Nicht in Biomilch ertrinken

Zukünftig wird mehr Biomilch gemolken – und wie vermarktet?

Wie eine Insel der Glückseligen erschien bislang der Biomilchmarkt im tosenden Strudel des nachquotigen konventionellen Milchmeeres. Nun gibt es die ersten Stimmen, die zwar nicht vor dem Untergang, aber zumindest vor hochschlagenden Wellen auf dem Eiland warnen. In einem Bericht zweier Berater im Naturland-Magazin beschreiben diese ein Szenario, das bestenfalls bei fast einer Verdoppelung des Absatzes von Biomilch in Deutschland in zwei Jahren zu einer ausgeglichenen Versorgungslage führen könnte. Allerdings könnten bis dahin aber auch die bislang 150 Mio. Liter im Jahr nach Deutschland exportierenden Nachbarn Österreich und Dänemark ihre potentiellen Exportmengen verdoppeln. Viele konventionelle Bauern und Bäuerinnen hier wie da haben ihren individuellen Ausweg aus der existenzbedrohenden Milchpreiskrise in der Umstellung auf ökologischen Landbau gesucht. Und das, obwohl fast alle Biomolkereien schon seit Monaten keine Betriebe mehr aufnehmen. Sie stellten einfach trotzdem um und hofften in zwei Jahren auf einen Händler, den Spotmarkt, irgendwen, der ihre Milch schon kaufe, so Frank Wetternich von der Gläsernen Molkerei, einer reinen Biomolkerei in Mecklenburg-Vorpommern. Auch Matthias Stührwoldt, Biomilchbauer in Schleswig-Holstein und Lieferant der relativ jungen Hamfelder Hofmolkerei, sieht die Anspannung unter den Kollegen. Häufig seien es die größeren Betriebe, die keinem Bioverband beiträten, den konventionellen Ackerbau und die Biogasanlagen von der Milchviehhaltung abspalteten, diese dann umstellten und auf den besseren Preis spekulierten. Ihm sei jetzt schon geraten worden, Verträge für Ökokraftfutter zu machen, weil das entsprechend knapp und teuer würde. Wellenreiten Auch Molkereimann Wetternich fürchtet die Welle, die 2017, wenn die jetzigen Umsteller biozertifiziert liefern können, auf den Markt schwappt. Dabei gab es jetzt schon eine Delle. „Wir mussten im Frühjahr schon mit dem Auszahlungspreis runter gehen, sind aber optimistisch für den Herbst.“ Der Abstand zwischen konventionellen und Biopreisen sei einfach zu groß gewesen, doppelt so hoch, das funktioniere nicht, so Wetternich. Auf der Milchgeldabrechnung standen dann im Juni 41 Cent für den Liter statt 43 Cent wie im Mai. Aldi senkte schon im März den Ladenpreis um 8 Cent. Zwar steigt der Absatz von Biomilch in Deutschland nach wie vor, aber es sei schließlich auch nach wie vor ein kleiner Markt, der nun komplexer und unübersichtlicher werde, so Wetternich. Was, wenn die konventionelle Molkerei Ammerland tatsächlich wie angekündigt mit 30 Mio. Liter auf den Markt komme? Und was machen Dänemark und Österreich, in denen durchaus mit Blick auf den Exportmarkt nicht zu knapp umgestellt wird? Arla hat schon angekündigt, seinen Bioabsatz verdoppeln zu vollen. Perspektive wird auch der anonyme Teil des deutschen Marktes sein. Profilierung könnte Halt im Meer bieten: „Wir haben das Ziel, unsere Kunden zu binden, Kühe zu zeigen, die draußen sind“, sagt Matthias Stührwoldt, „für eine Wertschätzung der Bäuerinnen und Bauern vor Ort.“
29.08.2016
Von: cs