Unabhängige Bauernstimme: Herr Ostendorff, auch wenn in Brüssel die grundlegenden Verhandlungen zur Ausgestaltung der europäischen Vorgaben in den Trilogverhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, konkretisieren sich die Planungen in Deutschland. Nach ersten Vorschlägen von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner hat sich die Sonder-AMK auf Vorschläge geeinigt, die jetzt fast ohne Änderungen übernommen wurden. Wie zufrieden sind Sie mit diesen Ergebnissen?
Friedrich Ostendorff: In vielen Punkten sind die Ergebnisse der Agrarministerkonferenz ein Fortschritt gegenüber dem ersten Vorschlag aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Das war eine gute Vorlage für die Gesetzentwürfe und hat es auch der Bundesumweltministerin Svenja Schulze ermöglicht, noch Punkte zum Insektenschutz und zum Schutz der Biodiversität einzubringen.
Im ersten Entwurf von Frau Klöckner war noch eine Degression und Kappung der Zahllungen vorgesehen. Davon ist im Beschluss der Agrarminister und auch in den Gesetzesentwürfen nichts mehr zu finden, obwohl die grünen Agrarminister eine starke Gruppe innerhalb der AMK stellen.
Das finde ich sehr schade. Ich fordere, wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, deren Mitglied ich bin, schon lange, dass die Zahlungen an der Größe ausgerichtet werden müssen. Für mich ist ganz klar, dass wir ohne Kappung und Degression auch weiterhin, vor allem im Osten, die zunehmende Flächenkonzentration mit staatlichen Mitteln unterstützen. Hierzu zählt auch, dass es keine Bestrebungen gibt, miteinander verbundene Unternehmen als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Ganz offensichtlich haben sich die Agrarminister der Ostländer, auch die der Grünen, hier mit einer Großstrukturen fördernden Position durchgesetzt.
Groß versus klein: unterschiedliche Kostenstrukturen durch Skalierungseffekte zugunsten großer Strukturen. Aber muss das auch in Bezug auf die Biodiversität und den Tierschutz schlecht sein?
Ich halte nicht viel von der immer wieder von einzelnen Wissenschaftlern vorgebrachten Behauptung, groß sei nicht gleich schlecht und klein nicht automatisch gut. Es ist ganz eindeutig erwiesen, und da widersprechen diese Wissenschaftler auch gar nicht, dass wir zum Erhalt der Biodiversität eine kleinteilige Landwirtschaft brauchen. Die Ergebnisse zeigen, dass es für viele Tiere ab einer Schlaggröße von acht bis zehn Hektar schwierig wird, diese zu überwinden und sich diese großen Monostrukturen damit negativ auf die Artenvielfalt auswirken. Natürlich hätte auch der Großbetrieb die Möglichkeit, vielfältige Strukturen zu schaffen. Freiwillig machen diese Betriebe es aber nicht.
Mit der Konditionalität und den Eco-Schemes gibt es in der zukünftigen GAP-Förderung zwei Instrumente, die für mehr Ökologisierung stehen.
Die Gesetzentwürfe haben eine ganze Reihe guter Ansätze. Vor allem, dass es gelungen ist, die Extensivierung von Grünland als Förderpunkt noch mit aufzunehmen, ist ein Verdienst des Bundesumweltministeriums. Im weiteren Verlauf wird es aber sehr darauf ankommen, wie die jetzt gesetzten „Überschriften“ mit Inhalten gefüllt werden. Für das Grünland würde das beispielsweise eine Schnittreduktion und damit auch eine Reduktion des Stickstoffeintrags bedeuten. Auch die immer öfter zu findende Kurzrasenweide müsste, wenn man artenreiches Grünland fördern will, hinterfragt werden. Dazu kommt noch, dass es in Folge des Klimawandels schon jetzt zu einer Veränderung des Grünlands kommt, weil wir zukünftig Pflanzengesellschaften brauchen, die besser mit der Trockenheit umgehen können.
Biodiversität und Klimaschutz sind Bereiche, die oft unter Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft zusammengefasst werden. Mit dem Modell des DVL und dem AbL-Punktemodell liegen zwei konkrete Vorschläge vor, die eine Basis schaffen würden, damit Gemeinwohlleistungen auch im Rahmen der Agrarförderung bezahlt werden. Welche Positionen haben die Grünen diesbezüglich?
Ich sehe es als eine Aufgabe der Grünen an, den Ansatz der Gemeinwohlprämie weiter voranzutreiben. In der kommenden Legislaturperiode, für die ich allerdings nicht mehr antrete, wird es von zentraler Bedeutung sein, den Übergang von der Förderung der Fläche hin zu einer Förderung von Gemeinwohlleistungen und damit einer nachhaltigen Landwirtschaft in der Fläche zu organisieren.
Was wären diesbezüglich die Aufgaben eines zukünftigen gegebenenfalls grünen Agrarministeriums?
Zum einen gehe ich davon aus, dass die Ausgestaltung der Eco-Schemes nicht mehr in dieser Legislaturperiode stattfinden wird. Hier gäbe es dann ganz konkreten Gestaltungsspielraum. In jedem Fall aber brauchen wir zur Halbzeit der Förderperiode eine Evaluation der Maßnahmen und eine Anpassung, um die Ziele des Green Deals zumindest ansatzweise zu erreichen. Um dann zum Ende der Förderperiode zu einem zwingenden Systemwechsel mit einer Gemeinwohlprämie als Grundlage der Agrarförderung zu kommen, muss dies in der kommenden Legislaturperiode von einer hochrangigen Arbeitsgruppe vorbereitet werden. Gerade die Feintarierung eines solchen Systemwechsels ist nicht einfach und bedarf der Vorbereitung. Ich bin aber zuversichtlich, dass es den Grünen gelingen wird, hier eine Pfadabhängigkeit – das heißt: einen klaren Weg – zu entwickeln.
Abgesehen von einer gekoppelten Weidetierprämie kommt die Tierhaltung in der Agrarförderung aktuell nicht vor, obwohl der Umbau der Tierhaltung ein zentrales Thema ist.
Nicht alle Probleme der Landwirtschaft können über die EU-Agrarförderung gelöst werden. Wir haben mit den Plänen der Borchert-Kommission in Deutschland eine sehr gute Grundlage, auf der wir einen Umbau der Tierhaltung organisieren können, ohne dass es zu einem Wegbrechen der Betriebe kommen muss. Auch dieses Feld wird ganz offensichtlich eine Aufgabe des zukünftigen Agrarministers werden, weil Frau Klöckner eine Umsetzung der Ergebnisse immer wieder bewusst verzögert. Finanziert werden soll der Umbau ja über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das ist natürlich für finanziell schwächere Gruppen besonders belastend. Es gibt hier ein Spannungsfeld zwischen den Anforderungen aus der Tierhaltung und sozialen Fragen, deren Lösung ich aber nicht als Aufgabe der Landwirtschaft begreife.
Welche Bedeutung messen Sie der Landwirtschaft im kommenden Wahlkampf zu?
Ich gehe davon aus, dass die Landwirtschaft selbstverständlich eine Rolle spielen wird. Natürlich steht aktuell das Krisenmanagement in der Corona-Krise im Scheinwerferlicht. Auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik werden mit Sicherheit zentral sein, einmal bei der Überwindung der aktuellen Krise, aber auch für zukünftige wegweisende Ansätze in Reaktion auf die Klimakrise. Dabei wird auch das Thema Soziale Ungleichheit bedeutend sein. Aber Klimaschutz und Biodiversität sind grüne Kernthemen und globale Herausforderungen, die unzweifelhaft gelöst werden müssen. Dafür ist die Landwirtschaft von zentraler Bedeutung, genauso wie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt im ländlichen Raum, aber auch für urbane Lebensstile.