Die Bayer AG konnte auf ihrer diesjährigen Hauptversammlung, die von zahlreichen Protesten begleitet war, steigende Umsätze und Profite verkünden, vor allem auch im Agrargeschäft. Doch nach wie vor beschäftigen die mit der Tochter Monsanto verbundenen Rechtsstreitigkeiten den Konzern. Erste Verfahren stehen nun auch in Deutschland an. Bereits im Vorfeld der Hauptversammlung hatten Vertreter:innen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), des Gen-ethischen Netzwerks (GeN) und der IG Saatgut ihre Kritik am Bayern-Konzern formuliert, die strenge Regulierung bei neuen Gentechniken und den Stopp von Patenten gefordert.
Für 2021 meldete die Bayer AG einen um 8,9 Prozent auf 44,1 Milliarden Euro gewachsenen Umsatz. Der Gewinn betrug eine Milliarde Euro, nachdem der Konzern 2020 ein Minus von 10,5 Milliarden Euro eingefahren hatte. „Bayer ist auf dem richtigen Weg“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann auf der virtuellen Hauptversammlung und bezeichnete den Start ins Jahr 2022 als „sehr erfolgreich“. „Gerade im Agrargeschäft sehen wir ein deutlich positiveres Marktumfeld als in den vergangenen Jahren“, sagte Baumann. Wenig verändert hat sich dagegen das juristische Umfeld des Konzerns, in dem die Glyphosatklagen in den USA das finanziell gewichtigste Thema sind, aber nicht das einzige.
Nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen über zukünftige Glyphosatklagen hofft Bayer weiterhin auf eine für den Konzern positive Entscheidung des Supreme Courts im Juni. Dort soll es darum gehen, ob der Konzern vor den Gefahren des Totalherbizids hätte warnen müssen, oder ob das Bundesrecht in den USA das ausschließt. Das Unternehmen sei für jeden Ausgang des Berufungsverfahrens gut vorbereitet, sagte Baumann auf der Hauptversammlung. Er musste dafür allerdings im zweiten Quartal 2021 die Rückstellungen um 3,5 Milliarden Euro aufstocken. Zum Stand der Klagen hieß es im Geschäftsbericht mit Stand 1. Februar 2022, „dass von inzwischen insgesamt ca. 138.000 angemeldeten Ansprüchen ca. 107.000 verglichen sind oder aus verschiedenen Gründen nicht die Vergleichskriterien erfüllen“. Die Rückstellungen für Vergleiche bestehender und künftiger Glyphosat-Klagen bezifferte der Konzern zum 31. Dezember 2021 auf 7,5 Milliarden US-Dollar. Das entspricht etwa 7,1 Milliarden Euro, während der Konzern für alle anderen Rechtsstreitigkeiten 1,9 Milliarden Euro auf die Seite gelegt hat.
Auch von dieser Summe entfällt noch ein großer Teil auf Monsanto. Denn zahlreiche Kommunen und mehrere Bundesstaaten in den USA machen die Bayer-Tochter als früheren Hersteller von PCB für Umweltschäden verantwortlich, die durch diese schwer abbaubare Chemikalie verursacht wurden. Laut Geschäftsbericht ist ein Vergleich mit 2500 Kommunen im Umfang von 650 Millionen US-Dollar (618 Millionen Euro) abgeschlossen, aber noch nicht umgesetzt. Vor kurzem habe das zuständige Gericht den Vergleich vorläufig genehmigt, sagte Baumann auf der Hauptversammlung. Mit fünf Bundesstaaten hat Bayer sich für 275 Millionen Dollar (262 Millionen Euro) verglichen, vier Klagen laufen noch. „Es wird erwartet, dass eine geringe Zahl weiterer Bundesstaaten folgen wird“, hieß es im Geschäftsbericht. „Monsanto ist darüber hinaus mit einer Vielzahl von Klagen wegen des Gebrauchs von und der Exposition gegenüber PCB-Produkten konfrontiert“, schrieb der Konzern weiter. Er berichtete von zwei Geschworenenurteilen aus dem Jahr 2021, in denen elf Mitarbeitern einer Schule im US-Bundesstaat Washington insgesamt 247 Millionen Dollar (235 Millionen Euro) Schadenersatz zugesprochen wurden. Bayer will in Berufung gehen.
Die meisten Klagen wegen Ernteschädigungen durch das Bayer-Pestizid Dicamba hat der Konzern verglichen. „Nach den bisher erfolgten Auszahlungen beträgt die verbleibende Rückstellung für Vergleiche 0,3 Mrd. USD“, heißt es im Geschäftsbericht. Offen sind noch der erste Dicamba-Prozess, den Bayer gegen die Pfirsichfarm Bader in erster Instanz verloren hat, sowie „eine kleine Anzahl von neu eingereichten Klagen“. In Kanada haben Imker inzwischen Anträge auf Sammelklagen gegen Bayer eingereicht, um den Konzern für Schäden durch seine neonikotinoidhaltigen Insektizide zur Verantwortung zu ziehen.
Neu im Geschäftsbericht ist bei rechtlichen Risiken der Punkt Anlegerklagen. Dort steht: „In Deutschland und den USA machen Anleger gerichtlich Schadenersatzforderungen wegen Kursverlusten gegen Bayer geltend.“ Die Kläger argumentieren „Bayer hätte den Kapitalmarkt über die Risiken, insbesondere im Hinblick auf Produkthaftungsklagen zu Glyphosat in den USA, nicht ausreichend aufgeklärt“, schrieb der Konzern. In Deutschland waren Ende 2021 „zwei Gerichtsverfahren rechtshängig, die sich noch in einem frühen Stadium befinden. Ein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz wurde beantragt“. Nach Angaben des Magazins Finance fordern 320 Investoren insgesamt 2,2 Milliarden Euro Schadenersatz (der Infodienst berichtete).
Kritik am Bayer-Konzern
Die Umwelt- und Gesundheitsschäden, die die Bayer AG mit ihren Produkten verursacht, waren auch Thema zahlreicher Proteste zivilgesellschaftlicher Gruppen. Sie wurden sowohl vor der Konzernzentrale als auch online vorgetragen und in mehreren Stellungnahmen in die Hauptversammlung eingebracht. Videostatements finden sich auf der Hauptversammlungs-Webseite. Die Redner*innen „werfen dem Konzern vor, eine Rendite-Jagd zu Lasten von Mensch, Tier und Umwelt zu betreiben und fordern deshalb gemeinsam die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat“, bilanzierte die Coordination gegen Bayer-Gefahren, deren ausführliche Statements auf ihrer Homepage nachzulesen sind.
Rechte an geistigem Eigentum spielen eine wichtige Rolle bei Innovationen, einschließlich den Entwicklungen in der Pflanzenzüchtung. Mit diesen Worten hat die Bayer AG die Kritik gentechnikablehnender Organisationen, darunter die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), an ihrem Kurs zurückgewiesen. Es gehe darum, Nutzpflanzen widerstandsfähiger, weniger ressourcenintensiv und ertragreicher zu machen. Diese Innovationen trügen dazu bei, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und die Ernährungssicherheit zu unterstützen, betonte Bayer gegenüber Agra-Europe (AgE), wie AgE meldet. Die AbL hatte ihre Kritik am Bayer-Konzern bereits im Vorfeld der Hauptversammlung formuliert.
Pia Voelker vom Gen-ethischen Netzwerk (GeN) erklärt: „Neue Gentechnik-Verfahren wie CRISPR/Cas und damit entwickelte Pflanzen sind Gentechnik und müssen als solche reguliert bleiben. Ein wichtiger Grund dafür sind die bisher nicht ausreichend erforschten Risiken. Wie viel der von Bayer gezahlten Forschungsgelder in die Risikoforschung fließen und wie genau diese Risikoforschung aussieht, bleibt leider intransparent. Wäre Bayer ein verantwortungsbewusster Konzern, dann müsste er sich für eine strenge Regulierung der neuen Gentechnik-Verfahren und eine umfassende Risikoprüfung einsetzen, da die Auswirkungen der Risiken der neuen Gentechnik-Verfahren für die komplexen Ökosysteme noch kaum erforscht sind.“
Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. ergänzt: „Gerne behauptet auch Bayer, dass mit neuen Gentechnik-Verfahren schnell Pflanzen erzeugt werden, die sich an den Klimawandel anpassen könnten. Neue Gentechniken wären angeblich einfach und billig und bäten deshalb auch Chancen für kleine und mittlere Züchtungsunternehmen. Schon jetzt haben die großen Konzerne, darunter Bayer, zum Teil exklusive Kooperationsverträge mit den Erfinder:innen neuer Gentechnik-Verfahren abgeschlossen, so dass eine freie Nutzung der Techniken schon heute – 10 Jahre nach Entdeckung von bspw. CRISPR/Cas – kaum noch möglich ist. Zudem erschweren bzw. verhindern die vielen Patentanmeldungen auf neue Gentechnik-Pflanzen, auch von Bayer, die Nutzung von genetischen Ressourcen für andere Züchter:innen. Der Patentdschungel wird immer dichter. Wir fordern Bayer auf, alle Patente auf Pflanzen und Techniken zurückzuziehen und ihre pflanzengenetischen Ressourcen allen Züchtern zur Verfügung zu stellen. Nur so kann der Zugang zu genetischen Ressourcen gesichert werden. Das ist die Grundlage gerade auch für die Züchtung widerstands- und anpassungsfähiger Sorten.“
Und zur Rolle der Unternehmen kommentiert Eva Gelinsky von der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut): „Die großen marktbeherrschenden Unternehmen, darunter auch Bayer, machen kaum öffentlich, an welchen neuen gentechnischen Pflanzen/Eigenschaften sie arbeiten. Eine Transparenz über die weitere Marktentwicklung aber wäre wichtig, um ein funktionierendes Monitoring zu gewährleisten. Recherchen zeigen, dass die Pflanzen, die kurz vor der Markteinführung stehen sollen, kaum den versprochenen Beitrag zu einer «nachhaltigeren» oder gar «klimaresilienten» Landwirtschaft leisten werden. Um die drängenden Probleme in der Landwirtschaft zu lösen, sollten auch Unternehmen wie Bayer daher endlich umsteuern und nicht mehr auf gen- und biotechnologische Verfahren und Produkte setzen.“
Mit Material des Informationsdienst Gentechnik.