Auf die Bedeutung der Agrarberatung für den Umbau der Tierhaltung weist das AgrarBündnis in einem aktuellen
Diskussionspapier hin. Die Diskussion um mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung habe erheblich an Dynamik gewonnen. Die Politik reagiere unter anderem mit Tierschutzplänen und auch „der Markt“ reagiere auf die steigenden Anforderungen der Verbraucherschaft. „Die Umsätze haben eine Größenordnung erreicht, die auch den klassischen Lebensmitteleinzelhandel dazu bewogen haben, in dieses Marktsegment einzusteigen. Die Zahl der Label, die in der einen oder anderen Form mehr Tierschutz signalisieren, nimmt zu“, sagt Frieder Thomas, Geschäftsführer des Bündnisses.
Es werde aber immer deutlicher, dass der Umbau der Tierhaltung nicht nur bei den Landwirten, sondern in der gesamten Wertschöpfungskette zu Veränderungen führen wird. Man brauche angesichts der neuen Vielfalt des Angebotes nicht nur neue Ställe, sondern auch neue Formen von Logistik, Kontrolle und Information. Frieder Thomas weist auf die Schwierigkeiten vieler Landwirte hin: „Sowohl aus der Politik als auch vom Handel kommen derzeit noch sehr unterschiedliche Signale. Das lässt viele Landwirte zögern, in eine neue Entwicklung zu investieren. Denn es geht nicht um kleine Korrekturen, es geht um eine sehr grundsätzliche Umstellung von einer auf niedrige Preise eingestellten Massenproduktion zur Qualitätsproduktion mit tendenziell weniger Tieren“, weist Frieder Thomas auf die Schwierigkeiten vieler Landwirte hin.
In der Praxis zeige sich leider oft, dass das Know how über praxistaugliche Verfahren zur Einhaltung von neuen gesetzlichen Mindeststandards oder Anforderungen von Labeln noch gar nicht in ausreichendem Maße vorhanden sei. Für die notwendige Systemumstellung sei daher eine qualifizierte begleitende Beratung erforderlich. Das AgrarBündnis plädiert dafür, diese Beratung mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Man sei sich zwar bewusst, dass eine solche Förderung mit bürokratischem Aufwand verbunden sei. Mit einer kostengünstigen Beratung könnten aber auch Landwirte angesprochen werden, die ansonsten nur schwer erreicht werden könnten. In der sogenannten 2. Säule der Europäische Union stehen sowohl für die konkrete Beratung als auch für die Fortbildung von Beratern Mittel zur Verfügung. Nur ein Teil der Bundesländer nutzen laut AgrarBündnis solche Mittel.
Mit Blick auf die Wissenschaft mahnt Frieder Thomas mehr Praxisnähe an. „Solange die Wissenschaftskarriere davon abhängig ist, in englischsprachigen Journals zu publizieren, ist der Weg des Wissens aus dem Elfenbeinturm auf die Höfe einfach zu lang und meist zu wenig praxisrelevant.“ Gute Erfahrungen habe man mit einigen sogenannten Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP) gemacht. In diesen EIP kooperieren Wissenschaftler und Landwirte unmittelbar in einem Projekt miteinander und die Forschungsfrage wird in der Regel von den Landwirten gestellt. Zwar gebe es derzeit noch häufig Probleme bei der finanziellen Abwicklung mit der Verwaltung. Aber Frieder Thomas ist optimistisch: „Die Idee dieser engen praxisnahen Zusammenarbeit ist gut. Vielleicht läuft es etwas reibungsloser, wenn Erfahrung gesammelt hat und die Kinderkrankheiten dieses neuen Instruments ausgeheilt sind.“