Landwirtschaft – nachhaltig?!

Land schafft Verbindung Schleswig-Holstein und Hamburg hat eine Nachhaltigkeitsbewertung landwirtschaftlicher Betriebe in Schleswig-Holstein bei dem unabhängigen Deutschen Institut für Nachhaltige Agrarkultur (DINAK) in Auftrag gegeben und gibt nach eigenen Worten mit dem Ergebnis den Betrieben die Möglichkeit für eine transparente Bewertung in den Bereichen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Tierwohl, um so beispielsweise auch zu Verbesserungen der betrieblichen Situation beizutragen.

Die EU-Nachhaltigkeitsstrategie (Agenda 2030) mit ihrer ambitionierten Zielsetzung zum Erreichen der Energiewende und des Klimaschutzes zerrt nach Ansicht von Land schafft Verbindung Schleswig-Holstein und Hamburg (LSV SH+HH) zunehmend „an den Nerven unserer Landwirte“. Viele sähen, dass insbesondere in der Landwirtschaft einschneidende Maßnahmen geplant oder bereits in der Umsetzung sind. Nach dem Motto: „Das ist nicht gut, das muss weg!“ würden politische Vorgaben gemacht, wie zum Beispiel die Abschaffung der Nutztiere, des Pflanzenschutzes oder der Düngung. Das Problem ist nach Ansicht des LSV SH+HH – neben den fehlenden Folgenabschätzungen – die Verallgemeinerung! Wo bleiben die landwirtschaftlichen Betriebe, die bereits investiert haben in Tierwohl, Humusaufbau und Biodiversitätsmaßnahmen oder längst Dünge- und Pflanzenschutzmittel reduzieren, fragt der LSV.

Im Moment gibt es laut LSV kein politisch anerkanntes System, das Nachhaltigkeit auf einzelbetrieblicher Ebene abbildet und innovativen, engagierten und damit nachhaltig wirtschaftenden Betrieben einen Vorteil verschafft. Aus diesem Grund hat LSV SH + HH e.V. eine Nachhaltigkeitsbewertung landwirtschaftlicher Betriebe in Schleswig-Holstein bei dem unabhängigen Deutschen Institut für Nachhaltige Agrarkultur (DINAK) in Auftrag gegeben, die an drei unterschiedlichen Referenzbetrieben durchgeführt wurde. Um die Studie repräsentativ werden zu lassen, würden natürlich noch viel mehr teilnehmende Betriebe benötigt.

Referenzbetriebsleiter Stefan Wendtland erklärt: „DINAK bewertet die landwirtschaftliche Nachhaltigkeit in allen vier Bereichen, also Ökologie, Ökonomie, Soziales und Tierwohl mit objektiv messbaren, aussagekräftigen und wissenschaftlich fundierten Indikatoren. Dabei wird immer das Gesamtsystem betrachtet. Die Zielwerte und Zielbereiche orientieren sich an fachlichen Expertisen, die eine Umweltgefährdung ausschließen bzw. diese auf ein Mindestmaß reduzieren und dabei ökonomisch wie auch sozial tragbar sind. Sie liegen oberhalb gesetzlicher Anforderungen und sind somit deutlich strenger bemessen. In die Bewertung fließt dabei der tatsächliche Produktionsablauf detailliert ein. Dafür werden beispielsweise im Pflanzenbau alle durchgeführten Maßnahmen betrachtet: Wann ist wo, womit, welche Maßnahme durchgeführt worden?` Und so kann dann der Status quo erfasst und bewertet werden. Alle Methoden sind transparent.“

LSV: Die Nachhaltigkeitsanalyse ist objektiv, wissenschaftlich fundiert, validiert, ganzheitlich und betriebsindividuell!

LSV-Vorsitzende Uta von Schmidt-Kühl erklärt: „Wir fordern, dass ein solches System zügig flächendeckend eingeführt und auch durch Förderprogramme begleitet wird! Nur so kann es gelingen, einen sachlichen Diskurs zu führen zu der Frage: ´Ist die deutsche Landwirtschaft nachhaltig, bzw. wie nachhaltig ist sie?` Zu viele Betriebsleiter fühlen sich zunehmend zu Unrecht an den Pranger gestellt und es ist demotivierend und frustrierend, wenn Bemühungen das Richtige zu tun überhaupt nicht honoriert werden.“

Und Vorstandskollege Jann Harro Petersen ergänzt: „´One size fits all` passt in der Landwirtschaft niemandem! Um Verbesserungen in der Nachhaltigkeit zu erzielen, benötigen wir beispielsweise auch den Einsatz von GAP-Mitteln, also EU-Fördermittel, die jeder Betrieb dann in dem Bereich einsetzen kann, in dem damit die größte Wirkung erzielt wird. So werden EU-Fördermittel gezielt und mit dem größtmöglichen Nutzen im Sinne der Nachhaltigkeit eingesetzt.“

Und LSV-Vorsitzender Tilo von Donner erklärt: „Wir wollen weg von der einzelthematischen Betrachtung (Tierwohl, Grundwasserschutz, Biodiversität etc.). Die Landwirte sollen dann immer „alle Enden zusammenbekommen“ und alles umsetzen. Wir brauchen daher eine gesamtheitliche Betrachtung unserer Betriebe und das von unabhängiger Stelle, ohne Einflussnahme der Verarbeitungsindustrie und des Lebensmitteleinzelhandels, die uns immer wieder neue selbst ausgedachte Anforderungen auferlegen und diese willkürlich honorieren oder auch nicht.“

Landwirte, die dieses Tool für sich nutzen, lassen ihren Betrieb komplett durchleuchten, so der LSV. Es werden Stärken und Schwächen herausgearbeitet, die für zukünftige Entscheidungen wichtige Hinweisgeber sind. Als Beispiel nennt der LSV die Düngeverordnung: Gäbe es im Zuge politischer Anforderungen ein Verursacherprinzip, so könnte ein Betrieb in diesem Fall anhand der Nährstoffbilanz nachweisen, dass er nicht Verursacher erhöhter Stickstoffwerte sein kann und damit aus geforderten Maßnahmen (Stickstoffdüngerreduktion) zu entlassen ist. Auch vor dem Hintergrund der Klimadiskussion (Treibhausgasbilanz), im Bereich Tierwohl oder Biodiversität könne ein Betrieb anhand dieser Bewertung nachweisen, wie gut er wirtschaftet. Aber auch zu verbessernde Bereiche des Betriebes würden hiermit offengelegt. Wichtig sei das deshalb, weil es in der öffentlichen Diskussion nur noch heißt: „Das ist schlecht, das muss weg!“ Und nicht: „Das ist nicht gut und sollte verbessert werden!“. Auch gegenüber Banken und Versicherungen könnte es mithilfe der Zertifizierung zu verbesserten Konditionen kommen. All dies müsse aber auf Freiwilligkeit beruhen und soll in einer Welt voller Verbote und Ordnungsrecht als Anreiz dienen!

Der LSV SH+HH stellt deshalb die folgenden Forderungen an die Politik:
– Einführung einer akzeptierten gesamtheitlichen & einzelbetrieblichen Nachhaltigkeitsbewertung,
– Begleitung durch Förderprogramme
– und die Anwendung auf ALLE Waren, die auf dem europäischen Binnenmarkt gehandelt werden.

Der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) will sich laut NDR „die Vorgaben, die LsV jetzt hat erarbeiten lassen, mal ansehen, ob das ein Weg ist. Dann werden wir daran arbeiten". Darüber hinaus habe er vor, ein Klima-Kompetenz-Zentrum zu gründen, und damit dann den Landwirten Möglichkeiten an die Hand zu geben, ihre Betriebe zu bewirtschaften.

 

18.10.2022
Von: FebL/PM