China rockt den Agrarweltmarkt und unsere Preise

Schlaglichter auf die Rolle Chinas im Weltagrarhandel im Zeichen der Olympischen Ringe von Marktbeobachter Hugo Gödde

Es sind wieder Chinawochen in der Welt. Olympische Spiele, covid-Strategien, Überwachungsstaat oder Exportweltmeister mit Lieferkettenproblemen oder Rechtswillkür statt Menschenrechte – überall ist China drin. Auch im Welthandel mit Agrarprodukten geht nichts mehr ohne China. Selbst unsere Märkte und Preise stehen unter chinesischem Einfluss. Das ist nicht erst seit gestern so und gibt die Orientierung unserer Agrarmärkte an. Der sprichwörtliche Sack Reis, der in China umfällt, ist nicht mehr zu übersehen. China und der Fleischmarkt
Dass das Reich der Mitte mit fast 50% der Weltproduktion den Schweinemarkt seit Jahren bestimmt, ist hinlänglich bekannt. 2018 hat die Afrikanische Schweinepest (ASP) über 200 Mio. Schweine dahingerafft und den Weltmarkt durcheinandergewirbelt. Der Importbedarf stieg in ungeahnte Höhen und die Exporteure aus USA, Brasilien und EU rieben sich die Hände. Auch die deutschen Schweinehalter profitierten vorübergehend vom Elend der ASP für die chinesischen Bauern. Das Wirtschaftsjahr 2019/2020 entwickelte sich für sie zum „goldenen Jahr“. Dann kamen Corona und die ASP nach Deutschland und vom jähen Absturz hat man sich bis heute nicht erholt. Dagegen baute Peking seine Schweinehaltung mit großem Subventionsaufwand in kurzer Zeit wieder auf, so dass die Importe schon in 2021 um 12% fielen, aber immerhin noch 12 Mrd. € betrugen. 75% entfielen auf Fleisch und 25% auf Nebenprodukte. Der Trend ist drastisch, im Dezember fiel der Rückgang auf 61% gegenüber dem Vorjahr. Die Einfuhren sollen im laufenden Jahr weiter gesenkt werden. Zugleich ist der Konkurrenzkampf unter den Exportländern entbrannt, wer es am günstigsten kann. Deutschland, vor Corona ein big player im Chinageschäft, ist im letzten Jahr um 99,5% abgestürzt. Die eigens für den Weltmarkt aufgebauten Überschüsse drücken die Preise in den Keller. Spanien, Dänemark sind euphorisch in die Lücke gesprungen, kommen aber jetzt auch in Absatzprobleme und Preiskämpfe. Die globalen Importwünsche aus China werden von Analysten für dieses Jahr unterschiedlich bewertet, aber die Aussichten für die heimischen Schweinehalter bleiben trübe. Zu lange hat man auf den Drittlandsexport gesetzt. Für Rindfleisch sieht es zurzeit anders aus. Der chinesische Konsument ist angesichts der horrend gestiegenen Preise für Schweinefleisch auf Rind (und vor allem Geflügel) ausgewichen. Rindfleischeinfuhren stiegen um 23% auf 11,3 Mrd. € und für 2022 wird mit weiter anziehenden Importen besonders aus Südamerika gerechnet. Das würde den europäischen Markt entlasten, der mit der eigenen Erzeugung knapp ausreichend versorgt ist. Rindfleischpreise vorherzusagen hat sich im letzten Jahr als Risiko erwiesen. Bei aller Vorsicht spricht aber einiges dafür, dass in den nächsten Monaten die Rinderpreise hoch bleiben. Ob die aktuelle Rekordhöhe von fast 5 €/kg für Bullenfleisch gehalten werden kann, bleibt aber noch ein „Geheimnis des Marktes“. China und der Milchmarkt
Seit einigen Jahren hat die chinesische Mittelschicht Milch als attraktives Nahrungsmittel entdeckt. Vor allem in der Kindernahrung werden Milchprodukte verstärkt eingesetzt. Deshalb ist der Milchpulvermarkt attraktiv für alle Exportländer, was besonders Neuseeland für seine hohe Exportquote nutzt. Die Nachfrage der Volksrepublik nach Milchprodukten entwickelte sich nach der Lockerung der Coronaauflagen wieder schwungvoll. Die Einfuhr stieg um 17% auf 4 Mio. Tonnen in 2021. Inzwischen ist auch der Markt mit Flüssigmilch interessant. Zugleich muss die Regierung einräumen, dass die heimische Produktion nicht so schnell wächst wie gewünscht. Auch die Kooperation mit dem neuseeländischen Milchriesen Fonterra war mäßig erfolgreich. Dadurch bleibt der chinesische Markt weiterhin interessant, dennoch sind die großen Spannen der 2010er Jahre für die Molkereikonzerne vorerst nicht zu erwarten. Auch bei Friesland/Campina und Arla ist die Euphorie gewichen. China ist nicht mehr die Melkkuh des globalen Marktes, zumal die Regierungsstrategie der Souveränität in der Eigenversorgung verkündet ist. Das führt dazu, dass die Politik bei joint ventures (Unternehmenskooperationen) eher auf Zuchtprogramme, Produktions- und Molkereitechniken sowie landwirtschaftliche Forschung und Beratung setzt, um die Importe mittelfristig zu senken. Aktuell und in nächster Zeit sind EU-Exportgeschäfte vielleicht lukrativer als die Pflege des heimischen Marktes. Aber eine Vernachlässigung könnte sich später rächen. Für die Milchbäuerinnen und -bauern bieten sich in den nächsten Monaten Preisspielräume, die man nutzen kann und muss, da die Kosten sonst davonlaufen. China, Getreide und Soja
Chinas Ackerbaufläche ist begrenzt. Nur etwa 15% der Fläche des Riesenreiches sind bebaubar. Dadurch sind die Getreideernten seit jeher ein Maßstab für die Armutsbekämpfung. Das Getreide „entscheidet über die Entwicklung und Stabilität unserer Nation“, wie Regierungspolitiker immer wieder betonen. Tatsächlich verdoppelte sich die Getreideproduktion in den letzten 30 Jahren. Da aber die Schweinebestände wieder stark aufholten, stieg der Bedarf an Futtermitteln kräftig an und trieb die Importe in ungeahnte Höhen. Wichtigstes Einfuhrgut waren 2021 die Sojabohnen, die zu Sojaschrot verarbeitet in Schweine- bzw. Geflügelmägen landeten und 48 Mrd. € kosteten – plus 35% gegenüber Vorjahr bei fast gleicher Menge. Die hohen Eiweißpreise führten zu Verschiebungen zugunsten des preiswerteren Maises und Weizens. In der Folge schnellten die Getreideimporte um 84% auf 65 Mio. t nach oben, was wiederum die Preise weltweit anschwellen ließ, so dass sich wertmäßig die Getreideeinfuhren auf 13 Mrd. € mehr als verdoppelten. Neben den Wetterunbilden bei der Produktion in Südamerika, Kanada, Ukraine, Russland und den USA und den systemischen Spekulationen an den Getreidebörsen hat also auch der Futterhunger des chinesischen Viehs seinen Beitrag zu den explodierenden Getreidepreisen in Europa geleistet. Noch im Sommer erwarteten Marktkenner hier für das Erntejahr einen Preis von ca. 20 bis 22 €/dt. Tatsächlich wird aktuell ca. 30% mehr gezahlt, was die Ackerbauern freut, die Tierhalter aber in noch größere Kostenprobleme stürzt. Neuer Rekord bei Agrarimporten
Insgesamt haben die Agrar- und Ernährungsgüter die Einfuhrrechnungen des mit 1,4 Mrd. Menschen bevölkerungsreichsten Landes der Erde zu Rekordausgaben auf 197 Mrd. € getrieben. Da gleichzeitig Agrarprodukte (besonders Aquaprodukte, Gemüse und Pilze) für 75 Mrd. € exportiert wurden, hat China ein Handelsminus von 120 Mrd. €. Weil Peking aber insgesamt einen Handelsbilanzüberschuss von 450 Mrd. € zu verzeichnen hat, sind die Einbußen verkraftbar. Chinas Außenhandel ist weiterhin der Treiber des globalen Wachstums, aber auch der globalen Risiken. Welche dominierende Rolle China inzwischen in der Weltgemeinschaft spielt, kann man auch an den zurückhaltenden Reaktionen z.B. des Westens („diplomatischer Boykott“) während der Winterolympiade erkennen. Auch die europäische Landwirtschaft, ihre Absatzwege und Preise sowie die Einkommen der heimischen Bäuerinnen und Bauern sind eng mit den Aufs und Abs der größten Volkswirtschaft in Ostasien verbunden. Die Abhängigkeiten sind groß und wachsen noch. Der Wettbewerb wird härter und erzeugt einige Groß-Gewinner und voraussichtlich mehr Verlierer. Und von den Risiken des Klimawandels wurde noch gar nicht geredet.
08.02.2022
Von: Hugo Gödde

Herausforderungen (nicht nur) in Zeiten der Olypischen Spiele.