Die EU-Kommission hat die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten“ für gültig erklärt, nachdem die Initiative die Hürde einer Million gültiger Unterschriften genommen hat. Die EU-Institutionen müssen sich nun mit den Forderungen der EBI beschäftigen: ein Verbot synthetischer Pestizide in Europa bis 2030, die Wiederherstellung verlorener Artenvielfalt in ländlichen Gebieten und die Unterstützung der europäischen Bäuerinnen und Bauern bei der Umstellung auf naturverträgliche Anbaumethoden. Das Umweltinstitut München, zum EBI-Initiator:innenkreis gehörend, wertet die erfolgreiche Bürgerinitiave als starkes demokratisches Signal für eine Agrarwende in Europa. Und auch die Organisation Global 2000 in Österreich, ebenfalls ein EBI-Initiator, sieht in den über eine Million Unterschriften ein starkes Signal und freut sich über den Rückenwind für eine Pestizidreduktion in der EU.
Die Initiator:innen der EBI sammelten nach Prüfung der Behörden 1.054.973 gültige Stimmen in der Europäischen Union. Das notwendige Nationalstaaten-Quorum, das sich an der jeweiligen Anzahl der Sitze im Europaparlament orientiert, wurde in elf Ländern erfüllt - notwendig wären lediglich sieben gewesen. Die Europäische Kommission hat die Bürgerinitiative daher formell als erfolgreich bestätigt. Nun haben die Initiator:innen ein Anrecht darauf, ihr Anliegen in einer öffentlichen Anhörung im EU-Parlament und in Gesprächen mit Vertreter:innen der EU-Kommission zu schildern. Außerdem ist die Kommission rechtlich zu einer Antwort auf die Forderungen der EBI verpflichtet. Unter dem Punkt „Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern“ heißt es in den Forderungen: Die Landwirt*innen müssen beim notwendigen Übergang zur Agrarökologie unterstützt werden. Kleinteilige, vielfältige und nachhaltige landwirtschaftliche Strukturen sollen unterstützt, der Ökolandbau ausgebaut sowie die Forschung zu pestizid- und gentechnikfreiem Anbau gefördert werden.
„Die EU-Institutionen müssen unseren Forderungen nun Gehör schenken“, sagt Veronika Feicht, Referentin für Agrarpolitik am Umweltinstitut. „Dabei werden wir deutlich machen, warum die bisherigen Pläne der EU zur Pestizidreduktion viel zu kurz greifen. Zwar ist die geplante Halbierung des Einsatzes von Ackergiften bis 2030 ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, zu dem es ohne den kontinuierlichen Druck durch unsere Bürgerinitiative niemals gekommen wäre. Doch um das dramatische Insektensterben wirklich aufzuhalten, reicht er bei weitem nicht aus. Dafür müssen wir endlich komplett aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide aussteigen.“
Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft gilt als eine der Hauptursachen für das dramatische Insektensterben in Europa und weltweit. Dieser Rückgang der Bestände von Bienen, Hummeln, Käfern und Schmetterlingen führt nach Ansicht des Umweltinstituts nicht nur zum Einbruch ganzer Ökosysteme, sondern gefährdet auch die menschlichen Lebensgrundlagen. Denn ohne bestäubende Insekten könne es keine intakte Umwelt geben und auch die Lebensmittelproduktion ist ohne ihren Beitrag gefährdet.
„Wir bedanken uns bei allen Menschen, die diese europäische Bürgerinitiative unterzeichnet und damit zu einem Erfolg gemacht haben”, ergänzt Feicht. „Der Erfolg dieser Initiative - trotz aller Widrigkeiten in der Corona-Pandemie - zeigt deutlich, dass die Menschen in Europa bereit sind für eine Agrarwende hin zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft.”
Für Global 2000 kommt dieser Erfolg zu einem wichtigen Zeitpunkt, denn derzeit verhandeln die EU-Institutionen in Brüssel über ein im Juni von der EU-Kommission vorgeschlagenes Gesetzespaket, das wesentliche Forderungen der EBI adressiert, indem es die „Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2030” und die „Wiederherstellung der Natur in Europa“ anstrebt.
„Das Ergebnis der politischen Verhandlungen wird entscheidend dafür sein, wie Europa die Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise meistern kann. Damit hat diese erfolgreiche Initiative auch enorme Auswirkungen auf unsere Fähigkeit, die Lebensmittelproduktion auch für die Zukunft zu gewährleisten“, sagt Helmut Burtscher-Schaden, Mitinitiator der EBI und Pestizid-Experte von GLOBAL 2000. „1.054.973 Europäer:innen haben, inmitten der Covid-Pandemie, die Europäische Bürgerinitiative ‚Bienen und Bauern retten“ unterschrieben – das ist ein starkes Signal. Die Menschen wünschen sich eine klima- und bienenfreundliche Landwirtschaft, frei von giftigen Chemikalien“.
Und auch Martin Dermine, Hauptvertreter dieser EBI und Experte für Umwelt- und Gesundheitspolitik bei PAN Europe, freut sich: „Dies ist die siebte erfolgreiche EBI und nach ‚Stop Glyphosat‘ bereits die zweite gegen Pestizide. ‚Bienen und Bauern retten‘ ist ein starkes demokratisches Signal an die EU und die nationalen Entscheidungsträger:innen, auf die Bürger:innen zu hören und sich von giftigen Pestiziden abzuwenden. Europa ist einer der größten Pestizidexporteure der Welt. Die Pestizidlobby befürchtet Einkommenseinbußen und ihre Verbündeten erheben in vielen Ländern lautstarken Protest. Eine klimafitte Landwirtschaft kann die Welt ohne Chemikalien ernähren. Es ist höchste Zeit, dass unsere Politiker:innen aufhören, auf die Agrarindustrie zu hören, und anfangen, sich für die Zukunft unserer Kinder einzusetzen.“