Özdemir: "Höfen klimafreundliche Moornutzung ermöglichen"

Um das Potential der Moore zu heben und mit einer nachhaltigen Bewirtschaftung in Einklang zu bringen, hat das Bundeskabinett der Nationalen Moorschutzstrategie, welche das Bundesumweltministerium vorgelegt hat, zugestimmt. Damit soll ein Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung geleistet sowie die für Moorgebiete typische Artenvielfalt besser geschützt und wiederhergestellt werden. Umweltverbände und der Bauernverband (DBV) sind sich einig, dass beim Moorschutz die Landwirtinnen und Landwirten mitgenommen werden müssen. Strittig ist, dass die Moorschutzstrategie bei der Umsetzung das Prinzip der Freiwilligkeit anstrebt.

Die Moorschutzstrategie gibt laut Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) den politischen Rahmen für alle Aspekte des Moorschutzes in Deutschland auf Bundesebene vor – und dient dazu, die Klima- und Bodenschutz- sowie Biodiversitätsziele zu erreichen.
Bundesminister Cem Özdemir: "Moorschutz ist ein echter Klimaschutz-Booster. In unseren Mooren ist enorm viel Kohlenstoff gespeichert, der besser im Boden bleibt. Intakte Moore speichern zudem Wasser wie Schwämme und sorgen in unseren Landschaften für einen gesunden Wasserhaushalt. Wie wichtig es gerade auch für die Landwirtschaft ist, natürliche Wasserspeicher zu fördern, das haben uns der trockene Sommer und die durchwachsene Ernte deutlich gezeigt."

Einen Schwerpunkt der Strategie bilden laut BMEL die land- und forstwirtschaftlichen Aspekte des Moorschutzes. Für entwässerte, derzeit land- und forstwirtschaftlich genutzte Moorböden werde es finanzielle Anreize für freiwillige Wiedervernässungsmaßnahmen im Rahmen des natürlichen Klimaschutzes geben. Entscheidend sei, dass mit der Moorschutzstrategie ein integrativer und kooperativer Ansatz gegangen wird. Damit stelle die Bundesregierung sicher, dass die betroffenen Landwirtinnen und Landwirte – aber auch die Bürgerinnen und Bürger – mitgenommen werden. Flächenbesitzende würden ebenso einbezogen wie auch entsprechende Kommunen und Verbände.

Özdemir: "Beim Moorbodenschutz heißt es alle an Bord zu holen: Für die Höfe muss es sich lohnen, klimafreundlich zu arbeiten. Viele Bauernfamilien wirtschaften seit Generationen auf Moorstandorten. Mit der Nationalen Moorschutzstrategie übernehmen wir genau hier Verantwortung. Nach dem Motto "Schützen und Nutzen" schaffen wir für die Landwirtinnen und Landwirte Anreize für einen echten Moorbodenschutz. Wir unterstützen die Betriebe dabei, klima- und artenvielfaltsfreundliche Bewirtschaftungsformen einzuführen."

Hierbei sollen laut BMEL nicht nur der Anbau von moorverträglichen Kulturen wie Reet oder Rohrkolben sowie die extensive Viehhaltung im Mittelpunkt stehen, die hohe Wasserstände gut vertragen. Auch die Entwicklung innovativer, ökologisch vorteilhafter Produkte und Dienstleistungen sowie die Schaffung von Vermarktungsketten gelte es entsprechend voranzutreiben und zu unterstützen. Dazu zähle beispielsweise die nachhaltige, naturverträgliche Energiegewinnung wie etwa Photovoltaik auf wiedervernässten, ehemals intensiv genutzten Moorböden.

DNR: Wesentlicher Hebel zum Klimaschutz

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßt die Moorschutzstrategie als wichtigen Schritt für Klima und Natur. „Der Schutz unserer Moore und die großflächige Wiedervernässung trockengelegter Moorböden ist ein wesentlicher Hebel zum Klimaschutz im Landnutzungssektor und muss künftig höchste Priorität haben“, kommentiert DNR-Geschäftsführer Florian Schöne. „Bei jährlichen Emissionen von 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten aus entwässerten Mooren ist die vorgesehene Reduktion von lediglich 5 Millionen Tonnen bis 2030 jedoch zu gering. Die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erfordern einen zügigen Entwässerungsausstieg. Dafür sind neben ambitionierteren Zielvorgaben auch verbindliche Instrumente notwendig.“

Aufbauend auf der Moorschutzstrategie brauche es wirksame Anreize sowie Initiativen, die auch ordnungs- und planungsrechtliche Instrumente umfassen, den Flächenzugriff vereinfachen und der Wiedervernässung Vorrang einräumen. Hierfür müsse man die Landwirtschaft mitnehmen, denn Moorschutz in der Fläche gehe nur mit den Landwirtinnen und Landwirten. „Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Aber nur auf Freiwilligkeit zu setzen, verkennt die Dimension der Herausforderungen“, so Schöne weiter. Daher müsse die klimaschädliche Förderung entwässerungsbasierter Nutzungsformen auf Moorböden, etwa über Mittel der EU-Agrarpolitik, schnellstmöglich beendet werden.

BUND: Entscheidender Schritt in die richtige Richtung

Der BUND begrüßt ebenfalls die neue nationale Moorschutzstrategie als einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung. „Mit der Verabschiedung im Kabinett wird sie nun zu einer Strategie der gesamten Bundesregierung. Das ist wichtig, denn Moore zu schützen und wieder herzustellen ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, die nur gemeinsam zu stemmen ist. Es gilt, intakte Moore zu schützen, zerstörte Moore wiederzubeleben und trockene Moorböden unter Wasser zu setzen“, erklärt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.
Der BUND fordert die Bundesregierung auf, die Moorschutzstrategie zügig fortzuschreiben und in der Zielsetzung anzuheben. „Derzeit entweichen aus den entwässerten Moorböden Deutschlands jedes Jahr rund 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das sind 6,7 Prozent der gesamten nationalen Treibhausgas-Emissionen. Alle Maßnahmen der Moorschutzstrategie sollen bis 2030 lediglich eine jährliche Einsparung von fünf Millionen CO2-Äquivalenten an Emissionen erreichen. Das ist viel zu wenig! Um Natur und Klima wirksam und großflächig zu schützen, braucht es zudem einen konkreten Fahrplan, der der jetzigen Strategie noch fehlt“, so der BUND-Vorsitzende.

Bauernverband: Moorvernässung muss im Einvernehmen und ohne Verdrängung der Landwirtschaft stattfinden

„Landwirte sind bereit, die Klimawirkung entwässerter Moorböden zu reduzieren, wenn die Betriebe eine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit behalten. Die kulturhistorische – und früher staatlich geförderte - Leistung der Urbarmachung der Moore zur Lebensmittelerzeugung darf nicht gegen die Menschen in den Moorregionen gekehrt werden. Die Landwirte fordern die Bundesregierung auf, dass in der Moorschutzstrategie festgehaltene angestrebte Prinzip der Freiwilligkeit zum Maßstab aller Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie zu machen“, erklärt der Generalsekretär des Bauernverbandes Bernhard Krüsken. Das Ziel der Freiwilligkeit und der Kooperation mit den Betroffenen dürfe nicht durch die angekündigten Veränderungen im Rechtsrahmen, sprich durch mehr Verbote und Beschränkungen unterlaufen werden. Es wäre nicht akzeptabel, wenn landwirtschaftliche Betriebe durch Auflagen auf Raten aus der Nutzung von Moorböden gedrängt werden. „Moorschutz und Verdrängung durch die Hintertür ist mit dem Vertrauensschutz nicht vereinbar“, so Krüsken.
Die Nutzung von Mooren zur heimischen Lebensmittelproduktion war, so der DBV, noch vor einigen Jahrzehnten ein staatlich gefördertes Ziel. Die geplante Wiedervernässung betreffe nicht nur einzelne landwirtschaftliche Flächen, sondern ganze Betriebe, Dörfer und ländliche Regionen. Das könne nur im Einvernehmen mit den Betroffenen erfolgen. Voraussetzung sei die Schaffung von gleichwertigen wirtschaftlichen Alternativen für die landwirtschaftlichen Betriebe und deren Familien. „Wir brauchen einen attraktiven und tragfähigen Markt für Erzeugnisse, die auf solchen wiedervernässten Standorten erzeugt werden können. Dazu zählt beispielsweise auch die Nutzung durch Fotovoltaik-Anlagen. Wo die Lebensmittelerzeugung mit intelligenten Wasserstandsmanagement machbar ist, muss sie weiterhin ermöglicht werden, da die Flächen die Wirtschafts- und Einkommensgrundlage der Betriebe darstellen“, erklärt Krüsken.

Zum Hintergrund schreibt das BMEL anlässlich der Vorlage der Moorschutzstrategie unter anderem: Moorböden stellen Deutschlands größten terrestrischen Kohlenstoffspeicher dar. Bis ins 20. Jahrhundert hat man 95 Prozent dieser Moore größtenteils für die Land- und Forstwirtschaft und – in kleinerem Umfang – für den Torfabbau trockengelegt. Dabei wurde und wird jedoch der Kohlenstoff aus dem Torf in Form des Treibhausgases CO2 allmählich freigesetzt. Das Wirtschaften auf gut einer Million Hektar kohlenstoffreicher, entwässerter Moorböden ist so für rund ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich. Nur eine teilweise oder vollständige Wiedervernässung dieser Flächen kann den Prozess der Torfzersetzung und die damit verbundenen Emissionen verlangsamen oder stoppen. Allerdings wird die Wiedervernässung bei den bewirtschaftenden Landwirten nur auf Akzeptanz stoßen, wenn es für die Flächen eine wirtschaftliche Perspektive gibt.

Eine mögliche Lösung stellt die Paludikultur dar, also die Kultivierung und Verwertung von Pflanzen, die an hohe Wasserstände angepasst sind. Auf Hochmoorböden kommen Torfmoose als Torfersatzstoff oder Sonnentau und Fieberklee für medizinische Zwecke in Frage, auf Niedermoorböden Schilf, Rohrkolben und Rohrglanzgras für Dämm- und Baustoffe, Biokohle oder die Energiegewinnung. Aber auch die Nutzung weiterer Pflanzen und die Herstellung innovativer Produkte ist denkbar. Ideen dafür hat das BMEL mit einem Förderaufruf "Moorbodenschutz über die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen aus der Paludikultur" eingeworben. Insgesamt wird das BMEL über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe bundesweit Modell- und Demonstrationsvorhaben mit über 100 Millionen Euro bis 2032 fördern.