Die Gewissheit ist, dass alles ungewisser wird – dagegen hilft nur Beweglichkeit.
Es gab mal Zeiten, da redeten Bauern und Bäuerinnen wirklich nur über das Wetter. Dann gab es Jahre, da wurde über Wetter eigentlich nur noch im Zusammenhang mit dem Klimawandel geredet. Seit der gesellschaftlich wie auch politisch nicht mehr en vogue ist, bleibt es den Bauern und Bäuerinnen wieder weitestgehend allein überlassen, ob sie von Wetter mit oder ohne Klimawandel reden wollen. Für die meisten von ihnen ist allerdings Konsens, dass, wer heute Wetter sagt, um das Thema Klimawandel nicht herumkommt. War es lange Zeit – noch bis in die ersten Jahre des Jahrtausends – so, dass Modelle für Mitteleuropa eher positive Auswirkungen für die Landwirtschaft bei uns prognostizierten (längere und wärmere Vegetationsperioden, Wegbrechen von Konkurrenzanbaugebieten in Südeuropa durch Hitze), so holte die Realität mit unerwarteten Frühjahrstrockenheiten und/oder Wasser zu unmöglichen Zeitpunkten und anderen Eskapaden uns in den 2010er Jahren ein. Häufigere und stärkere Extremwetterereignisse, festgesetzte Großwetterlagen, die ganze Vegetationsperioden entweder verbrennen oder ersäufen, sind das neue Normal. Schon lange sind die verstummt, die hinter vorgehaltener Hand neue Chancen für die leicht erwärmte deutsche Landwirtschaft gegenüber dem verschmorten Mailänder Becken durch den Klimawandel besangen. Nach mehreren Trockenjahren macht das vergangene Jahr keine Unterschiede, wenn es um Extremismus geht. Es stellte Wärmerekorde auf, aber auch Niederschlagsrekorde, brachte extreme Spätfröste und vor allem die Feuchtigkeit zur falschen Zeit. Die Bauern und Bäuerinnen versuchen sich anzupassen, das haben sie immer schon getan. Weil im letzten Herbst viele Böden aufgrund der extremen Niederschläge nicht befahrbar waren, nahm die Fläche der Sommerungen zu, allein die Anbaufläche von Sommerweizen gegenüber dem Vorjahr um über 170 Prozent. In einen Zuwachs an insgesamt geernteter Getreidemenge mündete das trotzdem nicht. Im Durchschnitt lag die Ernte neun Prozent unter der des Vorjahres und zehn Prozent unter dem mehrjährigen Mittel. Daran wird deutlich, dass Anpassung an die unterschiedlichen klimatischen Extreme nur begrenzt möglich sind. Für viele Betriebe ist Getreideanbau, einst die Königsdisziplin auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit eines Hofes, auch aufgrund der gestiegenen Kosten und der gesunkenen Preise kaum noch rentabel. Wenn Geld verdient wird, dann woanders: im Stall, mit Hackfrüchten, besonderer Vermarktung oder erneuerbaren Energien.
Ängste
Neben Anpassungsschritten, die eher hinterherlaufen, wie die Sommerung nach dem September-, Oktober-, Novemberregen oder der Bau von wahlweise Drainagen oder Beregnungen, sind eigentlich Transformationen gefragt, die die Landwirtschaft vor die Welle kommen lassen würden. Langfristig veränderte Fruchtfolgen, ein anderer Umgang mit Düngung und Pflanzenschutz, auch neue Landnutzungssysteme wie der noch immer für viele extrem exotisch anmutende Agroforst. Aber Transformation ist genau das, was gesellschaftlich und besonders auf dem Land erhebliche Ängste auslöst und abgelehnt wird. Deshalb stampft Ursula von der Leyen in Brüssel gerade ihren Green Deal ein und gewinnt die AfD Wahlen auch mit Bauernstimmen. Beispiele für kleinschrittige Versuche, damit umzugehen, gibt es. Eins aus der Politik ist die Einführung einer Mehrgefahrenversicherung in Niedersachsen. Das eigentlich eher konservative Instrument, staatliche Zuschüsse für Ernteversicherungen vor Extremwetterereignissen zu gewähren, wird vom grünen Landwirtschaftsministerium mit einem Lenkungsmechanismus versehen. Es gibt ein Priorisierungsverfahren, welches ausschließlich Betriebe bevorzugt, die bereits Maßnahmen im Sinne des Klimaschutzes umsetzen, an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen o. ä.
In Austausch kommen
Die Idee, dass der, der bereit ist, sich zu bewegen, niedrigschwellig unterstützt wird, schwingt auch beim nicht mehr ganz so neuen FINKA-Projekt mit. FINKA steht für Förderungen von Insekten im Ackerbau und bringt seit vier Jahren im Bundesprogramm Biologische Vielfalt ein Netzwerk aus 30 ökologisch und 30 konventionell wirtschaftenden Bauern und Bäuerinnen in Betriebspaaren zusammen. Die Nachbar:innen befinden sich in einem gemeinsamen fachlichen Austausch darüber, wie der Verzicht auf Herbizide und Insektizide betriebswirtschaftlich und arbeitstechnisch umgesetzt werden kann. Auf einer Maßnahmenfläche verzichtet der konventionelle Betriebspartner auf Herbizide und Insektizide, der ökologisch wirtschaftende Nachbar steht ihm mit Rat und Tat und auch Technik in Form von Striegel oder Hacke zur Seite. Ziel des Projektes, das noch bis nächstes Jahr läuft, ist die Erhöhung der Biodiversität auf Ackerflächen. Im größeren Kontext ist die Idee aber auch, Menschen im Hinblick auf Veränderungen im gesamten Ackerbau miteinander ins Gespräch und schließlich hoffentlich dann auch ins Handeln zu bringen. Leen Vellenga, einer der Projektverantwortlichen beim Kompetenzzentrum Ökolandbau in Niedersachsen, zieht eine erste Zwischenbilanz: „Es gibt schon den Wunsch, das Netzwerk auch über den Projektzeitraum hinaus aufrechtzuerhalten.“ Sicher würden nicht alle konventionellen Betriebsleiter:innen bei den neuen Methoden bleiben, aber es gebe eben auch welche, die sich inzwischen selber einen Striegel angeschafft haben. „Es ist ein riesengroßer Vorteil, dass das Projekt den Rahmen für Betriebe bot, aufeinander zu zu gehen, in Austausch zu kommen, das bringt alle voran“, ist er sich sicher. Und hätten am Anfang eher die konkreten Unterschiede – das Zeitfenster für mechanische Unkrautbekämpfungsmaßnahmen ist viel kleiner und eigentlich viel früher, als wenn Chemie zur Verfügung steht – die Verständigung bestimmt, so seien inzwischen viele bei Fragen von Fruchtfolgeerweiterung, Sortenwahl, Aussaatzeitpunkten und positiven Effekten durch die Mineralisierung von Nährstoffen beim Hacken angekommen. Vellenga macht aber auch klar, dass mechanische Unkrautbekämpfung in konventionellen Ackerbausystemen immer teurer ist als Chemie. Wenn auch die mechanischen Aufwendungen im Getreide im Durchschnitt geringer sind als die fürs Spritzen, so kompensieren sie doch nicht die Mindererträge von im Schnitt sechs Prozent. Bei Hackfrüchten wie Mais oder Kartoffeln sehen die Bilanzen noch schlechter aus, weil es mehr Überfahrten bei den mechanischen Verfahren bedarf. Solche Defizite müssten durch eine Förderung oder Ökoregelungen aufgefangen werden. „Allerdings fehlt für Neuanfänger eben genau das Wissen, was im Projekt durch den Austausch mit dem Betriebspartner erworben werden konnte“, sagt Vellenga. Und der ökologische Nutzen? Auf den Maßnahmenflächen sei schon eine höhere Anzahl an Insekten feststellbar, im Getreide mehr als in den Hackfrüchten und nicht ganz so viele wie auf den ökologisch bewirtschafteten Äckern. Gerade bei Hackfrüchten müssten sich alle – konventionelle wie auch ökologisch wirtschaftende Bauern und Bäuerinnen – die Frage stellen, wie viel Begleitflora toleriert werde. Die Insekten freuten sich über alles, was mehr blühe auf dem Acker.
Veränderungsdruck
Weniger tolerabel und auch weniger spannend für Insekten sind Arten, die aufgrund enger Fruchtfolgen konventionellen Betrieben durch Resistenzen zunehmend das Leben schwer machen. Ackerfuchsschwanz, aber auch die Melde sind zum Teil kaum noch chemisch zu bekämpfen. Auch durch solche Entwicklungen entsteht Veränderungsdruck auf die Landwirtschaft. Ein Druck, der schon einmal größer war, als Glyphosat kurz vor dem Verbot stand und 50-Prozent-Pestizidreduktionssignale aus Brüssel gesendet wurden. Plötzlich entfaltete sich auch technisches Innovationspotential, kaufte sich jeder Landtechnikriese eine Hack- und Striegelklitsche ins Portfolio. Zumal eine Kamerasteuerung Hacken geradezu cool für den technikaffinen Nachwuchs zu machen schien. Die Zeiten sind zwar nicht ganz wieder vorbei, aber zumindest gedämpft. Nur dass ein Zurück zum Weiter so am Ende eben doch keine echte Option sein wird.