Mut für Perspektiven
Eine spannende Bundestagswahl liegt hinter uns, auch wenn der Wahlkampf wenige Themen behandelt und Landwirtschaftspolitik fast keine Rolle gespielt hat. Und das, obwohl sie seit Jahren einen hohen Stellenwert in der politischen Auseinandersetzung hat. So sind in der letzten Legislaturperiode zwar zwei wichtige Kommissionen eingesetzt worden, nämlich die Borchert Kommission zum Umbau der Tierhaltung und die viel beachtete Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), aber es sind, wie in anderen wichtigen Bereichen auch, hier keine Pflöcke eingeschlagen worden und es ist unklar wie eine neue Bundesregierung mit den Ergebnissen umgeht. Dabei haben beide Kommissionen richtige Ansätze zur Veränderung in der Tierhaltung und der gesamten Landwirtschaft aufgezeigt und das in einem sehr großen politischen Konsens. Es liegt nun an der kommenden Bundesregierung, Politik für alle Betriebe zu machen, denn jeder Hof zählt. Das bedeutet nicht, dass alles beim Alten bleibt. Im Gegenteil, wir brauchen einen Politikwechsel, passende Rahmenbedingungen und einen Umbau der Landwirtschaft.
Bäuerinnen und Bauern brauchen dringend Perspektiven wie es in Zukunft weiter gehen soll. Die Exportstrategie der letzten Jahrzehnte ist gegen die Wand gefahren, den Schaden tragen die Betriebe. Nach dem Milchsektor ist jetzt auch die Schweinehaltung von Mengenüberschüssen und ruinösen Preisen betroffen. Qualitätsmärkte innerhalb Europas würden Zukunftsperspektiven aufzeigen. Politisch Verantwortliche müssen endlich die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Auch der Klimakrise, dem Ausverkauf unserer Böden, dem Höfesterben muss die zukünftige Regierung etwas entgegensetzten. Zu lange hat die Politik in Berlin nur zugeschaut und Sonntagsreden gehalten und nicht gehandelt. Und die Landwirtschaftspolitik war hier besonders betroffen. Ob Aigner, Schmidt oder Klöckner - alle hatten nicht den Mut, die Weichen neu zu stellen. Um so größer wird die Aufgabe für die neue Führung im Landwirtschaftsministerium werden. Klar ist, ein weiter so, schafft für die meisten Betriebe keine Perspektive. Nur die Probleme allein mit dem Ordnungsrecht zu lösen, wie beim Düngerecht, dem Kastenstand und dem Insektenschutz ist keine Option, viele Betriebe würden das Handtuch werfen, weil es wirtschaftlich nicht darstellbar ist.
Den Bäuerinnen und Bauern ist kein Vorwurf zu machen, dass sie ihre Betriebe so ausgerichtet haben wie sie heute sind. Politik, Wissenschaft und Beratung haben in die Richtung der Kostenführerschaft und Welternährung gefördert, empfohlen und beraten. Mittlerweile liegen aber die ersten Konzepte zum Umbau vor, nur braucht es den Mut diese auch umzusetzen. Leider wurden bestehende Systeme und neue Förderungen wie die GAP und die Bauernmilliarde nicht dafür genutzt den ökologischen und sozialen Kriterien einer Neuausrichtung gerecht zu werden.
Und ein weitesgehend befriedeter Konflikt scheint von Teilen der Politik wieder aufgebrochen zu werden. Die Gentechnik wird von den allermeisten Verbrauchern aber auch von Bauern und Bäuerinnen sehr kritisch gesehen. Die neue Bundesregierung muss hier für eine klare Kennzeichnung der neuen Gentechniken sorgen, damit die Landwirtschaft nicht einmal mehr zum Buhmann wird.
Als AbL bringen wir 12 Kernforderungen in die nun begonnene Debatte um die zukünftige Ausrichtung des gemeinsamen politischen Projektes einer künftigen Bundesregierung ein. Diese reichen von fairen Erzeugerpreisen, über die Förderung gesellschaftlicher, ökologischer und sozialen Leistungen, den Schutz vor Großinvestoren auf dem Bodenmarkt und dem Zugang von jungen Bäuerinnen und Bauern zu Land, den Verzicht auf Freihandelsabkommen, bis zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien unter Beteiligung der Menschen vor Ort.
Wer meint, die Transformation zu einer am Gemeinwohl orientierten Landwirtschaft, in der die Arbeit auf den Höfen und im Ernährungssystem fair bezahlt wird, sei zu teuer, irrt: Im Abschlussbericht der ZKL wird deutlich: Diese Transformation wäre gesamtgesellschaftlich wesentlich günstiger als nichts zu tun, Bäuer*innen würden faire Preise bekommen, die Menschen gutes Essen und obendrein würden wir existenzielle Beiträge zu Umwelt- und Tierschutz leisten. Worauf warten wir?