AbL: BMEL streicht soziale Gerechtigkeit aus Gesetzentwürfen zur zukünftigen Agrarpolitik

Am Montag melden Medien, dass sich das Bundesumwelt- und das Bundeslandwirtschaftsministerium nach monatelangem Ringen auf einen Kompromiss zur Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland verständigt haben, der in wesentlichen Teilen auf den Beschlüssen der Agrarministerkonferenz (AMK) beruht und am Dienstag, dem 13. April, dem Bundeskabinett als Grundlage zur dortigen Entscheidung dienen soll. Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) lassen die Gesetzentwürfe „massiv an sozialer Verantwortung vermissen“. Naturschützer halten die bekanntgewordenen Entwürfe für „ernüchternd“. Die Gesetzentwürfe zur nationalen Ausgestaltung der zukünftigen EU-Agrarpolitik sehen den Medienberichten zufolge unter anderem einen Anstieg der Umschichtung in 2022 auf 8 Prozent mit einer Steigerung auf 15 Prozent in 2026 und, wie von der AMK beschlossen, 25 Prozent für Öko-Regelungen (Eco-Schemes) vor. Eine Degression und Kappung der Direktzahlungen soll es nicht geben. Der Maßnahmenkatalog im Rahmen der Öko-Regelungen sollen über den AMK-Beschluss hinausgehend um folgende Punkte erweitert werden: die Extensivierung des gesamten Dauergrünlands des Betriebs; die ergebnisorientierte extensive Bewirtschaftung von Dauergrünlandflächen mit Nachweis von mindestens vier regionalen Kennarten; die Bewirtschaftung von Acker- oder Dauerkulturflächen des Betriebes ohne Verwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln; die Anwendung von durch die Schutzziele bestimmten Landbewirtschaftungsmethoden auf landwirtschaftlichen Flächen in Natura 2000-Gebieten (Schutzgebietsbonus). Schon Anfang Mai sollen die Gesetze im 1. Durchgang in den Bundesrat und dann im Juni in den Bundestag gehen. Der Bundesrat soll noch vor der Sommerpause das abschließende Votum abgeben. AbL fordert SPD auf, den Entwürfen nicht zuzustimmen
Aus Sicht der AbL lassen die Gesetzentwürfe massiv an sozialer Verantwortung vermissen. So werde beispielsweise die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bisher vorgeschlagene, zaghafte Kürzung von Mitteln durch eine Degression und Kappung komplett gestrichen, obwohl diese nur wenige Großbetriebe überhaupt betroffen hätte. Mehr noch: auch in Zukunft sollen große Agrar-Holdings für jedes ihrer Tochterunternehmen jeweils die Förderung für kleinere und mittlere Betriebe bekommen. „Außerlandwirtschaftliche Investoren, vor denen Bundesministerin Klöckner uns Bäuerinnen und Bauern angeblich schützen möchte, reiben sich bei diesem Gesetzentwurf die Hände. Bereits der bisherige Gesetzentwurf war in Bezug auf seine soziale Gerechtigkeit sehr schwach und hätte weiter geschärft werden müssen – nun soll sogar das Gegenteil passieren. Große Konzerne wie die Steinhoff Familienholding, der Energieriese RWE, die Südzucker-AG, der Müllkonzern Rethmann oder Ratiopharm sollen auch zukünftig unbegrenzt Agrarsubventionen zu Lasten bäuerlicher Betriebe erhalten“, erklärt der AbL-Bundesvorsitzende Martin Schulz am Montag nach Bekanntwerden der Entwürfe und fährt fort: „ Ich fordere insbesondere die Ministerinnen und Minister der SPD dazu auf, diesen Gesetzentwürfen in der morgigen Kabinettssitzung nicht zuzustimmen, sondern sich für eine klare Obergrenze der Basisprämie bei spätestens 150.000 € einzusetzen sowie diese bereits im Vorfeld degressiv zu staffeln. Die Mittel für kleinere und mittlere Betriebe sind zudem zu verdreifachen und in den Öko-Regelungen ist eine Maßnahme für kleinteilige Bewirtschaftung zu ergänzen.“ NABU fordert Verbesserungen durch das Parlament
„Nach allem, was wir bisher über den Kompromiss wissen, ist es schon ernüchternd: Monatelanges Tauziehen zwischen Ministerien und Bundesländern führt zu nicht mehr als einer Reihe von Trippelschritten. Die deutsche Agrarpolitik führt damit weiter zwischen den Mindestanforderungen der EU und einer sich dramatisch beschleunigenden Klima- und Artenkrise in eine ungewisse Zukunft. Es wäre vermessen, dies als Fortschritt zu feiern. Jetzt muss das Parlament ran“, kommentiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Der NABU würdigt dabei durchaus, dass die ursprünglichen Vorschläge von Agrarministerin Julia Klöckner in den Diskussionen mit Bundesumweltministerium und den Bundesländern offenbar deutlich korrigiert wurden. So gebe es jetzt einen sichtbaren Einstieg in die Umschichtung der schädlichen Flächenprämien in die gezielte Honorierung von Umweltleistungen. Die angepeilte Umschichtung von 15 Prozent aus der sogenannten Ersten in die Zweite Säule bis 2026 bewegt sich jedoch nur im Rahmen dessen, was schon längst möglich gewesen wäre. Das strukturelle Finanzierungsproblem im Naturschutz wird so nicht behoben. Allein für die Erfüllung der EU-Naturschutzpflichten wäre eine Umschichtung von mindestens 18 Prozent notwendig, hinzu braucht es weitere Prozente für die Finanzierung des Ökolandbaus und anderer Projekte im ländlichen Raum. Die zuständigen Bundesministerinnen lassen zudem die Frage offen, wie man bei so bescheidenen Umbauschritten bis zum Ende des Jahrzehnts zu einem Ende der Flächenprämien kommen will, ohne erhebliche ökonomische Brüche für die Betriebe zu riskieren. Mit Blick auf die künftigen Bedingungen für den Erhalt von EU-Geld kommentiert Konstantin Kreiser, NABU-Teamleiter für Landnutzung: „Es ist ein Trauerspiel, dass sich die Große Koalition entgegen allen wissenschaftlichen Aufrufen offenbar nicht traut, mehr als drei Prozent der Ackerflächen als unbewirtschaftete Rückzugsorte für Insekten und Vögel festzulegen. Mindestens zehn Prozent jedes Betriebs für Blühflächen, Gehölze und Brachen sind notwendig, damit die Natur dort endlich wieder die Leistungen produzieren kann, von denen auch die Landwirtschaft letztlich abhängt. Ohne natürliche Schädlingsbekämpfung, bestäubende Insekten, sowie Schutz vor Wind, Trockenheit und Erosion sieht die Zukunft der Agrarbetriebe düster aus.“ Der NABU fordert von den Fraktionen im Bundestag, die nun anstehende Debatte für umfangreiche Verbesserungen des Gesetzespakets zu nutzen.
12.04.2021
Von: FebL/PM

Bundeslandwirtschaftsminiserin Klöckner und Bundesumweltministerin Schulze sollen sich auf Gesetzentwürfe zur nationalen Umsetzung der EU-Agrarpolitik vetständigt haben. Foto: BMEL