Selbsthilfe als Strategie – Direktvermarktung als EIN Lösungsweg

Überlegungen, Erfahrungen und Perspektiven aus (alt)bäuerlicher Sicht angesichts einer Agrarpolitik in der Krise von Dietmar Groß, einem AbL-Urgestein aus Nordhessen.

Widerstand und Selbsthilfe – dieses Motto begleitet die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) seit ihrer Gründung. In letzter Zeit rückte eine mögliche neue Agrarpolitik in den Vordergrund. Transformation der Landwirtschaft, Umbau der Tierhaltung oder Agrarwende spielten im Themenspektrum eine dominierende Rolle. Angesichts der Multikrisen, des fortgesetzten Wachsen oder Weichens und der Enttäuschung über die Politik kümmern sich viele Betriebe zunehmend um Diversifikation und um Selbsthilfe, wie sie ihren Hof weiterentwickeln können.
Dietmar Groß, ein Urgestein der AbL aus Nordhessen, hat ausgehend von seinem eigenen Biobetrieb Gedanken über Möglichkeiten und Aufgaben von Direktvermarktung in der Krise entwickelt, die sicher eine Nischenstrategie ist, aber – wie er schreibt - für nicht wenige Betriebe eine Chance beinhaltet.
Die Bauernstimme-Nachrichten stellen seine Überlegungen nachfolgend zur Diskussion und freuen sich sehr über Reaktionen, Kommentare, Kritiken und Anregungen, die wir – wenn gewünscht – auch hier veröffentlichen werden.

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Mehr als 40 Jahre beobachte und erleide ich inzwischen staatliche Agrarpolitik.

Mit der Erkenntnis, dass das Prinzip „Wachse oder Weiche“ im Leitbild einer agroindustriellen Landwirtschaft weder für unseren eigenen Bauernhof noch für die gesamte Landwirtschaft eine sinnvolle Zukunft hat, habe ich mich als Gründungsmitglied der AbL eingebracht in eine Bewegung, die als Agrarbündnis inzwischen in der öffentlichen und fachlichen Debatte viel erreicht hat.

Über dreißig Jahre nach Gründung des Agrarbündnisses, eines bunten Netzwerkes aus Umwelt-/Tierschutz- und wachstumskritischen Bauernverbänden (AbL) ist mit den Ergebnissen von zwei noch in der Ära Merkel eingesetzten Kommissionen (Borchert-Kommission und Zukunftskommission Landwirtschaft) ein beachtlicher agrarpolitischer Erfolg gelungen.

Die Erkenntnisse über Artenschwund in der Agrarlandschaft, Nitratauswaschungen, die wachsende Kritik an Massentierhaltungen und Großschlachtanlagen und die sinnlich massiv erlebbaren Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels haben den Zwang zu grundlegenden Korrekturen am Kurs der landwirtschaftlichen Entwicklung erhöht.

Doch wer gehofft hatte, dass der neue Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir „diesen Ball auf dem Elfmeterpunkt“ (Miriam Rapior, BUND, Mitglied der Zukunftskommission) verwandeln würde, ist enttäuscht.

Sicherlich sind der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen für die Staatskasse, die Wirtschaft und die Privathaushalte wesentliche Hinderungsgründe für die Zurückhaltung der Regierung, die „Transformation“ der Landwirtschaft ernsthaft anzupacken.

Viel entscheidender aber dürfte sein, dass die Dringlichkeit dieses Themas auch in der neuen Bundesregierung nicht den Stellenwert hat oder haben kann, den sich die Agraropposition und inzwischen auch weite Kreise der Fachwelt wünschen. Die aktuellen Trends in der Wähler:innengunst stehen dagegen.

Im Ergebnis können wir feststellen:

  • Das Höfesterben nimmt massiv zu, insbesondere in der Tierhaltung.
  • Spezialisierte Ackerbaubetriebe werden gleichzeitig immer größer und wirtschaften inzwischen weit über Gemarkungsgrenzen hinaus.
  • Qualitätsorientierte Marktsegmente (Biomarkt) schrumpfen.
  • Der Naturkostfachhandel leidet verstärkt unter der Marktmacht der großen Supermarktketten, die Biolebensmittel vermeintlich preiswerter anbieten.

Die Kernthese des Agrarbündnis, wie sie bereits in der Aachener Erklärung 1987 festgeschrieben wurde, dass die bäuerliche Landwirtschaft die Grundlage einer tier- und umweltgerechten, solidarischen Landbewirtschaftung sein kann und muss, hat zwar in den Sprechzetteln des Ministers Eingang gefunden, aber längst nicht in den Instrumenten seiner Regierungsarbeit.

Aus dieser Erfahrung und Einschätzung ziehe ich heute wie vor 35 Jahren den Schluss: Die Selbsthilfestrategie bleibt für die Praxis ein wichtiger Ansatz zur eigenständigen Gestaltung einer bäuerlichen Zukunft!

Es gilt weiterhin: Politische Erklärungen und parlamentarische Mehrheiten haben immer schnellere Verfallszeiten als eine Landwirtschaft, die über Generationen entwickelt werden muss.

Gerade wegen der Skepsis gegenüber staatlicher Handlungsbereitschaft möchte ich auf Grundlage der eigenen betrieblichen Erfahrungen und Zukunftseinschätzung junge Menschen zur selbstständigen, bäuerlichen Tätigkeit mit ausgeprägter Direktvermarktung ermutigen.

Denn die wichtigsten und verlässlichsten Bündnispartner:innen für einen eigenständigen Entwicklungsweg sind nicht der Staat oder Großabnehmer, sondern sind die Menschen, die gute, transparent hergestellte Lebensmittel aus der Nachbarschaft zu fairen Preisen kaufen wollen.

Dieser Weg ist im Aufbau langwieriger und durch die erforderliche Vielfalt im Regelfall in den Aufbaujahren auch anstrengender, aber dafür nachhaltiger.

Die Bedingungen für diesen Weg sind gegenwärtig durch die schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge des Ukraine-Kriegs etwas eingetrübt.
Aber auch diese Krise wird vorüber gehen.
Die Notwendigkeit, im Umgang mit der Natur zu wirklich nachhaltigen, möglichst CO² neutralen Konzepten zu kommen, bleibt uns aber erhalten. Darauf müssen wir mit unseren bäuerlichen Strategien und Angeboten verstärkt setzen und entsprechende Wirtschaftskonzepte umsetzen.

Wir können in unserem Unternehmen stellvertretend für viele gleichgeartete Betriebe aktuell im Herbst 22 feststellen: Nach vielen Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten (insbesondere in der Corona-Zeit) stagniert der Umsatz derzeit. Einige KundInnen bleiben weg und die Bonwerte sind im Schnitt etwas gesunken. Diese Verluste haben wir aber durch Mehreinnahmen im Dienstleistungsbereich (Cafe, Catering) ausgleichen können. Dies war möglich, weil unser Team personell erheblich verstärkt wurde.
Damit haben wir zwar die Gewinne aus dem Handel im Vergleich zu den Vorjahren erheblich gemindert, sind aber auch gut aufgestellt, um die betriebliche Einnahmenbasis in Zukunft breiter aufzustellen. Wir werden unsere landwirtschaftliche und gartenbauliche „Urproduktion“ verstärkt „veredeln“; im Cafe und Bistro ebenso wie im Catering und auf Märkten.

Mit Blick auf unsere Kundschaft stellen wir fest: „Bio-Intensivkäufer“, die ihren Lebensmitteleinkauf grundsätzlich oder überwiegend auf „Bio“ ausgerichtet haben, bleiben uns als Stammkunden weitestgehend erhalten. Diese Kundengruppe nimmt den Weg zum Hofladen gern auf sich, wenn die Erwartungen an die Vielfalt und Frische der Lebensmittel und die Transparenz der Erzeugung gut bedient wird und das Ambiente sowie die Servicekompetenz des Personals stimmen.

Gerade diese Kundengruppe bewertet auch die sozioökonomischen Effekte ihrer Einkaufsentscheidungen sehr hoch: Die gesellschaftliche Debatte um das moderne „Bauernlegen“, also das Höfesterben durch ruinöse Preise und unseriöse Handelspraktiken eines global agierenden Agrobusiness wirkt sich deutlich auf die Wahl des Einkaufsortes aus. Diese Kund:innengruppe will aktiv unterstützen, dass mit dem Einkauf auf dem BioHof Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten in bäuerlichen Strukturen und im ländlichen Raum erhalten und geschaffen werden.

Diese Einkaufsmotivation bleibt bestehen und wird in dem Maß wieder zunehmen, wie die Grenzen staatlichen Handels auch unter einer Ampelregierung sichtbarer werden.

Wir können diese Einkaufsmotivation für unseren wirtschaftlichen Erfolg aktiv nutzbar machen durch zwei zentrale Merkmale:

  • Eine breite Sortimentsgestaltung, die „one-stop-shopping“ ermöglicht.

Wir beobachten bei unseren Stammkund:innen den Wunsch, möglichst viele Güter des täglichen Bedarfs bei einem Einkauf zu erledigen. Das erklärt sich zeitökonomisch, wird aber verstärkt durch die Spritpreise und die Zielsetzung, Fahrten mit dem Auto einsparen zu wollen.
Wir halten deshalb inzwischen auf 140 qm Verkaufsfläche ein Naturkostvollsortiment vor und bieten darin ein breites Sortiment frischer Eigenerzeugnisse (Gärtnerei und selbsthergestellte Verarbeitungsprodukte) an.

  • Eine faire Preisgestaltung, die die Einkaufsbereitschaft der Stammkundschaft im Vergleich zum Wettbewerb in den Supermärkten fördert.

Für Stammkund:innen bieten wir ein Preismodell an, das den Umfang des Einkaufs honoriert. Mit einem monatlichen Betrag von 19 € (pro erwachsene Haushaltsperson) erwerben Stammkund:innen das Recht auf einen vergünstigten Einkauf. Der Rabatt variiert in den einzelnen Produktgruppen und liegt im Schnitt bei 20%. Damit haben wir inzwischen ca. 250 Stammkund:innen erreicht, die einen großen Teil des Umsatzes ausmachen.
Unser Hofladen mit einem Naturkostvollsortiment mit mehr als 1000 Artikeln wird inzwischen von ca. 400 KundInnen pro Woche besucht. Der durchschnittliche Bonwert beträgt ca. 40€.)

Sicherlich gibt es weitere Profilierungsmerkmale, die passend zu den menschlichen Voraussetzungen, dem Betriebstyp und dem Standort zur Gewinnung von Stammkundinnen genutzt werden können (Ambiente, Erlebnisangebote, etc.)

Fazit aus dieser Markterfahrung und -Beobachtung: Die weitere Entwicklung von profilierten Bio-Hofläden hat hervorragende Zukunftsperspektiven und sollte deshalb mit Priorität in der Biomarktentwicklung und in regionalen Entwicklungsstrategien berücksichtigt werden.

Im Folgenden möchte ich Anregungen geben für eine klare Schwerpunktsetzung zur Förderung der Direktvermarktung und Hofläden. Die Berechnungen leite ich aus meinen subjektiven Erkenntnissen und Erfahrungen mit unserem Hofladenprojekt ab. Die Berechnungen beziehen sich auf Landkreis Schwalm-Eder, eine ländliche Region in Nordhessen. Kritische Überprüfungen und Übertragungen aus übergeordneter Sicht überlasse ich gern den dafür Berufenen.

Ziel: 5% des Bio Lebensmittelumsatzes über Hofläden

Dieses Ziel klingt bescheiden gemessen an den hochgesteckten Zielen der neuen Bundesregierung. Dafür entstammt es nicht dem plakativ motivierten parteipolitischen Wunschdenken, sondern jahrzehntelanger Erfahrung.

Sicherlich ist auch die betriebliche Realität auf den noch verbliebenen Bauernhöfen (hochgradige Spezialisierung, sehr oft arbeitswirtschaftliche Überlastung) weit entfernt von dem, was ich als Modell entwickeln will.

Andererseits hat das Bewusstsein für die Krisenanfälligkeit hochspezialisierter Betriebe auch in den Bauernfamilien erheblich zugenommen und damit gerad in der jungen Generation die Bereitschaft, über nachhaltige Zukunftskonzepte nachzudenken.

Umsatzpotentialabschätzung Bio-Direktvermarktung in Hofläden für unseren Landkreis

In unserem ländlich geprägten Landkreis Schwalm-Eder-leben ca. 180.000 Einwohner. Ich unterstelle für die Modellrechnung, dass inzwischen 10% der Bevölkerung für Angebote von profilierten Bio-Hofläden erreichbar sind. Zum Profil eines attraktiven Hofladens gehört neben dem eigenen Frische- und/oder Spezialitätensortiment ein Naturkost-Vollsortiment mit ca. 1000 Artikeln in einem Verkaufsraum in einer Größe von ca. 100 – 120qm Verkaufsfläche.

Weiterhin gehe ich davon aus, dass diese Kund:innen etwa 50% der statistischen Durchschnittsausgaben für Lebensmittel (ca. 200 €/Monat) in Hofläden ausgeben.

Aus diesen Annahmen resultiert folgende Modellrechnung:
Umsatz pro Monat 100 € x 18.000 E     = 1,80 Mio €/ Monat x 12
= 21,6 Mio € pro Jahr

Ein professionell geführter Hofladen braucht nach unseren Erfahrungen ca. 600 000 € Jahresumsatz. Damit kann unter den o.g. Annahmen unterstellt werden, dass allein in unserem Landkreis ein Marktpotential für mehr als 30 Hofläden vorhanden ist.

Bei einer Personalkostenquote von 15% vom Umsatz (das ist die übliche Größe im Naturkosteinzelhandel) können damit 1,5 bis 2 Vollzeitstellen mit Einnahmen aus der Einzelhandelsfunktion finanziert werden.

Um das Profil als Frische- und Spezialitäten-Anbieter zu schärfen, sollte der Umsatzanteil von Eigenerzeugnissen mindestens 20% vom Gesamtumsatz erreichen. Damit können dem Einzelhandelsbetrieb (der bei dieser Umsatzgröße steuerrechtlich eigenständig geführt sein muss) ca. 70.000 € für Gemüse, Obst, Kartoffeln und andere „veredelte“ Lebensmittel in Rechnung gestellt werden. Daraus ergibt sich eine Einkommensbasis für 2 Stellen im „Basisbetrieb“.

Hochgerechnet auf die Kreisebene bietet eine offensive Entwicklung der Direktvermarktung somit ein Arbeitsplatzpotential für 100 bis 120 Arbeitsplätze direkt auf den Höfen.

Bei einer ausreichenden Dichte von Hofläden können Unternehmen im Lebensmittelhandwerk reaktiviert werden (Metzgerei, Molkerei, Bäckerei usw.). Mit regionalen Netzwerken und Kooperationen kann das regionale Lebensmittelangebot in den Hofläden auf 30 - 50% gesteigert werden. Damit sind ca.50 weitere Arbeitsplätze im regionalen Lebensmittelhandwerk zu schaffen.

Weitere Synergien:

  • Gastronomie
  • Tourismus
  • Kulturarbeit, regionales (Kunst)-Handwerk
  • Soziale Projekte (Jugendarbeit)
  • Bildungsarbeit (Ernährungsbildung mit Kitas, Schulen)
  • Solidarische Ökonomie (möglich) als Alternative zu kapitalistischen Lebensmittelmarktstrukturen und deren Entwicklung stiftet Identität zwischen Erzeugern, Lebensmittelhandwerkern und VerbraucherInnen.

Je stärker die Direktvermarktung in den Regionen ist, umso größer wird der Druck auf die anderen Vermarktungskanäle, regionale Herkünfte anzubieten. Damit wächst auch die Möglichkeit, faire Preise auf Augenhöhe verhandeln zu können.

Ökologische Potentiale:

  • Standorttypische, alte Kultur-Arten und -Sorten können als Differenzierungsmerkmal der Wirtschaftsweise von Direktvermarktern genutzt werden.
  • Betrieblich verankerte Naturschutzmaßnahmen können ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für jeden einzelnen landwirtschaftlich/gartenbaulichen Betrieb sein und dienen wesentlich zur Unterscheidung im Wettbewerb mit anderen Vermarktungskanälen. In Verbindung mit geeigneten Kommunikationsmethoden (Internet) und fachlichen Besuchsangeboten wird damit der Erlebniswert beim Einkauf gesteigert.
  • Kund:innen können so mit Ihrem Einkauf aktiv und unmittelbar nachvollziehbare Beiträge zum Naturschutz leisten.
  • Ein regionales Netzwerk von Bauernhöfen mit unterschiedlichen Natur- (Artenschutz)-Funktionen kann einen wichtigen Baustein einer regional verankerten Naturschutzstrategie sein.
  • Dieses Konzept ist im geringeren Maß abhängig von externen (staatlichen) Naturschutz-Finanzierungen.

Konsequenzen

Die skizzierte Entwicklungsstrategie für bäuerliche Betriebe zur Direktvermarktung wird nur funktionieren, wenn die interessierten Bäuerinnen und Bauern ein anderes Unternehmensverständnis entwickeln und eine andere Ausrichtung des sozialen Organismus „Bauernhof“ anstreben.

Anderes Unternehmensverständnis

An die Stelle der vorherrschenden Kostenoptimierungsstrategie durch Spezialisierung und Produktionsausweitung, in der Erwartung als Mengenanpasser in Märkten mit tendenziell sinkenden Preisen überleben zu können, muss zunächst in den Köpfen Platz geschaffen werden für eine endkundenorientierte Dienstleistungsstrategie.

Wer nicht motiviert ist, anstelle von Masse Vielfalt zu erzeugen oder keine persönliche Bereitschaft und Kompetenz für Gespräche mit Kund:innen hat, ist sicher nicht für diese Betriebsausrichtung geeignet.

Hofgemeinschaft als soziale Struktur

Die Modellrechnung für einen zukunftsfähigen Biobetrieb mit Hofladen zeigt: Ein vielfältiger Bio-Bauernhof mit Hofladen benötigt wesentlich mehr mitarbeitende Menschen als Betriebe mit vergleichbarer Flächenausstattung und Vermarktung von Massegütern.

Unser Betrieb mit einer Flächenausstattung von derzeit 50 ha beschäftigt inzwischen 14 Menschen (zuzüglich Altenteiler und Praktikanten)

  • 8 Menschen sind zur Bewirtschaftung des Ladens und des Bistros erforderlich.
  • 5 Menschen kümmern sich um die Schweine, bauen Kartoffeln, Getreide und ein breites Gemüsespektrum an (einschließlich Gewächshäusern).
  • 1 Handwerker und die Altenteiler helfen als Allrounder in allen Bereichen aus oder kümmern sich um Reparaturen und Baumaßnahmen.

Tragende soziale Grundlage kann in dieser Struktur nicht mehr allein die Bauernfamilie sein. Es braucht eine Hofgemeinschaft, die sich gemeinsame Ziele steckt, erfolgsorientiert die Arbeit erledigt und auch die Erfolge (Gewinne) transparent und gerecht teilt.
Die zu erledigende Arbeit und die zu verteilenden Gewinne müssen ein gutes Leben ermöglichen. Die Entlohnung der Arbeit muss nicht nur fair sein und sondern selbstverständlich Sozialversicherung und Absicherung für das Alter ermöglichen.
Das erfordert ein Miteinander, geprägt von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung und muss durch regelmäßige Kommunikation gepflegt werden.

Zu dem guten Leben gehört ein möglichst stressfreies, abwechslungsreiches Arbeiten in und mit der Natur, der gemeinsame Mittagstisch, ausreichende Freizeit und die Wertschätzung der Kund:innen für die Arbeit der Gemeinschaft. Diese nicht-monetären Elemente bäuerlicher Arbeit im ganzheitlichen System eines direktvermarktenden Biobetriebes üben nach unserer Erfahrung eine große Anziehungskraft auf junge Menschen aus, die auf der Suche nach sinnstiftenden Lebens- und Arbeitsbedingungen in Gemeinschaft sind. Auch deshalb bin ich davon überzeugt, dass mit diesem Konzept viele Bauernhöfe eine gute Zukunft finden und darüber hinaus viele Dörfer wichtige soziale Impulse erhalten können.
Je weiter die Rationalisierung und Spezialisierung in den Betrieben fortgeschritten ist, umso schwieriger wird die Neuausrichtung sein. Viel entscheidender ist aber der Wille der Betriebsinhaber:innen.

Basis für wirtschaftlichen Erfolg ist die faire Preiskalkulation über die gesamte Wertschöpfungskette. Die Rückverlagerung des Einzelhandels auf den Hof ist dafür eine wesentliche Grundlage. Bei ausreichenden Umsätzen (s.o.) bietet das derzeitige Naturkostpreisgefüge dafür beste Voraussetzungen. Mitgliederpreiskonzepte oder SOLAWI-Preisfindungsmodelle können darüber hinaus zur Entwicklung und Absicherung von Direktvermarktungs-Hofprojekten beitragen und eine entsprechend motivierte Stammkundschaft anziehen.

Unser Unternehmen wird derzeit wesentlich von 250 Stammkunden getragen, die 19 € monatlich als Vorschuss für die soziale Absicherung unseres Hofkonzeptes zahlen und als Gegenleistung festgelegte Abschläge auf die Einkaufspreise erhalten. Im Ergebnis kaufen diese Stammkunden bei uns günstiger ein als beim Wettbewerb in den Supermärkten und wir haben einen Teil unserer Personalkosten im Hofladen bereits am Monatsanfang gedeckt.

Naturkost-Netzwerke sind vorhanden

Zusammen mit den Naturkostverarbeitungs- und -Naturkosthandelsunternehmen, die auf der gleichen Wertegrundlage in den vergangenen 35 Jahren entstanden sind und in dieser Zeit Kompetenzen und Kapazitäten für gute Biolebensmittel aufgebaut haben, bietet sich mit diesem Ansatz eine gute Chance, wenigstens einen Teil der angekündigten Transformation nachhaltig auf den Weg zu bringen.

Die Politik wäre gut beraten, wenn sie diesen Weg mit Beratungs-, Investitions- und Existenzgründungsprogrammen offensiv unterstützen würde.
In den Worten von Myriam Rapior von der BUND-Jugend: Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt.
Junge Leute mit der Sehnsucht nach einem eigenständigen, bäuerlichen Leben und Arbeiten in und mit der Natur sollten sie nutzen.

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Reaktionen, Kommentare, Kritiken und Anregungen bitte per Mail an: redaktion[at]bauernstimme.de

Und ein Hinweis: Der Hessische Rundfunk hat einen 45-minütigen Film über den Biohof Groß gesendet, der auf der Homepage des Biohofs Groß angeschaut werden kann.

05.10.2022

Dietmar Groß in einem 45-minütigem Film des Hessischen Rundfunks über den Biohof Groß.