Handlungsempfehlungen für Klimaneutralität der Landwirtschaft

Drei zentrale Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands benennt eine Gruppe von Agrarwissenschaftlern der Universitäten Berlin/Harald Grethe und Ferike Thom, Göttingen/José Martinez und Kiel/Friedhelm Taube sowie des Thünen-Instituts/Bernhard Osterburg in einem Gutachten im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität. Die drei Felder lauten: 1) Stickstoffeffizienz verbessern, 2) Konsum und Produktion tierischer Produkte verringern, 3) Moore wiedervernässen. „Die Bundesregierung hat einen Entwurf zu einem überarbeiteten Klimaschutzgesetz beschlossen, das THG-Minderungen von 65% bis 2030 und 88% bis 2040 sowie THG-Neutralität ab spätestens 2045 vorsieht. Für den Sektor Landwirtschaft wurde eine Minderung der zulässigen Jahresemissionsmengen von 70 Mio. t CO2-Äqu. in 2020 auf 56 Mio. t in 2030 beschlossen. Jedoch wurden über das Jahr 2030 hinaus keine spezifischen Ziele für die Landwirtschaft formuliert. Zudem sind die bisher geplanten Maßnahmen und Instrumente wenig konkret und reichen nicht aus, um das gesetzte Ziel zu erreichen“, heißt es in dem Gutachten. Die erforderliche Reduktion der THG-Emissionen aus der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen erfordere „einen großen politischen, ökonomischen und rechtlichen Kraftakt“, der „nur gemeinsam mit der Landwirtschaft möglich“ sei. Um die Stickstoffeffizienz zu verbessern, formulieren die Gutachter als zentrale Politikempfehlung „die zügige Umsetzung einer belastbaren, transparenten und überprüfbaren einzelbetrieblichen Stoffstrombilanzierung“ und parallel „die Einführung einer Stickstoffsteuer auf den Verbrauch mineralischer Düngemittel von vorerst z. B. 50 Cent/kg“. Eine Verringerung des Konsums tierischer Produkte in Deutschland wird laut Gutachten „seit langem von zahlreichen wissenschaftlichen Experten*innen- und politischen Beratungsgremien vorgeschlagen, bisher aber von den politischen Akteur*innen weitgehend tabuisiert.“ Für eine Verringerung des Konsums sollte daher neben klassischen Informationskampagnen die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung vorangehen und den Anteil tierischer Produkte an der Gesamtversorgung verringern. Ebenfalls besonders wichtig seien Bildungsangebote in Kitas und Schulen in Verbindung mit einer nachhaltigen und möglichst beitragsfreien Verpflegung und die Einführung eines staatlichen Klimalabels für Nahrungsmittel. Darüber hinaus sollten Preisanreize gesetzt und die Gründe hierfür klar kommuniziert werden. Ein erster und wichtiger Schritt hierfür ist laut Gutachter „die sofortige Ausnahme tierischer Produkte vom reduzierten Umsatzsteuersatz“. Für den erforderlichen Rückbau der Produktion werden in dem Gutachten keine direkt an den Produktionsmengen ansetzenden Politiken empfohlen. Der Rückbau der Nutztierhaltung ist nach Ansicht der Gutachter „eine zu erwartende Konsequenz aus dem Rückgang des Konsums, der Umsetzung einer engagierten Düngepolitik, eines höheren Tierwohlniveaus (Abstockung) und der Wiedervernässung von Mooren (Rückgang der verfügbaren Grünlandfläche)“. Zum Punkt „Moore wiedervernässen“ schlagen die Gutachter die Erarbeitung einer nationalen Moorschutzstrategie vor, „die wesentlich über den Diskussionsstand der zurzeit durch das BMU vorbereiteten Strategie hinausgehen muss“, und im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung vereinbart werden sollte. Ein entsprechendes „Instrumentenpaket muss von Beginn an neben Anreizsystemen, die auf Freiwilligkeit setzen, auch planungs- und ordnungsrechtliche Komponenten enthalten, die im Zeitraum bis 2045 zunehmend an Bedeutung gewinnen werden, sowie auch die potenzielle Besteuerung von Emissionen in Aussicht stellen“. Nach Ansicht der Gutachter kann sich die erforderliche Transformation des Agrar- und Ernährungssystems nicht nur aus einem komplexen Mix von einzelnen Maßnahmen und Instrumenten ergeben. Sie müsse Teil einer neuen Einbettung der Landwirtschaft in die Gesellschaft und einer Neuausrichtung der Agrar- und Ernährungspolitik sein. Der alte Grundkonsens, „Als Gesellschaft fördern und wertschätzen wir die Landwirtschaft, weil sie uns satt macht“ spiegele die veränderten gesellschaftlichen Prioritäten und die Leistungen der Landwirtschaft nicht hinreichend wider. Stattdessen könnte dieser Grundkonsens nach Ansicht der Gutachter in Zukunft lauten: „Die Gesellschaft honoriert die Landwirtschaft, finanziell wie auch in Form von Wertschätzung, für die Erbringung von Gemeinwohlleistungen (Umweltschutz, Klimaschutz, Tierschutz)“. In einem solchen Grundkonsens bestehe für die Landwirtschaft die große Chance, die Transformation auf dem Weg zur Klimaneutralität aktiv mitzugestalten.