Das AgrarBündnis fordert eine bessere Anpassung von Politik und Rechtsrahmen an die Ansprüche von Lebensmittelhandwerk und Direktvermarktung. Vorschläge für eine Agrar- und Verbraucherpolitik, die sich auch an diesen Ansprüchen ausrichtet., finden sich in einem jetzt vom AgrarBündnis vorgelegten Diskussionspapier mit dem Titel „Handelshemmnisse für die hofnahe Verarbeitung und die Direktvermarktung beseitigen!“.
Trotz aller Verbrauchertrends zu Qualität und Regionalität ist nach Ansicht des AgrarBündnis die Situation des Lebensmittelhandwerks und der landwirtschaftlichen Direktvermarktung schwierig. Das liege zum Teil an hohen Stückkosten, vor allem aber an politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Erfordernissen von Lebensmittelhandwerk und Direktvermarktung nicht gerecht werden.
„Die Europäische Kommission und auch die Bundesregierung setzen in ihrer Agrarpolitik immer noch auf billige Massenproduktion für den Weltmarkt. Das führt zu einem massiven Strukturwandel in der Landwirtschaft sowie zu Kollateralschäden für Umwelt, Klima und Tiere“, heißt es beim AgrarBündnis. Angesichts der großen Risiken auf den Weltmärkten setzten viele Bauern und Bäuerinnen und das Lebensmittelhandwerk auf handwerkliche Verarbeitung und Direktvermarktung und treffen dabei auf Konsumtrends hin zu mehr Regionalität, zu mehr Qualität, zu mehr Fairness bei der Preisgestaltung und zu mehr Transparenz (wissen, wo es herkommt).
Aber die Bedingungen für Lebensmittelhandwerk und Direktvermarktung sind schwierig. Die notwendige regionale Kooperation vom Acker bis zum Teller funktioniert nach Ansicht des AgrarBündnis oft nicht mehr, weil es aufgrund des Strukturwandels viele in dieser Kette notwendige Produktions- und Verarbeitungsbetriebe einfach nicht mehr gibt. Zugleich sind die Anforderungen für Produzenten, Verarbeiter und Händler gestiegen. Vor allem die Rechtsvorschriften haben inzwischen eine extrem hohe und teilweise widersprüchliche Komplexität erreicht. Ihre flexible Auslegung, wie sie von der Europäischen Union vorgesehen ist, kann für das Lebensmittelhandwerk ein Vorteil sein. Doch in der Praxis variiert die Umsetzung der Lebensmittelkontrolle und Zulassungsvorschriften von Landkreis zu Landkreis. Sie ist wenig transparent und oftmals von Willkür und geringen Kenntnissen handwerklicher Bedingungen und tatsächlicher Risiken geprägt.
Die vom AgrarBündnis analysierten Ursachen für den Strukturwandel im Lebensmittelhandwerk sind vielfältig. Wesentlich sind hohe Stückkosten sowie ein hoher Kostendruck durch die konkurrierende Lebensmittelindustrie. Hinzu kommt eine ausufernde Bürokratie, die gleichzeitig als wenig zielführend erlebt wird. Gerade die Vorschriften zur Lebensmittelhygiene und -kontrolle sind in der Regel nicht auf handwerkliche Verfahren ausgerichtet, sondern auf die speziellen Risiken einer industriell-arbeitsteiligen Produktion. Hinzu kommen zahlreiche und sich ständig ändernde standardisierende und normativ wirkende Beschlüsse, wie beispielsweise DIN-Vorschriften. Das Handwerk will diese Form der Standardisierung gar nicht und kleineren Betrieben ist es gar nicht möglich, ständig auf dem Laufenden zu bleiben.
Landwirte haben zusätzlich das Problem, dass sie ihren Betrieb beim Einstieg in die eigene Verarbeitung und Vermarktung in zwei Teile aufteilen müssen - Landwirtschaft und Verarbeitung – für die jeweils andere Vorschriften gelten. Künftig wird zusätzlich der Fachkräftemangel zu einem Problem, ganz unabhängig davon, wie es der übrigen Wirtschaft geht. Denn die derzeitige Berufsausbildung zielt am Bedarf von direkt vermarktender Landwirtschaft und Handwerk vorbei. Hemmend wirkt auch die fehlende Forschung zu Fragen von Kleinbetrieben und Handwerk.
Das AgrarBündnis ruft daher zum Handeln auf. Die derzeit praktizierte flexible Auslegung von Rechtsvorschriften kann zwar gute betriebsindividuelle Lösungen ermöglichen. Um die vorhandenen Ermessensspielräume jedoch hilfreich im Sinne des Lebensmittelhandwerks und der direkten regionalen Vermarktung ausschöpfen zu können, ist Folgendes erforderlich:
- eine veränderte, an die Produktionsverfahren von Handwerk und Direktvermarktern angepasste Risiko- und Technikfolgenabschätzung durch den Verordnungsgeber,
- verstärkte Forschung und Entwicklung für Handwerk und Kleinbetriebe sowie ein entsprechender Aufbau von Beratungsstrukturen, die dieses Wissen weitervermitteln,
- Verbesserung des Wissensaustauschs zwischen lokalen Kontrollbehörden und Produzenten sowie die Einrichtung von Clearingstellen zur Lösung von Konflikten,
- Verstärkung der Lobbyarbeit von Handwerk und Direktvermarktern,
- Wandel der Berufsausbildung und geeignete Fortbildungsangebote sowie Wissensaustausch unter Lebensmittelhandwerkern und Landwirten,
- die Unterstützung partizipativer Organisationsformen von Produzenten und Konsumenten bzw. Bürgern.
In Abwägung aller Vor- und Nachteile bedarf es auch bestimmter Ausnahmeregelungen für Handwerk und Kleinbetriebe.
Das mit finanzieller Unterstützung der landwirtschaftlichen Rentenbank erstellte Diskussionspapier findet sich
hier.