Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert die Politik auf, bei den Lebensmittelpreisen für Transparenz zu sorgen und hat ein Gutachten vorgelegt, das zeigt, dass eine Preisbeobachtungsstelle für mehr Transparenz und faire Preise auch in Deutschland umsetzbar ist. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) unterstützt die Forderung der Verbraucherzentrale.
Nach wie vor weiß in Deutschland niemand, wie die Lebensmittelpreise entstehen, heißt es bei der vzbv mit Verweis auf andere europäische Länder, in denen es Preisbeobachtungsstellen gibt, die Preise und Kosten vom Acker bis ins Supermarktregal erfassen. „Die Bundesregierung muss endlich Licht ins Dunkel der Preisgestaltung bei Lebensmitteln bringen. Eine Preisbeobachtungsstelle kann unfaire Praktiken aufdecken und so Verbraucher:innen vor zu hohen Preisen an der Ladentheke schützen. Länder wie Spanien und Frankreich machen es vor. Deutschland muss nachziehen“, so Ramona Pop, Vorständin des vzbv.
Lebensmittelpreise als Black Box
Seit dem Jahr 2021 sind die Lebensmittelpreise in Deutschland laut vzbv insgesamt um fast 33 Prozent gestiegen, während die Gesamtinflationsrate bei 20 Prozent liege. Die hohen Preise bei Lebensmitteln lassen sich nach Ansicht der vzbv nicht allein durch höhere Produktionskosten erklären. Wie sich die Preise zusammensetzen und wer am Ende wie viel Gewinn einstreicht, sei unklar. Mit einer Preisbeobachtungsstelle ließen sich Rückschlüsse auf Inflationstreiber ziehen.
„Die Lebensmittelpreise gleichen einer Blackbox. Die hohen Umsätze der Lebensmittelindustrie geben Anlass zur Vermutung, dass hier auf Kosten von Verbraucher:innen Kasse gemacht wird. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung wird immer mehr zu einer Frage des Geldbeutels. Das darf nicht sein“, so Pop.
Preisbeobachtungsstelle auch in Deutschland möglich
Der vzbv hat bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Das Gutachten zeigt: Eine Preisbeobachtungsstelle entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette – also von der Erzeugung bis zum Verkauf – lässt sich in Deutschland umsetzen. Viele notwendige Daten sind bereits vorhanden. Um die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken, sollte die Bundesregierung bestehende Datenlücken identifizieren und schließen. Meldeverordnungen müssen angepasst oder neu eingeführt werden.
„Die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Faire Lebensmittelpreise für Verbraucher:innen sollten eine Selbstverständlichkeit sein“, so Pop.
Vorhandene Strukturen nutzen: Einrichtung beim BLE
Aus Sicht des vzbv sollte die Preisbeobachtungsstelle bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angesiedelt werden. So können die dort bereits bestehenden Strukturen und Ressourcen genutzt und darauf aufgebaut werden. Der Fokus der Preisbeobachtungsstelle sollte zunächst auf frischen, wenig verarbeiteten Grundnahrungsmitteln liegen und im Anschluss auf weitere Produkte ausgeweitet werden. Die Ergebnisse der Preisbeobachtung sollten dem Bundestag in Form eines jährlichen Berichts vorgelegt werden. Auf dieser Basis könnte der Gesetzgeber die Wettbewerbssituation im Agrar- und Lebensmittelmarkt diskutieren und politische Maßnahmen ableiten.
Preisbeobachtung auf EU-Ebene
Die Europäische Kommission widmet sich ebenfalls der Preisbeobachtung. Sie hat im April 2024 die Agriculture and Food Chain Observatory (AFCO) eingerichtet. Aus Sicht des vzbv sollte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für einheitliche Berichtspflichten sowie einheitliche Auswertungs- und Erhebungsmethoden einsetzen. So werde eine Preisbeobachtung im gesamten europäischen Binnenmarkt möglich.
AbL: Es ist ein krankes System
Ottmar Ilchmann, AbL-Milchbauer und Landesvorsitzender Niedersachsen, begrüßt die Forderung des vzbv. "Das Gutachten der Verbraucherzentrale Bundesverband kommt zu dem Schluss, dass die gestiegenen Lebensmittelpreise sich nicht allein durch höhere Produktionskosten erklären lassen. Das können wir Bäuerinnen und Bauern nur bestätigen. Die Butterpreise haben ein Allzeithoch und sind doppelt so hoch wie üblich. Die Milch am Spotmarkt, also die Menge, die derzeit direkt zwischen den Molkereien verkauft wird, wird zu Preisen über 60 Cent das Kilogramm Milch gehandelt. Wir Bäuerinnen und Bauern werden daran nicht beteiligt. Die größte Genossenschaftsmolkerei Deutsches Milch Kontor zahlt im Juli weniger als 47 Cent aus. Es ist krankes System, die Verbraucher:innen sind aufgrund hoher Lebensmittelpreise belastet, wir Bäuerinnen und Bauern verdienen nicht genug, um unsere Produktionskosten zu decken. Deshalb unterstützen wir die Forderung der Verbraucherzentrale Bundesverband nach einer Preisbeobachtungsstelle. Außerdem fordern wir von der Politik, dass wir endlich Verträge mit Preisen vor Lieferung abschließen dürfen und damit unsere Milch am Markt verkaufen können", so Ilchmann.
