Reserveantibiotika müssen aus den Ställen komplett verschwinden

Reserveantibiotika für die Humanmedizin dürfen in der Tierhaltung nicht mehr eingesetzt werden. Das fordert die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch anlässlich der heutigen Expert:innen-Anhörung zum Thema im Bundestag. Das Verbot müsse in das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) aufgenommen werden, über das der Bundestag wahrscheinlich bereits am Donnerstag dieser Woche abstimmen wird. Bestätig sieht sich Germanwatch durch ein Gutachten im Auftrag der Ärzte gegen Massentierhaltung. Und auch die Bundesärztekammer fordert den Einsatz von Reserveantibiotika ausschließlich in der Humanmedizin. Reserveantibiotika kommen in der Humanmedizin zum Einsatz, wenn andere Antibiotika bereits nicht mehr wirken. Sie sind also oft das „letzte Mittel“ für eine erfolgreiche Behandlung. „Wirksame Antibiotika für den Menschen sind unerlässlich, um schwerste Krankheiten zu bekämpfen und auch möglichen künftigen Pandemien vorzubeugen. Die Anwendung in der industriellen Tierhaltung führt nachweislich dazu, dass sich Resistenzen bilden und lebensgefährliche Infektionen beim Menschen nicht mehr wirksam behandelt werden können“, sagt Konstantinos Tsilimekis, Referent für Landwirtschaft, Tierhaltung und Antibiotika bei Germanwatch. Neben dem Verbot aller Reserveantibiotika fordert Germanwatch, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung generell durch klare Regeln im Tierarzneimittelrecht deutlich zu reduzieren. Tsilimekis: „Wir brauchen aber auch einen weit verbesserten Tierschutz mit insgesamt deutlich weniger Tieren in den Ställen. Dadurch würde sich der massenhafte Einsatz von Antibiotika erübrigen.“ Verbot von Reserveantibiotika wäre nun auch EU-weit möglich
Zugleich müssten Bundesgesundheitsminister Spahn und Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner jetzt auch auf EU-Ebene für ein wirksames Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung aktiv werden, fordert Germanwatch. Die EU konkretisiert derzeit die Tierarzneimittelverordnung durch einige Rechtsakte. Daran knüpft das nationale TAMG an, es kann aber auch darüber hinausgehen. „Die kurz vor dem Erlass stehenden Kriterien der EU für die Bestimmung von Antibiotika, die der Behandlung von Menschen vorbehalten bleiben sollen, enthalten ein scheunentorgroßes Schlupfloch für den weiteren flächendeckenden Einsatz von Reserveantibiotika“, erläutert Tsilimekis. „Dort soll nämlich formuliert werden, dass Reserveantibiotika dann weiter genutzt werden dürfen, wenn sie für die Erhaltung der Tiergesundheit von essenzieller Bedeutung sind. Diese Ausnahme würde den ganzen Zweck der Regulierung zunichtemachen. Die Minister Spahn und Klöckner sollten sich jetzt energisch dafür einsetzen, dass erstens der entsprechende Rechtsakt widerrufen und der absurde Vorbehalt in den Kriterien der EU gestrichen wird und zweitens durch ein eindeutiges Verbot von Reserveantibiotika im deutschen Tierarzneimittelgesetz der Druck für wirksame Regeln in der EU erhöht wird.“ Maßstab für ein Verbot von Reserveantibiotika sollte die Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein, in der die für Menschen wichtigsten Antibiotika, die als Reserve dienen sollen, benannt werden. Die WHO dringt darauf, gerade diese Antibiotika vor der Ausbildung von Resistenzen, wie sie beim regelmäßigen Einsatz in der Tierhaltung schnell entstehen können, besonders zu schützen. Dass es für ein Verbot von Reserveantibiotika eine überzeugende rechtliche Grundlage gibt, zeigt ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag der Ärzte gegen Massentierhaltung, das zu dem Ergebnis kommt, dass ein Verbot von Reserveantibiotika in Deutschland sowohl unions- als auch verfassungsrechtlich möglich und darüber hinaus verfassungsrechtlich geboten ist. In der Stellungnahme zum neuen Tierarzneimittel-Gesetz haben im Februar auch die Bundesärztekammer und der Arzneimittelausschusses der deutschen Ärzteschaft die strenge Regulierung und Überwachung von antimikrobiell wirksamen Substanzen gefordert, die im Humanbereich als Reserveantibiotika angewendet werden und gefordert, dass diese für den Gebrauch in der Humanmedizin reserviert bleiben müssten. Wie medizinisch notwendig ein Verbot wäre, belegt auch eine Germanwatch-Studie aus dem vergangenen Jahr, wonach insbesondere Geflügelfleisch schon jetzt in alarmierend hohem Maße mit resistenten Krankheitserregern auch gegen Reserveantibiotika belastet ist.

07.06.2021
Von: FebL/PM

Reserveantibiotika sollen nur noch in der Humanmedizin eingesetzt werden. Bildquelle: Germanwatch