Fake news um Bio-Kartoffeln

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde

Die Empörung bei den Geschäftsführerinnen des Bio Kartoffel Erzeugervereins (BKE) hat sich noch nicht gelegt. „Übertriebene Panikmache“ nennen Therese Wenzel und Josephine Hardt die Meldung, die der Präsident des Deutschen Kartoffelhandelsverbandes Thomas Herkenrath letzte Woche in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) verbreitet hat und die von einigen Agrarzeitungen genüsslich aufgegriffen wurde. Die Biokrise habe den Kartoffelmarkt erreicht. „Biobauern werden ihre Kartoffeln nicht mehr los,“ heißt es bei „agrarheute“. Schon kurze Zeit später hat mindestens top agrar ihre Meldung korrigiert.

Auslöser war eine Aussage von Herkenrath in der NOZ: „ Der Umsatz mit Bio- Kartoffeln ist in den zurückliegenden Wochen um 40-50% eingebrochen. Die Konsumenten sparen und greifen eher zu preiswerteren Alternativen.“ Und: „Die Bio- Anbaufläche bei Kartoffeln wird weiter zurückgehen. Warum? Weil kaum noch jemand Bio kauft.“

Delle, kein Einbruch

Dem widerspricht Josephine Hardt im Gespräch mit den „Bauernstimme Nachrichten“ vehement. Natürlich sei die aktuelle Kaufzurückhaltung auch ein Thema in der Bio-Kartoffelvermarktung, denn im aktuellen Jahr wurden laut der Marktberichtstelle AMI bisher rund 15% weniger Bio-Kartoffeln verkauft als im Vorjahr. Gegenüber Vor-Corona- Niveau lag man aber im ersten Halbjahr noch mengenmäßig 1% und umsatzmäßig 4% im Plus. Seit Sommer laufen die Absatzmengen rückwärts. Nach ihrer Einschätzung ist das nach zwei exzellenten Ausnahmejahren eher eine Absatzdelle und kein Einbruch. Sie verweist darauf, dass die Anbaufläche mit Bio-Kartoffeln von 9895 ha in 2019 auf 12.000 ha in diesem Jahr um über 20% angewachsen sei. Außerdem ist die Ernte trotz Dürresommer dank guter Erträge reichhaltig ausgefallen. „Das muss erst einmal vermarktet werden.“ Und dabei zeigen die Vermarktungswege große Unterschiede. Naturkost und viele Direktvermarkter haben Einbußen, während andere wie die Supermarktketten durchaus zufrieden sind. Wichtiger sei es, aus der aktuellen Konsumflaute keine vorschnellen Prognosen anzustellen, sondern lieber die langfristigen Konsumtrends im Auge zu behalten. „Die Menschen wollen auch weiterhin Bio kaufen, aber es muss zum Geldbeutel passen. So verschiebt sich auch zum Teil bei den Bio-Kartoffeln die Nachfrage zugunsten des Preiseinstiegssegments.“

Angebot sucht (noch) die Nachfrage

Der BKE e.V. ist eine bundesweite Interessenvertretung von 225 aktiven Betrieben, die einem anerkannten deutschen Anbauverband angehören und insgesamt auf einer Fläche von 5140 ha anbauen. Damit vertritt der Verein etwa 43% der Anbaufläche, aber ca. 75% der Verbandsbetriebe im Biokartoffelmarkt. Er ist keine Handelsorganisation, sondern eine Branchenvertretung, die für Markttransparenz sorgt und vermittelt zwischen Erzeugung, Packbetrieben und dem Handel. Der Einfluss auf das Marktgeschehen, Anbau- und Preisdisziplin steigt aber nach Ansicht von Insidern durch die Erfahrungen vieler Jahre weiterhin an.

Der wichtigste Absatzkanal ist eindeutig der klassische Einzelhandel mit etwa 65% Marktanteil, wovon der Discount etwa 60% vereinigt. Ohne Rewe, Aldi, Lidl & Co hätte sich der Anbau nicht so weit ausdehnen können. Das restliche Drittel läuft über Naturkost, Gemeinschaftsverpflegung und Direktvermarktung.

Entscheidende Aufgabe der BKE und der Erzeuger insgesamt ist eine Ausgeglichenheit von Angebot und Nachfrage zu erhalten, da sonst wie im konventionellen Markt die Preise „abschmieren“.

Mittel- bis langfristige Vereinbarungen

Dabei waren die außerordentlichen Erfolge der Jahre 2020 und 2021 zwar vorteilhaft, aber ließen den Anbau und die verfügbare Erntemenge anschwellen, die aber in diesem Jahr nicht im gleichen Tempo vermarktet wird. So wurde auch in diesem Frühjahr verstärkt darauf verwiesen, nicht ohne Absprache und ohne Vermarktungszusicherung die Fläche zu erweitern. Der Ruf nach Anbaudisziplin wurde nicht überall gehört, die Anbaufläche wuchs um 4%. Die Ernte 2022 stieg an und der Markt steht unter Spannung.

Nun zahlt sich aus, dass die Erzeuger gut organisiert und vernetzt sind. Mit den Packbetrieben und folgend dem Abnehmer bestehen in der Regel mittel- bis langjährige Vereinbarungen über Mengen, Zeitfenster, Gebinde, Qualitäten und Preise. Dadurch konnten bisher die Preise für Bio-Kartoffeln bei 55 €/dt stabil gehalten werden. Es konnte aber kein Preissprung wie in 2021 durchgesetzt werden, obwohl die Kosten gestiegen sind. Im Handel sind die Bio-Knollen aber je nach Verkaufsstätte um 15-20% teurer geworden, wobei erstaunlicherweise der Discount die höchsten Teuerungen aufweist.

Konventionell läuft’s andersherum

Die Preiserhöhungen sind im konventionellen Markt stärker ausgeprägt, so dass der Abstand zwischen Bio- und konventionellen Kartoffeln schrumpft. Trotz Flächenausdehnung hat sich die „normale“ Erntemenge reduziert. Die Trockenheit hat, so Berater der Landwirtschaftskammern, sich hier stärker ausgewirkt. Das kleinere Angebot hat die konventionellen Preise bereits früh im Oktober ansteigen lassen – laut Statistik um mehr als 40%, was aber den Absatz erschwert. Die geringere Preisspanne bietet den Bio-Anbietern natürlich auch Chancen für die Vermarktung.

Absatz ist auch eine Qualitätsfrage

Dass der Bio-Anbau (weiter?) zurückgehen wird, wie es der Verbandschef Herkenrath prognostiziert, hält Josephine Hardt für eher unwahrscheinlich. Dafür sei die Professionalisierung der Betriebe verantwortlich, aber auch die langfristige Anhebung des Vermarktungsniveaus. Das Ernteniveau habe sich kontinuierlich verbessert. „In der aktuellen Saison haben wir einen bundesweiten Durchschnittsertrag von über 30 t/ha über alle Verwertungsrichtungen hinweg erreicht. Bei den stabilen Qualitäten wird damit wieder eine ganzjährige Belieferung des deutschen Lebensmitteleinzelhandels mit Ware aus heimischem Anbau möglich sein.“ Die Möglichkeiten zur Verlängerung der Saison sind neben Aktionsangeboten ein wesentliches Mittel zur Verbesserung des Abverkaufs der gestiegenen Mengen. Die Bio-Fachfrau bekräftigt: „ Das alles gibt es natürlich nicht zum Nulltarif, denn viele unserer Mitgliedsbetriebe haben in moderne Kühllagertechnik investiert und gerade in der aktuellen Saison mit den ungewöhnlich hohen Temperaturen im Oktober und November brauchen wir die kostenintensive Kühlung zur Qualitätssicherung in der Langzeitlagerung bis zum Saisonanschluss im nächsten Jahr.“ Das koste alles Geld, aber 2022 sei auch kein normales Jahr. Die Bäuerinnen und Bauern wüssten, dass die Kartoffel die Brotfrucht des Betriebes sei und dass die Produkte „auch in Krisenzeiten in Premiumqualität zum erschwinglichen Preis“ zur Verfügung stehen müssen.

15.11.2022
Von: Hugo Gödde

Die Geschäftsführerinnen des Bio Kartoffel Erzeugervereins Josephine Hardt und Therese Wenzel. Bildquelle: BKE