Landwirtschaft als ein Treiber beim Biodiversitätsrückgang
Ein Handeln zur Rettung der Artenvielfalt fordern in einer „Frankfurter Erklärung“ namhafte Biodiversitätsforscher Deutschlands, die sich auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Frankfurt trafen. Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 17 Universitäten und Institutionen ist der Verlust der biologischen Vielfalt aktuell eine der größten Herausforderungen für die Menschheit. Auch in Deutschland sei die Situation insbesondere bei den Insekten dramatisch. Als einen „Treiber des Biodiversitätsrückganges“ benennen sie auch die Landwirtschaft.
In der Erklärung heißt es: “Der Verlust an biologischer Vielfalt ist ein globales, wissenschaftlich gut belegtes Phänomen. Das aktuelle Artensterben erreicht Verlustraten, wie sie nur von den großen Massenaussterbeereignissen der Erdgeschichte bekannt sind. Dies führt auch zu einem Verlust an Ökosystemleistungen, der weltweit immense volkswirtschaftliche Schäden nach sich zieht. Aktuell wichtigste Treiber des Biodiversitätsrückganges sind der Habitatverlust durch Umnutzung (Waldrodung, Grünlandumbruch), Siedlungen und Verkehrswege, Landschaftsveränderungen und Bodendegradierung, Nähr- und Schadstoffeintrag (z.B. Stickstoff, Phosphat, Pestizide, Herbizide), Übernutzung (Intensivierung), Klimawandel sowie invasive Arten. Im Hinblick auf seine Komplexität und erwartbare negative Effekte auf das menschliche Wohlergehen ist der Biodiversitätsverlust, verstärkt durch den Klimawandel, heute eine der größten Herausforderungen für die Menschheit. Nachhaltiger Artenschutz setzt auch Klimaschutz voraus.“
Auch in Deutschland haben nach Ansicht der Forscher Biodiversitätsverlust und Bestandsverlust vieler Arten dramatische Ausmaße angenommen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sehen „für Deutschland höchsten Handlungsbedarf, denn trotz vieler Rechtsvorschriften, Programme und Maßnahmen (z.B. Biodiversitätsstrategie, FFH-Richtlinie, Wasserrahmenrichtlinie, ökologische Ausgleichsmaßnahmen) hält der Trend des Artenverlustes unverändert an“. Das in der EU-Biodiversitätsstrategie festgelegte Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt 2020 zu stoppen, liege in weiter Ferne; bereits das frühere 2010-Ziel wurde nicht erreicht.
Zwar konstatieren die Forscher noch große Wissenslücken, wenn es um das tatsächliche Ausmaß und die spezifischen Ursachen des Rückganges gehe, das dürfe jedoch „keine Rechtfertigung für 'Nicht-Handeln' bzw. für das Fehlen von fokussierten Maßnahmenpaketen sein“, heißt es in der Erklärung.
Um sowohl den Biodiversitätsverlust einschließlich seiner gesellschaftlichen Ursachen und seiner Konsequenzen für den Menschen zu erfassen und eine Trendwende einzuleiten empfehlen die Wissenschaftler, dass die vom BMBF ins Gespräch gebrachte nationale Leitinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt das gesamte sozial-ökologische System in den Blick nimmt und konsequent einen inter- und transdisziplinären Ansatz verfolgt. Neben den einschlägig relevanten Natur-, Agrar-, Ingenieur- und Gesellschaftswissenschaften-, sowie Sozial- und Geisteswissenschaften- seien zudem die gesellschaftlichen Akteure frühzeitig sowohl in die Forschung als auch in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Entsprechend sollte die Initiative auch von einer breit angelegten Kommunikations- und Bildungsoffensive begleitet sein.