Warum Sri Lanka kein tropisches Paradies mehr ist

Alle an Bord der Maschine nach Colombo sind einigermaßen erleichtert, als das Flugzeug sicher landet. Um uns herum tost ein Unwetter mit Sturzregen. Dabei sollte es im Februar in Sri Lanka warm und trocken sein, der Monsun beginnt frühestens im Mai. „Solche Wolkenbrüche haben wir seit Wochen fast täglich“, erzählen uns die Freunde, bei denen wir an diesem Abend übernachten. Im Gepäck haben wir ein Paket mit verschiedenen Käsesorten – Käse gebe es schon seit vielen Monaten nirgends zu kaufen, hatte Suranga geschrieben. Die Wirtschaftskrise ist das Hauptthema beim Abendessen mit Fisch-Curry und Hoppers, einer Art Pfannkuchen aus fermentiertem Reismehl und Kokosmilch.

Tourismus und der Export landwirtschaftlicher Produkte wie Naturkautschuk und Tee sind die Haupteinnahmequellen des Landes. Mit dem Beginn der Pandemie blieben die Touristen aus. Der weitaus größte Teil der aktuellen Krise ist jedoch „hausgemacht“. Riesige Infrastrukturprojekte wie der Ausbau des Hafens in Colombo wurden überwiegend mit chinesischen Krediten finanziert. Im Frühjahr 2022 waren die Devisenreserven erschöpft, die Kredite konnten nicht mehr bedient werden und die Regierung musste sämtliche Importe, darunter Nahrungsmittel und Treibstoff, stoppen.

 

Ab morgen nur noch „Bioanbau“

Um Devisen zu sparen, hatte die Regierung bereits im April 2021 plötzlich und ohne Vorwarnung den rund zwei Millionen Bauern in Sri Lanka den Einsatz von Agrarchemie verboten. Seit den 60er Jahren war der Preis für Kunstdünger staatlich subventioniert worden. Die Zwangsumstellung auf „Biolandbau“ verringerte somit nicht nur die Staatsausgaben, sondern sparte auch Devisen, die sonst für den Import von Agrarchemie benötigt worden wären. Ohne Übergangsphase und ohne Training in Methoden des Biolandbaus gingen die Erträge dramatisch zurück. Besonders hart getroffen wurde die Teeindustrie, aber auch Gemüse und Reis waren plötzlich knapp und teuer.

Unter der derzeitigen Übergangsregierung hat sich die Versorgungslage verbessert, die Krise in der Landwirtschaft ist jedoch keineswegs vorbei. Und für die Kautschukplantagen kommt noch eine andere Bedrohung hinzu, eine Pilzerkrankung, die sich seit 2016 von Malaysia aus nach Westen ausbreitet: Erst bilden sich runde, braune Flecken auf den Blättern, dann fallen sie ab.

Vor zwei Jahren tauchte Pestalotiopsis, kurz „Pesta“ genannt zum ersten Mal auf Gummiplantagen in Sri Lanka auf. „Inzwischen ist der Rohkautschukertrag um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen“, sagt Ranil Fernando, einer der Direktoren der Kelani-Valley-Plantagengruppe.

Wir stehen an einer der Sammelstellen, an der die ZapferInnen die frische Latexmilch anliefern. Jetzt, im Februar, endet die Ruhephase der Bäume und sie beginnen, neue Blätter zu bilden. Das ist die Zeit, in der sie besonders anfällig für den Pilz sind, sagt Fernando. Bislang gebe es kein effizientes Fungizid. In Indien werde versuchsweise Kupfer gesprüht, aber die benötigten Mengen seien so hoch, dass das allenfalls eine Notlösung auf Zeit sei. Wir stehen zwischen „erwachsenen“ Gummibäumen, die schon seit mehreren Jahren angezapft werden. Im Gegensatz zu den Gummibäumen, die ich bei Besuchen noch vor zehn Jahren gesehen habe, scheinen mir die Stämme seltsam dünn zu sein. Nachgepflanzt werde inzwischen eine neue Sorte, sagt Fernando. Der Wurzelstock ist starkwüchsig, für die Okulation wird Material eines besonders ertragreichen Baumes verwendet. Die so erzeugten schlanken Klone liefern mehr Latexmilch und mit dem Zapfen kann ein bis eineinhalb Jahre früher begonnen werden als bislang üblich. 2022 habe sich Pesta auf den Plantagen wie ein Lauffeuer verbreitet, die Bäume hätten mehrfach die Blätter abgeworfen, sagt Fernando. Ungenügende Baumernährung spiele offenbar eine Rolle, Chemiedünger sei nicht zu bekommen gewesen. Ein anderer Faktor ist der Anbau in Monokulturen. Kleinbauern, deren Gummibäume in Mischkulturen mit anderen Nutzhölzern stehen, sind bislang von Pesta verschont geblieben.

 

Eine Welt für sich

In ländlichen Gegenden sind Plantagen nicht nur die größten Arbeitgeber, schon allein wegen ihrer Größe bilden sie eine eigene Welt. Wer hier arbeitet, wohnt in plantageneigenen Unterkünften. In den nächsten Ort gelangt man nur mit einem Bus oder einem Sammeltaxi. Den Plantagen obliegt deshalb nicht nur die Verantwortung für die Arbeiter, sondern auch für deren Familien. Nicht nur der Rückgang der Erträge ist inzwischen ein riesiges Problem, sondern es geht auch um die Frage, was aus den Zapfern werden soll, wenn immer mehr Gummibäume durch den Pilz vernichtet werden. Die Kelani-Valley-Gruppe pflanzt inzwischen vermehrt Tee, Kaffee und vor allem Ölpalmen an. Ob die Naturkautschukproduktion in Sri Lanka noch eine Zukunft hat, ist derzeit eine offene Frage.

Die Pandemie und die Folgen der Wirtschaftskrise haben die Plantagenmanager in unerwarteter Weise zum Umdenken bewogen: Gemüseanbau und Eigenversorgung werden jetzt aktiv gefördert. Wer möchte, bekommt ein Stück Land zugewiesen und erhält Saatgut. Zwischen den frisch gesetzten Ölpalmenschösslingen, die noch zu klein sind, um Schatten zu werfen, gedeihen jetzt Bohnen, Auberginen, Chili und anderes Gemüse. Und die Kindergärtnerinnen der plantageneigenen Vorschule haben einen kleinen Garten angelegt, in dem sie mit den Kindern nicht nur Gemüse für die Schulmahlzeiten anbauen, sondern ihnen auch zeigen, wie man Samen für die nächste Aussaat gewinnt. Biogemüseanbau steht jetzt auf dem Lehrplan.

15.05.2023
Von: Marianne Landzettel, freie Journalistin London