Bolsonaro bedroht Ernährungssicherheit in Brasilien

Mit der provisorischen Maßnahme Nr. 870 vom 1. Januar 2019 hat die Regierung Brasiliens den Nationalen Rat für Ernährungssicherung (Conselho Nacional de Segurança Alimentar e Nutricional – Consea) aufgelöst. Diese Maßnahme wird von vielen Menschen in Brasilien als erster Schritt des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro zur Auflösung der Politik für die Ernährungssicherheit gesehen. Die Organisation Slow Food ruft daher dazu auf, eine von FIAN-International gestartete Petition zum Erhalt des Ernährungsrates zu unterzeichnen. Der Consea wurde 1994 eingerichtet, 1995 aufgelöst und 2003 wieder aktiviert als direktes Beratungsorgan für die Präsidentschaft der Republik, um die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Gestaltung der Ernährungspolitik zu institutionalisieren. Er besteht zu zwei Dritteln aus Vertretern der Zivilgesellschaft und einem Drittel aus Regierungsvertretern und übte eine bedeutende Rolle als institutioneller Raum für die gesellschaftliche Kontrolle und Mitbestimmung am Aufbau, der Überwachung und Bewertung der Politik zur Ernährungssicherung aus. Kurz gesagt, war der Rat ein Modell für die gesellschaftliche Beteiligung, die zum Modell für mehrere Länder geworden ist. Im Rat wurden wichtige Vorschläge diskutiert, die dann zu politischen Maßnahmen bzw. öffentlichen Initiativen wurden, um den Hunger zu bekämpfen und eine gesunde, angemessene Ernährung zu garantieren. Zu den vielen Erfolgen, die der Rat erreichte, gehören die in die Verfassung aufgenommene Anerkennung des Rechts auf eine angemessene Ernährung (Verabschiedung 64, Artikel 5 der Bundesverfassung), das Null-Hunger-Programm, der Ernteversicherungsprogramm Safra für Kleinlandwirte, also Maßnahmen der nationalen Politik für die Verbreitung und Unterstützung der Agrarökologie und des biologischen Anbaus, sowie das Programm für den Lebensmittelankauf, mit dem öffentliche Institutionen (wie Schulkantinen) Produkte aus Kleinlandwirtschaft kaufen können. Dank dieser Maßnahmen ist Brasilien seit 2014 nicht mehr auf der Welthungerkarte der FAO verzeichnet. Und nicht nur das, heißt es bei Slow Food,,der Consea eröffnete neue, wichtige Fronten, denn er förderte eine pestizidfreie Landwirtschaft und gesunde Lebensmittel für alle. Den Rat zu schließen, wird von vielen Brasilianern als ein weiterer Angriff auf den schwächsten Teil der Bevölkerung angesehen. Der Vorsitzende von Slow Food Brasilien und Mitglied des internationalen Beirats von Slow Food, Georges Schnyder, fasst die Gründe wie folgt zusammen: „In Brasilien ist die Basis der Slow-Food-Bewegung ein flächendeckendes Netz aus Kleinbauern, urbanen und stadtnahen Landwirten, indigenen Völkern, Quilombolas (Nachkommen von afrikanischen Sklaven) und anderen traditionellen Gemeinschaften, handwerklichen Fischern und Sammlern sowie verantwortlichen Verbrauchern und urbanen Aktivisten, die das Recht auf gute, saubere und faire Lebensmittel verteidigen. Dieses Netzwerk ist heute im Consea vertreten und nimmt an den Diskussionen über das Menschenrecht auf angemessene Ernährung teil. Wir dürfen diesen Raum nicht verlieren, das Recht auf Nahrung ist der wichtigste Aspekt unserer Bewegung.” Angesichts der Zunahme von Hunger in der Welt hatten im letzten Jahr in einem gemeinsamen Appell fünf UN-Organisationen – die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), der Internationale Fond für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), das UN-Kinderhilfswerk UNICEF, das Welternährungsprogramm (WFP) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – zu verstärkten Anstrengungen aufgerufen, um verschiedene Formen von Hunger und Mangelernährung zu beseitigen. "Die alarmierenden Zeichen von zunehmender Ernährungsunsicherheit und einem hohen Niveau von verschiedenen Formen der Mangelernährung sind eine klare Warnung", schreiben die Leiter der fünf UN-Organisationen. "Wenn wir bis zum Jahr 2030 eine Welt ohne Hunger und Mangelernährung erreichen wollen, ist es zwingend notwendig, dass wir unsere Maßnahmen beschleunigen und ausweiten. Nur so können wir die Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit von Ernährungssystemen und Erwerbsmöglichkeiten stärken, damit die Menschen für Klimaschwankungen und Wetterextreme gerüstet sind."
05.02.2019
Von: FebL/PM