Sonderklagerechte für Saatgutkonzerne

Das Recht auf Nachbau für Bäuerinnen und Bauern kann durch die neuen Handelsabkommen noch stärker unter Druck geraten. Zu dem Schluss kommen die Autoren der in den Niederlanden ansässigen Organisation „Both Ends“ in ihrer im Oktober veröffentlichten Studie: „UPOV 91 and trade agreements“. In dieser beschreiben die Autoren, dass in dem neuen Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) explizit darauf verwiesen wird, dass beide Länder „kooperieren sollen, um den Schutz der Pflanzenvielfalt zu stärken und voranzutreiben“ und zwar auf Basis von UPOV 91. Solche Formulierungen stellen deshalb eine besondere Gefahr dar, so die Autoren der Studie, da etwa in CETA ein Investitionsgerichtssystem (ICS) vorgesehen ist, auf dessen Grundlage Konzerne Staaten verklagen können. Im schlechtesten Falle könnten Saatgutkonzerne Staaten verklagen, wenn gegen Bestimmungen von UPOV 91 verstoßen würde und die Konzerne nachweisen könnten, dass ihnen dadurch Gewinne entgangen sind. UPOV-Verschärfungen Mit UPOV 91 versucht die Saatgutindustrie das Recht der Bäuerinnen auf Nachbau zu beschneiden. Das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen wurde 1961 beschlossen und in den Jahren 1972, 1978 und 1991 überarbeitet. Während UPOV 78 noch den Tausch von geschützten Sorten zwischen Landwirten erlaubte, bewirkte UPOV 91 starke Einschränkungen der bäuerlichen Rechte, da das Landwirteprivileg abgeschafft wurde, sodass der Nachbau von geschützten Sorten der meisten Kulturen wie Obst, Beeren und Gemüse faktisch verboten wurde und Nachbaugebühren bei Kulturen wie Getreide und Kartoffeln eingeführt wurden. Im Jahr 1961 waren nur sechs Länder Mitglied bei UPOV und auch 30 Jahre später, also nach der letzten Überarbeitung 1991, nicht mehr als 20 Länder. Erst die Verknüpfung der Saatgutfrage mit Handelsabkommen hat dazu geführt, dass Industrieländer vor allem Länder im Globalen Süden gedrängt haben, UPOV beizutreten. Bis Heute sind 94 Ländern UPOV beigetreten. Die Welthandelsorganisation (WTO) hat in dem „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ (TRIPS) den Ländern offen gelassen, wie sie ihre Saatgutfragen im Land lösen wollen. Meistens wurde allerdings UPOV 91 ins Spiel gebracht und nicht der Internationale Saatgutvertrag der FAO, der zwar noch nicht alle Pflanzen umfasst, aber deutlich den Beitrag anerkennt, den Bäuerinnen und Bauern sowie ortsansässige und eingeborene Gemeinschaften aller Regionen der Welt zur Erhaltung und Entwicklung pflanzengenetischer Ressourcen geleistet haben und leisten. Solche Alternativen werden die neuen Handelsabkommen immer weniger ermöglichen, denn in denen ist explizit auf UPOV 91 verwiesen, etwa auch in den Handelsabkommen zwischen EU und Japan (JEFTA) oder Abkommen mit den Mercosurländern, darunter u. a. Uruguay, Paraguay oder Brasilien, die noch dem Vorgängersystem UPOV 78 angehören. Mit oder ohne Schiedsgerichte, diese Handelsabkommen geben den Saatgutkonzernen mehr rechtliche Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen. Noch ein Grund, weshalb das EU-Parlament JEFTA im Dezember eine Absage erteilen sollte. Die Bundesregierung kann und sollte CETA ablehnen, noch ist dieses Abkommen nur vorläufig angewendet und bedarf der Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten.
26.11.2018
Von: Svenja Holst, Berit Thomsen, AbL-Expertinnen Handel und Saatgut

Auch GEmüsesaatgut muss frei zugänglich bleiben (werden)