Schwarz-grüne Regierungskoalition in NRW startet mit kritisiertem Ressortzuschnitt

In Nordrhein-Westfalen (NRW) hat eine schwarz-grüne Regierung ihre Arbeit aufgenommen. Die Grundlage bildet ein Koalitionsvertrag, der mit Blick auf die Herausforderungen für Landwirtschaft, Umwelt und Klima insbesondere einen Kritikpunkt hervorgerufen hat: die Aufteilung der bis dato noch in einem Ministerium (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz) zusammengefassten Bereiche Umwelt und Landwirtschaft in zukünftig zwei Ministerien – ein grün geführtes Umwelt- und ein CDU-geführtes Landwirtschaftsministerium. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft NRW reagiert mit Unverständnis auf die Teilung des Ministeriums und auch der bisherige Sprecher für Landwirtschaft, Natur-, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz der Grünen im NRW-Landtag, Norwich Rüße, nennt die Teilung „einen Riesenfehler“.

Die Zustimmung zum Koalitionsvertrag haben sich die grünen Verhandlungsführer:innen auf einer Landesdelegiertenkonferenz (LDK) in Bielefeld geholt. Sie fiel mit 85% der Delegierten deutlicher aus, als es die zuvor auf der Versammlung zahlreich geäußerte Kritik am Vertrag erwarten ließ. Auch Norwich Rüße empfahl die Zustimmung und nannte zur Begründung unter anderem eine vereinbarte Ernährungsstrategie und ein Sofortprogramm bäuerliche Landwirtschaft, „wo wir erstmals sagen, wir werden kleine Betriebe besonders fördern, Betriebe, die sonst nie irgendwo gefördert werden“, so Rüße. Ferner verwies er auf ein Modernisierungsprogramm für Schlachthöfe mit mehr Tierschutz, auf die Stärkung des Naturschutzes mit einem Landesprogramm biologische Vielfalt, auf die Einrichtung eines zweiten Nationalparks in NRW und darauf, den Flächenverbrauch anzugehen. „Wir werden den 5 ha-Grundsatz wieder verankern, das Planzeichen Landwirtschaft einführen, dass wir endlich landwirtschaftliche Fläche auch wahrnehmen als etwas wertvolles und nicht nur als Freiraum, wo wir reingehen“, sagte Rüße, übte dann aber auch deutliche Kritik am neuen Ressortzuschnitt. „Was mich schon betrübt, mehr als betrübt, auch durchaus etwas verärgert, ist die Auflösung des bisherigen Umweltministeriums, die Teilung in Landwirtschaft und Umwelt. Das ist ein Prozess gewesen, wo ich sage, dass wir als Grüne hier den Traum der CDU erfüllen, halte ich für grundfalsch. Das ist nicht gut, dass wir das tun, hier Hilfestellung leisten. Ich halte das persönlich für einen Riesenfehler. Das Echo, das ich bekomme, auch aus den klassischen Bauernverbänden, aus den Naturschutzverbänden ist extrem negativ. Ich glaube, dass wir das besser gelassen hätten.“

AbL: Teilung ist Rückschritt in der Agrarpolitik in NRW

Mit Unverständnis nimmt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft NRW zur Kenntnis, dass gerade die Grünen sich nicht für eine Zusammenhalt von Landwirtschaft und Umwelt-/Naturschutz entschieden haben. „Offensichtlich spielt der Einsatz für den ländlichen Raum bei ihnen doch keine besonders wichtige Rolle“, resümiert der Landesvorsitzende Bernd Schmitz enttäuscht. 

 „Die Teilung des bisherigen Ministeriums in eines für Natur- und Umweltschutz sowie Verkehr und ein Ministerium für Landwirtschaft, Forst und ländlicher Raum halten wir für einen Rückschritt der Agrarpolitik in NRW. Die guten Erfahrungen der letzten 30 Jahre werden damit zurückgedreht. Dabei haben wir doch gerade in Berlin in der letzten Legislatur erlebt, wie sich Blockaden auswirken und wie sie einen unverantwortlichen Stillstand erreicht haben, den die Bäuerinnen und Bauern heute bitter bezahlen,“ kritisiert der Milchbauer aus dem Rheinland. Die Saat des Koalitionsvertrages liege zwischen den Ministerien und drohe zu verkümmern.

Für Johann Lütke-Schwienhorst, landwirtschaftlicher Existenzgründer im Münsterland und AbL-Vorstandsmitglied ist klar, dass Landwirtschaft und Umwelt zusammengehören: “Naturschutz gehört nicht nur ins Schutzgebiet sondern selbstverständlich auch auf den Acker! Diesem Ziel ist die Zerlegung des bisherigen MULNV alles andere als dienlich! Sie schafft auch keine Perspektive für JunglandwirtInnen und Existenzgründungen.“

„Dieses Faustpfand, das alle Seiten als gute Grundlage für einen zukünftigen Ausgleich unterschiedlicher Interessen gesehen haben, leichtfertig aufs Spiel zu setzen, ist unerklärlich und unverantwortlich. Das wird alle Bereiche schwächen,“ ergänzt Schmitz und fürchtet, dass Dauerkonflikte schwerer lösbar sein werden und die Bürokratie nicht abgebaut, sondern verstärkt wird. „Besonders beim notwendigen Rückgang des Flächenverbrauchs auf das 5 ha- Ziel kommt es auf den Durchsetzungswillen an.“

„Zeitnah, wie es im Vertrag heißt, reicht uns nicht aus“, ergänzt die zweite Vorsitzende Anne Pott aus dem Kreis Heinsberg. Weiter fordert sie: „Im Regionalplan Köln werden aktuell für das Rheinische Revier hunderte Hektar bestes Ackerland verplant, um für immer unter Asphalt und Beton zu verschwinden. Es gilt dies mit einem rasch zu reformierenden LEP (Landesentwicklungsplan) zu begrenzen. Die besten Böden der Region müssen endlich geschützt werden, um eine regionale Versorgung sicher zu stellen!“

Das Ergebnis des Koalitionsvertrages bewertet die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft daher mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Viele Vorstellungen, die im Bereich Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft erarbeitet wurden, ermöglichen tatsächlich Chancen für eine Landwirtschaft im Einklang mit Natur und Umwelt.
Ein Sofortprogramm bäuerliche Landwirtschaft, eine stärkere Ausrichtung der Fördergelder der EU auch an kleinere bäuerliche Betriebe, eine Reduktionsstrategie zur Senkung des Nitrateintrages und zur Begrenzung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, eine verstärkte Förderung der Weidehaltung oder ein Landeswaldgesetz mit höheren ökologischen Ansprüchen und einiges mehr sind durchaus Ziele, für die sich ein Einsatz auch der bäuerlichen Betriebe lohnt.
Auch die besondere Herausstellung des Umbaus der Tierhaltung unterstützt die AbL ausdrücklich. So trägt die künftige Landesregierung die Empfehlungen zur Nutztierstrategie, wie sie in der Borchert- Kommission vorgelegt wurden. Hier wäre eine deutliche Absicht einer zeitnahen Finanzierungsstrategie für die Schweinehalter in ihrer aktuellen Notsituation angemessen gewesen.
Sicherlich ist vieles im Bereich des Wünschenswerten noch längst nicht mit einer Umsetzung in den agrarpolitischen Alltag gleichzusetzen. „Den Willen sehen wir, aber entscheidend ist nun, was daraus gemacht wird,“ analysiert der Vorsitzende Bernd Schmitz.

 

29.06.2022

Mona Neubaur, zukünftige Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie und Hendrik Wüst, alter und neuer Ministerpräsident unterzeichnen den Koalitionsvertrag. Bildquelle: Grüne NRW/Twitter