Waldzustandserhebung: 4 von 5 Bäumen sind krank – Waldumbau drängt

Ob Fichte, Kiefer, Buche oder Eiche – die Bäume in Deutschlands Wäldern leiden stark unter den Folgen der Klimakrise. Insbesondere Dürre und hohe Temperaturen im vergangenen Sommer haben den Wäldern weiter starkzugesetzt, so das Ergebnis der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlichten Waldzustandserhebung 2022. Die Waldeigentümer fordern von der Politik und der Gesellschaft eine konsequente Fortsetzung der Förderung von Wiederaufforstung und Klimaanpassung der Wälder.

Die regenreichen Monate zu Beginn des Jahres und im Herbst konnten das Wasserdefizit der Waldböden nicht kompensieren, teilt das BMEL mit. So konnte sich der Wald nach den trockenen Jahren seit 2018 nicht erholen. Die Folgen sind an den Bäumen deutlich ablesbar: Bei allen Baumarten ist ein Großteil der Baumkronen geschädigt – mit 44 Prozent in der Warnstufe und 35 Prozent sogar mit deutlichen Kronenverlichtungen. Der schlechte Kronenzustand zeigt, wie sehr die Bäume geschwächt sind.

Dazu erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: "Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht. Unser wertvolles Ökosystem leidet unter den Folgen der Klimakrise. Die beunruhigenden Ergebnisse unseres Waldzustandsberichtes zeigen deutlich: Wir müssen weiter entschlossen handeln, damit unsere Wälder in Zukunft der Trockenheit und den höheren Temperaturen trotzen können. Das heißt: Mischwald statt Monokulturen. Nur gesunde Wälder speichern Kohlenstoff und wirken als unsere natürlichen Klimaanlagen. Mit unserem Wald-Klima-Paket stellen wir dafür insgesamt 900 Millionen Euro bereit, um die Waldbesitzenden beim klimagerechten Umbau der Wälder zu unterstützen. So schaffen die Betriebe Hektar um Hektar mehr Klimaschutz und Biodiversität, zukunftsfeste Wälder in ganz Deutschland und sichern den wertvollen, nachwachsenden Rohstoff Holz."

Der Wald erfüllt laut BMEL vielfältige Nutz- und Schutzfunktionen, ist Kohlenstoffspeicher und bildet eine unentbehrliche Lebensgrundlage für uns Menschen. Um Risiken rechtzeitig zu erkennen, ist eine langfristige Beobachtung unverzichtbar. Erst auf der Grundlage langer Messreihen kann beurteilt werden, wie sich Umweltveränderungen auf die Gesundheit der Wälder auswirken. Zur Überprüfung des Waldzustandes ist der jährliche Blick in die Kronen unablässig, denn die Kronenvitalität ist ein wichtiger Baustein zu Beurteilung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit unseres Waldes. Die bundesweite Waldzustandserhebung wird seit 1984 jährlich von den Ländern auf einem systematischen Netz (16 km x 16 km) von Stichproben durchgeführt. Das Bundesergebnis wird aus den von den Ländern bereitgestellten Rohdaten am Institut für Waldökosysteme des Thünen-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei) hochgerechnet.

Ergebnisse 2022

Insbesondere die Fichte litt unter den Dürreperioden der letzten Jahre, sogar auf Standorten mit guter Wasserversorgung und in oberen Höhenlagen der Mittelgebirge, die für das Wachstum der Fichtenwälder bislang als sehr geeignet galten. Auch die Vitalität der gemeinen Wald-Kiefer, die bisher als ein Hoffnungsträger im Klimawandel gilt, leidet. Nur noch 13 Prozent der Kiefern sind gesund. Auch die Laubbäume leiden unter mangelnden Niederschlägen und hohen Temperaturen. Die Buche hat mit einem Anteil von 45 Prozent deutlich geschädigter Kronen im direkten Vergleich den größten Anteil in dieser Schadklasse. Der Vitalitätszustand der Buche ist daher weiterhin kritisch zu bewerten. Auch bei der Eiche gibt es keine Besserung, die Entwicklung zeigt sich vergleichbar mit der des Vorjahres. Der Anteil deutlicher Kronenschäden liegt bei 40 Prozent.
2022 zeigte sich zudem als ein Jahr mit deutlicher Fruchtbildung, welche die Kronenvitalität zusätzlich zur Witterung und Nährstoffversorgung beeinträchtigt hat. Einen zusätzlichen negativen Einfluss auf die Hitzetoleranz der Bäume haben die weiterhin hohen Stickstoffeinträge und teilweise sauren Waldböden.

Der negative Zustand des Waldes wird laut BMEL auch deutlich durch die Totholzanteile der Stichprobenaufnahme. Diese liegt nun mit 3,5 Prozent auf einem neuen Höchststand. Auch die Ausscheiderate, also der Anteil der Bäume, die seit der letzten Erhebung abgestorben sind, liegt mit 6,7 Prozent höher als je zuvor. Die Ausscheidegründe sind dabei divers und reichen von Borkenkäferschäden über Dürreschäden, Windwurf und teilweisen oder vollständigen Blattverlust.

Waldeigentümer fordern ausreichende Finanzierung

Der Verband AGDW – Die Waldeigentümer fordert am 21.03.2023, dem Internationalen Tag des Waldes und dem Tag der Veröffentlichung des Waldzustandsberichtes, von Politik und Gesellschaft eine konsequente Fortsetzung der Förderung von Wiederaufforstung und Klimaanpassung der Wälder. „Der heute veröffentlichte Waldzustandsbericht der Bundesregierung zeigt, dass sich die negative Entwicklung der vergangenen Jahre im Jahr 2022 leider unvermindert fortgesetzt hat“, sagte AGDW-Präsident Prof. Andreas Bitter am Dienstag in Berlin. „Diese Botschaft ist am heutigen Internationalen Tag des Waldes, der dessen Bedeutung für Klimaschutz und Biodiversität hervorheben soll, mehr als schmerzlich“, so Bitter. Laut Waldzustandsbericht sind die Kronenverlichtungen im Durchschnitt aller Baumarten 2022 weiter auf einem sehr hohen Niveau. Vier von fünf Bäumen sind inzwischen krank, 35 % der Bäume sogar deutlich geschädigt, nur noch 21 % der Bäume zeigen keine Verlichtungen in der Krone. „Die Zahlen sind dramatisch“, kommentierte Bitter. In einigen Bundesländern liegen die Werte noch höher: Deutliche Schäden haben in NRW bereits 38 %, in Sachsen-Anhalt 39 % und in Thüringen sogar 50 % der Bäume.

Grund für den weiter verschlechterten Zustand des Waldes ist laut AGDW die Klimakrise: Trockenheit und Hitze verursachten auch 2022 zunehmende Schäden an den Bäumen, die durch Kalamitäten wie Käfer verstärkt wurde. „Die Klimaveränderung sorgt für fortschreitende Standortsveränderungen, so dass Baumarten auch dort, wo sie seit Jahrhunderten stehen, nicht überleben können“, sagte Bitter. Die enormen Kosten der Wiederaufforstung und des Waldumbaus seien von den Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern nicht mehr aus eigener Kraft zu stemmen. Ein zentrales und erfolgreiches Förderinstrument sei bisher die sogenannte GAK-Förderung, mit deren Geldern vor allem die Finanzierung der Wiederaufforstung unterstützt wird. Die für die Krisenbewältigung im Jahr 2018 bereitgestellten Sondermittel in Höhe von 800 Mio. Euro laufen jedoch in diesem Jahr aus. Die dringend notwendige Anschlussfinanzierung sei immer noch nicht gesichert, so Bitter: „Wir brauchen eine ausreichende GAK-Finanzierung, um die Generationenaufgabe Waldumbau zu sichern.“

Zusätzlich müssten die verbliebenen Wälder so schnell wie möglich an das veränderte Klima angepasst werden, forderte Bitter: Dazu diene die systematische Waldpflege durch eine nachhaltige Holznutzung. Nur so werden die Wälder angemessen licht gehalten, damit sich stabile Einzelbäume mit großen Kronen und eine möglichst baumartenreiche Naturverjüngung entwickeln können. Auf diese Weise entstehen sukzessive widerstandsfähige, strukturreiche Mischwälder aus Baumarten, die an den Standort angepasst sind. „Für die Sicherung der Holzversorgung ist es wichtig, dass wir neben heimischen Laubbaumarten auch zuwachsstarke Nadelbäume nachpflanzen“, sagte Bitter. Es dürfe nicht vergessen werden, dass Holz ein zentraler nachhaltiger Rohstoff ist, der beispielsweise in der Holz- und Möbelindustrie, aber auch im Baubereich dringend benötigt wird. Im Cluster Forst & Holz arbeiten rund 1,1 Millionen Menschen, und das vielfach im ländlichen Raum.