykolajiw rauszuholen, wie uns die Bundesregierung allzu gerne glauben machen möchte. Der durch Russland angezettelte Krieg in der Ukraine verschärft das globale Hungerproblem, die Situation wird von Russland strategisch genutzt, um den Rest der Welt zu spalten. Aber schon vorher haben Länder des Nordens auf Kosten der Länder des Südens Profite gemacht und Hunger billigend in Kauf genommen. Die Politik der WTO und der Weltbank haben mit ihren Schuldenanpassungsprogrammen in getarnter Fortsetzung der Kolonialherrschaft erst die Abhängigkeiten hervorgebracht, die nun auch Menschen außerhalb von Kriegsgebieten das Leben kosten. Schon vor dem Angriff auf die Ukraine wuchsen auf viel wertvollem Ackerland Pflanzen, die vor allem den Fleischhunger des Nordens stillen oder das Mobilitätsbedürfnis seiner Autofahrer. Lebensmittel- und Agrarrohstoffhändler machen ihre Schnitte, verkaufen Getreidepartien auf Spekulationsmärkten auch gern mehrmals und treiben die Preise, während Bauern und Bäuerinnen am Ende der Kette das nehmen müssen, was übrig bleibt. Gebraucht wird also ein Gremium, in dem alle an einem Tisch sitzen und gemeinsam nach Lösungen für die Krise suchen. Das kann der Welternährungsrat der UN sein, in dem La Via Campesina eine starke Stimme von der bäuerlichen Basis einbringt und gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen tatsächlich Positionen gegen die Industrie durchsetzen kann. Wohl deshalb versucht das Weltwirtschaftsforum, mit dem zusätzlich und ohne UN-Legitimation einberufenen Food Systems Summit die Verhandlungen über das Ernährungssystem der Welt wieder in seine Komfortzone zu rücken. Bauern und Bäuerinnen brauchen keine aufgesetzte Folklore, aber auch keine falschen Versprechen technischer Lösungen, mit denen doch weiter wie bisher produziert werden könne. Sondern faire Bedingungen um die Menschen in ihren Ländern zu ernähren. Wie die Welternährungskrise ist der Klimawandel schon seit Jahren Realität. Wasser zum richtigen Zeitpunkt in der Vegetation wird zunehmend zum knappen Gut, ob für Reis in Kalifornien oder Kartoffeln in der Lüneburger Heide. Nun den Schluss zu ziehen, dort noch intensiver zu wirtschaften, um Verluste aufzufangen verschärft - nicht entschärft - die globale Krise. Stattdessen müssen angepasste Konzepte her, die das Klima schonen, Verschwendung und Abhängigkeiten reduzieren und die Biodiversität erhalten. Viele davon werden schon praktiziert, auf der ganzen Welt wie auch im Umfeld der AbL. Die Solidarität und praktische Hilfsbereitschaft, die wir mit den Geflüchteten aus der Ukraine zeigen, brauchen wir auch, um gemeinsam Ernährungssysteme zu gestalten, in denen wir nicht vor die falsche Wahl zwischen einer überlebensfähigen Umwelt und Essen für alle gestellt werden. Möglich sind sie.