Fachpolitiker:innen von Union und SPD einigen sich zur Landwirtschaft - oder auch nicht

Am Dienstag haben die Agrar-Fachpolitiker:innen der AG 11 „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt“ das Ergebnis ihrer Beratungen in den weiteren Prozess der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD gegeben, der ab heute in einem 19köpfigem Gremium aus Spitzen der Parteien fortgesetzt wird. Und dort wird entschieden, was mit Blick auf einen möglichen Koalitionsvertrag aus dem Ergebnispapier übernommen oder gestrichen und was eventuell auch ergänzt wird. Es ist also noch nichts in Stein gemeißelt, zumal das Ergebnis nicht nur Einigkeit signalisiert, sondern auch strittige Punkte aufzeigt (wie bei der Gentechnik) sowie Leerstellen (Stichwort Marktordnung) hat. Insgesamt geht die Arbeitsgruppe von einem zusätzlichen Finanzbedarf für 2025 bis 2028 von knapp 15 Milliarden Euro aus.

In dem Papier treten die Fachpolitiker:innen für Nachhaltigkeit, auch beim Konsum, und eine zukunftsfähige Landwirtschaft ein, die sie aufbauend auf vergangenen und laufenden Dialogprozessen im Geiste eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses ausgestalten wollen.

Zu den zentralen Maßnahmen und konkreten Vereinbarungen gehören in dem Papier unter anderem eine deutliche Erhöhung der Fördermittel für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK), die Prüfung einer Förderung der Mehrgefahrenversicherung aus Mitteln der GAK und die Förderung vielfältig strukturierter Agrar-Kultur-Landschaften durch Blühflächen, Hecken, Feldgehölze und Grünstreifen und deren Vernetzung. Es sollen Anreize für naturverträgliche Agroforstsysteme geschaffen, ein Kulturlandschaftsprogramm zum Erhalt besonders sensibler Kulturlandschaften geprüft und die Weidetierhaltung gefördert werden.

Bei der Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist nach Ansicht der Fachpolitiker:innen aufgrund ihrer hohen Anforderungen ein entsprechendes GAP-Budget im nächsten EU-Finanzrahmen vorzusehen. In der ersten Säule müsse die GAP einkommenswirksam, bürokratieärmer, transparenter und effizienter ausgestaltet werden. Dabei sollen die Einkommensanreize für die Erbringung von Klima-, Umwelt- und Tierwohlleistungen deutlich gesteigert werden. Jung- und Neulandwirte sollen stärker gefördert werden.

Bekenntnis zur Nutztierhaltung

In dem Papier bekennen sich die Fachpolitiker:innen zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung und setzen sich für verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit ein. Genehmigungsrechtliche Hürden beim Stallbau sollen abgeschafft werden, Bestandsschutz für neu- und umgebaute Tierwohlställe für mindestens 20 Jahre geschaffen und im Baugesetzbuch (BauGB) ein unkomplizierter Tierartenwechsel ermöglicht werden. Die Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sollen im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung praxistauglich umgestaltet und die notwendigen Mittel für den tierwohlgerechten Stallbau auf Grundlage staatlicher Verträge dauerhaft bereitgestellt werden. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz soll grundsätzlich weiterentwickelt werden. Dabei soll das Gesetz um weitere Tierarten, den gesamten Lebenszyklus und die Außerhausverpflegung erweitert werden.

Ökolandbau stärken

Konventionelle und ökologische Landwirtschaft stellen für die Fachpolitiker:innen gleichwertige Bewirtschaftungsformen dar. Der Ökolandbau ist für sie ein wichtiges Element einer nachhaltigen und klimaschonenden Landwirtschaft und ein wichtiger Innovationsmotor. Mit einer Biostrategie soll den Ausbau des Ökolandbaus deutlich gestärkt werden, indem die Mittel für die Forschung und Bildung für den Ökolandbau erhöht, das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) und Nachfrageimpulse gestärkt werden.

In der Düngepolitik soll das mit der EU-Kommission vereinbarte Monitoring im Düngegesetz verankert werden. Die Stoffstrombilanzverordnung wird abgeschafft. Es soll ein Instrument geschaffen werden, um zukünftig die besonders wasserschonend wirtschaftenden Betriebe in roten Gebieten von Auflagen zu befreien.

Beim Pflanzenschutz soll der Umfang und das Risiko beim Mitteleinsatz unter anderem durch Anreize für die Präzisionslandwirtschaft und den integrierten Pflanzenschutz reduziert werden.

Die Evaluierung und Überarbeitung der Umsetzung der EU-Richtlinie über unfaire Handelspraktiken wollen die Fachpolitiker:innen unterstützen, um einen Wettbewerb mit fairen Erzeugerpreisen im Lebensmittelmarkt zu ermöglichen. Eine unabhängige und weisungsfreie Ombudsperson wird eingeführt. Mit einer modernen Agrarexportstrategie sollen insbesondere KMUs unterstützt werden, kaufkräftige Märkte zu erschließen und Agrarexporte nachhaltig zu steigern. Eine steuerliche Risikoausgleichsrücklage sowie weitere finanzielle Anreize zur Wettbewerbsfähigkeit sollen geschaffen und ausgebaut werden.

Die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von klimaresilienten und artenreichen Mischwäldern mit standortgerechten Baumarten sowie die Unterstützung der Waldbesitzer bei der Erbringung von Ökosystemleistungen sollen verbessert, die Förderung für den Wald über die GAK und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) fortgeführt werden.

Beim Wolf soll der Herdenschutz fortgeführt, der Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes national umgesetzt und der Wolf umgehend ins Jagdrecht aufgenommen werden.

Die Agrardiesel-Rückvergütung soll vollständig wieder eingeführt und der Einsatz alternativer Kraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft von der Energiesteuer befreit werden.

Praxistaugliche Maßnahmen der neuen Nationalen Biodiversitätsstrategie sowie die europäische Wiederherstellungsverordnung wollen die Fachpolitiker:innen gemeinsam mit Landbewirtschaftern und Besitzern umsetzen. Das ANK sowie die darin enthaltene Moorschutzstrategie sollen verstetigt werden. Dabei wird auf Freiwilligkeit, Anreize und Honorierung von Ökosystemleistungen gesetzt. Kooperative Modelle für Landwirtschaft, Kommunen und Naturschutz werden unterstützt.

Bürokratieabbau vorantreiben

Dem Bürokratieabbau ist ein gesonderter Anhang gewidmet. „Wir werden gemeinsam mit den Ländern und dem Berufsstand Agraranträge vereinheitlichen und vereinfachen und die Entwicklung von digitalen Anträgen in der Landwirtschaft vorantreiben“, heißt es da. Dabei dürfe die Entbürokratisierung in der Land- und Forstwirtschaft nicht zu einer Absenkung des Ambitionsniveaus im Umwelt- und Klimaschutzbereich führen. Unnötige doppelte Meldungen und Aufzeichnungspflichten, wie beispielsweise im Bereich der Tierarzneidatenbank, sollen abgeschafft und Datenbanken zusammengeführt werden.

Strittig oder Leerstelle

Als strittig zwischen den Koalitionsverhandler:innen sind unter anderem ein Netto-Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte, die Nutzung moderner Technologien, das Festhalten am Vorsorgeprinzip und der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel, das Bestehen auf Koexistenz- und Haftungsregeln für NGT-Pflanzen, die Ablehnung von Patenten auf Tiere und Pflanzen, das Absenken des Umfangs von Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie der Umgang mit Ausgleichsflächen für Infrastrukturvorhaben.

Keine Aussagen finden sich in dem Papier beispielsweise zum Thema Marktordnung und Erzeugerpreise sowie zum Bodenmarkt. Mit Bezug zum Bodenmarkt findet sich in dem Papier lediglich der Satz: „Die BVVG-Flächen werden an die Länder zur Verwaltung übertragen.“

Die Agrar-Fachpolitiker:innen von Union und SPD haben ein Papier zur Landwirtschaft erarbeitet. Foto (Symbolbild): Aymane Jdidi/pixabay