Der Biomarkt 2023 – ein Rückblick

Zwischen bescheidenem Wachstum am Markt und betulicher Bio-Strategie der Politik

2023 war für Bio kein gutes Jahr. Und es sieht im Moment nicht so aus, als würde 2024 sehr viel besser werden. Es kann eigentlich nur aufwärts gehen, dachten sich viele Bios vor einem Jahr, als auf der Biofach die Marktzahlen für 2022 vorgestellt wurden: Der Bioumsatz war um 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro eingebrochen. Auch wenn die Umsätze noch ein Viertel über dem Vor-Corona-Niveau lagen, war dies für die erfolgsgewohnte Biobranche ein harter Schlag. Zumal die Zahlen durch die Preissteigerung geschönt waren. Die abgesetzte Menge an Biolebensmitteln war 2022 um etwa zehn Prozent zurückgegangen.

Diese Situation änderte sich mit abnehmender Inflationsrate langsam und Ende 2023 dürfte ein kleines Plus hinter dem Bioumsatz stehen. Laut Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft AMI wuchs der Biomarkt in den ersten neun Monaten 2023 um 2,8 Prozent. Das Umsatzbarometer für den Biofachhandel meldet für das dritte Quartal 2023 ein Plus von drei Prozent und für die ersten neun Monate 2023 ein Minus von nur noch 1,4 Prozent. Doch das sind Umsatzzahlen und keine Absatzmengen. „In Bezug auf die Einkaufsmenge gibt es insgesamt immer noch einen Rückstand zum Vorjahr, der sich allerdings auf ein Minus von 1,8 Prozent verkleinert hat“, schrieb die AMI für die ersten drei Quartale. Zur Leitmesse Biofach Mitte Februar wird es die Zahlen fürs ganze Jahr 2023 geben, vermutlich ein bescheidenes Wachstum beim Umsatz und Stagnation bei der ökologisch bewirtschafteten Fläche.

Kaum Umstellung
Niedersachsen teilte im September 2023 mit, die für die Prämienzahlung angemeldete Ökofläche sei in 31 von 37 niedersächsischen Landkreisen gegenüber August 2022 zum Teil deutlich zurückgegangen. „Die aktuellen Preisschwankungen im Markt, die rückläufigen Bio-Erzeugerpreise bei gleichbleibenden Betriebsmittelkosten, schwierige Absatzmöglichkeiten und vor allem auch die hohen konventionellen Erzeugerpreise des letzten Jahres hindern die Landwirte derzeit daran, ihren Betrieb auf Ökolandbau umzustellen“, kommentierte das Kompetenznetzwerk Ökolandbau Niedersachsen die Zahlen. Die AMI schrieb: „2023 kam kaum noch Umstellungsfläche dazu, in manchen Bundesländern dürften auch Rückgänge zu verzeichnen sein. Zu unsicher sind die Rahmenbedingungen für die Produktion.“

Statt Stagnation bräuchte es jährlich einen Flächenzuwachs von 13 Prozent, um das 30-Prozent-Bio-Ziel der Bundesregierung zu erreichen. Doch das war regierungsseitig eh nie ernst gemeint, sonst hätten die Ampelparteien im Koalitionsvertrag die Finanzierung dieses Ziels – und der gesamten versprochenen Transformation der Landwirtschaft – sichergestellt. Statt dessen werden nun die Gelder für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) gekürzt. Dabei reichten die dafür vorgesehenen Mittel in diesem Topf schon bisher nicht aus, um 30 Prozent Biolandbau auch nur annähernd zu finanzieren.

Kleinteilige Maßnahmen
Daran ändert auch die Bio-Strategie 2030 nichts, die das Landwirtschaftsministerium Mitte November 2023 vorstellte. Sie ist eine Fleißaufgabe, deren oft kleinteilige Maßnahmen hilfreich sind und Bio voranbringen werden – aber nicht auf 30 Prozent. Denn sie setzen lediglich die 2017 aufgesetzte (und damals für das 20-Prozent-Ziel schon unzureichende) Zukunftsstrategie ökologischer Landbau fort und werden weiterhin weitgehend über das kürzungsanfällige Bundesprogramm Ökolandbau finanziert.

Doch selbst bei gutem Willen wäre der Einfluss der Politik begrenzt. Das hat die Marktentwicklung der letzten zwei Jahre deutlich gemacht. Es kommt auf die Menschen an, die Biolebensmittel kaufen. Auch wenn ihnen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, entscheidet oft der Blick in den Geldbeutel, und so wechselten die Menschen zu günstigen Biohandelsmarken oder verzichteten ganz auf Biolebensmittel. Ein Trend, der laut dem GfK-Nachhaltigkeitsindex noch nicht vorbei ist. Deshalb haben insbesondere die Discounter in der Krise Marktanteile dazugewonnen und ihre Bedeutung für den Bioabsatz ausgebaut. Hinzu kommt, dass mit der Partnerschaft von Naturland und Aldi (vorerst nur Süd) Verbandsware nun auch bei den Discountern flächendeckend vertreten ist.

Faire Partner?
Bisher war die Zusammenarbeit zwischen Bio und LEH vom Nachholbedürfnis des LEH geprägt. Doch dürfte der Sortimentsaufbau langsam abflauen und Bio zum Normalfall werden. Die vier Konzerne Edeka, Schwarz (Lidl, Kaufland), Rewe und Aldi beherrschen 85 Prozent des Marktes und bestimmen die Preise – gegenüber den Verbraucher:innen und gegenüber den Verarbeiter:innen und Erzeuger:innen. Es wird sich nun zeigen, was all die „FAIRsprechen“ der großen LEH-Konzerne wert sind und ob sie faire Partner für faire Wertschöpfungsketten sein können – jenseits von ein paar modellhaften Bio-Regio-Wertschöpfungsketten. Die irrlichternde Preisgestaltung etwa bei Milchprodukten weckt da Zweifel. Gleichzeitig könnte der Biomilchpreis zum Lackmustest für FAIRsprechen werden: Denn der Auszahlungspreis sank von 62,7 Cent je Kilogramm im Januar 2023 auf 55,1 Cent im November. Naturland und Bioland haben einen vollkostendeckenden Orientierungspreis von 67 Cent veröffentlicht, quasi eine unverbindliche Preisempfehlung. Doch die beiden Verbände winken bereits mit einer verbindlichen Nachhaltigkeitsvereinbarung nach Art. 210a GMO. Diese Ende 2021 beschlossene Ergänzung der europäischen Gemeinsamen Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse erlaubt trotz Kartellrecht Absprachen zwischen Marktteilnehmern der Lebensmittelversorgungskette, die darauf abzielen, einen Nachhaltigkeitsstandard anzuwenden, der über gesetzliche Anforderungen hinausgeht, wie etwa Verbandsbio. Dieses neue Instrument könnte dazu beitragen, das zu erreichen, was laut Bauernverband die Betriebe am stärksten zum Umstellen motiviert: höhere Erzeugerpreise für Bioprodukte und gesicherte Abnahmeverträge.