Gewalteskalation aufgrund der Wasserpolitik der französischen Regierung

Die Menschenrechtsorganisation FIAN und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sind schockiert über die Gewalteskalation während einer Großdemonstration gegen riesige Wasserbecken am 25. März 2023 in Sainte-Soline in Frankreich. Wir verurteilen jede Art von Gewalt, die Menschen und Menschenrechte verletzt. FIAN und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft solidarisieren sich mit den Umweltorganisationen Les Soulèvements de la Terre und Bassines Non Merci sowie mit der Bauernorganisation Confédération Paysanne (CF), die gemeinsam zu der Demonstration gegen solche Riesenbecken, die nach Ansicht der CF in erster Linie den Interessen der agrarindustriellen Produktion dienen, aufgerufen hatten. „Das daraufhin angekündigte Verbot der Bewegung Les Soulèvements de la Terre und die bisherige Bilanz der Repression, der die Demonstrant*innen ausgesetzt waren, erschüttern uns sehr: Mehr als 3200 Polizisten wurden eingesetzt, sowie Tränengasgranaten und LBD 40-Blitzkugeln, obwohl letztere in den meisten europäischen Ländern verboten sind. Das Ergebnis sind 200 Verletzte, davon 40 Schwerverletzte, und zwei Menschen, die sich im Koma befinden“, erklären FIAN und AbL.
„Die Ankündigung der französischen Regierung, Les Soulévements de la Terre zu verbieten, steht dem weiteren Dialog mit den Umwelt- und Bauernorganisationen im Weg“, sagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL und fügt hinzu: „Wir befürchten eine Zunahme der Repressionen gegen ökologische und soziale Bewegungen.“

Frankreich wie auch Deutschland muss seine Wasserpolitik nach Ansicht von FIAN und der AbL an den Menschenrechten ausrichten. Unter anderem hat der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zum Recht auf sauberes Trinkwasser, Pedro Arrojo-Agudo, in seiner jüngsten Stellungnahme im März 2023 auf der Weltwasserkonferenz der Vereinten Nationen auf die menschenrechtlichen Probleme der Privatisierung von Wasser verwiesen. Auch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte von Bäuer*innen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten (UNDROP) betont die Rechte von Bauern und Bäuerinnen, Wasser zu nutzen und gemeinschaftlich zu verwalten.
„Menschenrechtlich ist es nicht hinnehmbar, kleinere bäuerliche Betriebe in der Wasserpolitik und in ihren Mitbestimmungsrechten zu diskriminieren“, stellt Friederike Diaby-Pentzlin, Vorsitzende von FIAN Deutschland, klar.

Wir bekräftigen die Aussage von Michel Forst, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Umweltschützer und ehemals Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger, im Interview für Le Monde und Mediapart am 30. März 2023, dass die Antwort des Staates in Sainte-Soline weitgehend unverhältnismäßig sei. Obwohl die Demonstration in Sainte-Soline verboten worden war, „muss das Recht, sich für eine Sache zu versammeln, an die man glaubt, bewahrt werden können", so Forst.

Friederike Diaby-Pentzlin, Vorsitzende von FIAN Deutschland, fügt hinzu: „Als Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung ist FIAN regelmäßig mit Kriminalisierungen von und Gewalt gegen soziale Bewegungen in Ländern des Globalen Südens konfrontiert. Wir sind entsetzt von Berichten über Gewalt und Repressionen, die nahe legen, dass ähnliche Entwicklungen in unserem Nachbarland Frankreich stattfinden. Wir möchten genauso darauf hinweisen, dass Frankreich wie auch Deutschland seine Wasserpolitik an den Menschenrechten ausrichten muss.“

Und Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL, betont: „Die von der Vollversammlung der Vereinten Nation verabschiedete Erklärung über die Rechte von Bäuerinnen und Bauern, die UNDROP, sichert das Recht der freien Meinungsäußerung sowie das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich an friedlichen Aktivitäten zu beteiligen. Außerdem ist darin das Recht von Bäuerinnen und Bauern an der Ausarbeitung und Durchführung von politischen Maßnahmen, Programmen und Projekten mitzuwirken, von denen ihr Leben, ihr Land und ihre Existenzgrundlagen betroffen sein können, verankert. Die neue Wasserstrategie des französischen Präsidenten Macron muss also mit den Bäuerinnen und Bauern diskutiert und gemeinsam ausgearbeitet werden, statt diese mit massiver Staatsgewalt zu konfrontieren.“

CF: Wasserresourcenschonende Praktiken fördern

Mit Blick auf einen von der Regierung angekündigten „Wasserplan“ besteht ein solcher „echter Plan“ dann, wenn dieser es ermöglicht, die Wasserentnahme durch die Landwirtschaft tatsächlich zu reduzieren. Dazu müssen nach Ansicht der CF die richtigen Fragen gestellt werden: Was wird bewässert? Für welches Landwirtschafts- und Nahrungsmittelmodell? Und die Antwort müsse ein Landwirtschaftsmodell sein, das die Lebensmittelerzeugung „relokalisiert“, qualitativ hochwertige Lebensmittel produziert und letztendlich seine Wasserentnahmen begrenzt und die Wasserressourcen schützt.

Um dies zu erreichen, fordert die CF „dringend“:

  • Die Wassernutzung in der Landwirtschaft zu priorisieren. Eine landwirtschaftliche Erzeugung, die die Lebensmittelversorgung „relokalisiert“ und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft schafft, muss Vorrang haben, insbesondere der vielfältige Gemüseanbau.
  • Eine Obergrenze für die Wassermenge pro Betrieb je nach Anzahl der Beschäftigten und der Erzeugung festzulegen. Die Obergrenzen sollten auf lokaler Ebene festgelegt werden und sich an den klimatischen und hydrogeologischen Bedingungen des Gebiets orientieren sowie an Praktiken, die in erster Linie die Wassereinsparung fördern.
  • Massive Neuausrichtung der wasserbezogenen Finanzmittel in der Landwirtschaft auf die Unterstützung und Entwicklung von Praktiken, die das Wasser im Boden speichern (Begrünung, Hecken, Dauergrünland, bäuerliches Saatgut, Hecken, Grünstreifen usw.), das Wasser schützen (weniger chemisch-synthetische Betriebsmittel) und die Wasserressourcen sparen.
  • Und natürlich den Mega-Wasserbecken ein Ende zu setzen.
05.04.2023
Von: FebL/PM

Wasser ist ein gemeinsames Gut - schützen und teilen wir es! Quelle: CF