27.000 für die enkeltaugliche Landwirtschaft und gutes Essen

Bauernhöfe unterstützen, Insektensterben stoppen und konsequenten Klimaschutz – das fordern 27.000 Menschen bei der „Wir haben es satt!“-Demonstration zum Auftakt der „Grünen Woche“ in Berlin. „Wir haben die Alibi-Politik des Agrarministeriums gehörig satt!“, sagt die Sprecherin des veranstaltenden „Meine Landwirtschaft“-Bündnisses Saskia Richartz. „Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für das Höfesterben und den Frust auf dem Land. Seit 2005, als Angela Merkel Kanzlerin wurde, mussten 130.000 Höfe schließen – im Schnitt gab ein Familienbetrieb pro Stunde auf. Die Klimakrise, zu viel Nitrat im Grundwasser und das dramatische Artensterben zeigen, dass es so nicht weitergeht. Reden reicht nicht, die Zeit der Ankündigungen ist vorbei. Wir messen Agrarministerin Klöckner daran, was bei ihrer Politik unter dem Strich für Bauernhöfe, Tiere und das Klima herauskommt. Bislang ist diese Ministerin in dieser Hinsicht eine Nullnummer!“, so Richartz. „Wir fordern, dass die Bundesregierung 2020 bei der EU-Agrarreform Nägel mit Köpfen macht. Jetzt heißt es für Julia Klöckner: Ärmel hochkrempeln und die Agrarwende anpacken!“
Der Bundesregierung kommt während ihrer EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) zu. Mit den rund 60 Milliarden an Fördergeldern pro Jahr sind zukunftsfähige Landwirtschaft und gutes Essen auf den Tellern europaweit möglich. Elisabeth Fresen, 29-jährige Bäuerin aus Verden/Aller mit einem 160-Hektar-Betrieb und 100 Mutterkühen und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)), erklärt: „Wir Bäuerinnen und Bauern jammern nicht, wir packen an. Viele Betriebe sind der Politik in Sachen Tier- und Klimaschutz schon große Schritte voraus. Wenn Landwirtschaft und Gesellschaft jetzt an einem Strang ziehen, können wir der bauern- und umweltfeindlichen Politik ein Ende machen. Mit einer enkeltauglichen Agrarpolitik und fairen Preisen sind Tierwohl, Insektenschutz und gesundes Essen für alle machbar.“ Mit ihrem „Wachsen oder Weichen“ haben das Agrarministerium und die Spitzen des Bauernverbands jahrelang gegen die bäuerlichen Betriebe gearbeitet. Der jetzt anstehende art-gerechte Umbau der Ställe und das Mehr an Insekten- und Klimaschutz kosten und dürfen nicht auf die Bauernhöfe abgewälzt werden. Schon am Vormittag übergaben die Bäuerinnen und Bauern, die mit ihren Traktoren aus ganz Deutschland zur „Wir haben es satt!“-Demonstration angereist waren, eine Protestnote an die im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) zusammengekommenen Agrarminister*innen der Welt. Ihre Botschaft: Statt mit unfairen Freihandelsabkommen neue Märkte für Auto- und Chemie-Konzerne zu erschließen, braucht es gerechten Handel, die Durchsetzung von Bauernrechten und Schutz von bäuerlichen Betrieben auf der ganzen Welt. Deswegen fordert das Demonstrationsbündnis ein Veto Deutschlands gegen das geplante EU-Mercosur-Abkommen. Statements von Redner*innen der Demonstration Lea Leimann von Slow Food Youth:
„Durch die Ressourcenübernutzung und Überschreitung der planetaren Grenzen durch das
industrielle globale Lebensmittelsystem steuern wir gerade auf einen Abgrund zu. Mit einem
ökologisch und sozial verträglichen Lebensmittelsystem können wir dagegen den Umweltund
Klima-Herausforderungen unserer Zeit begegnen und die Ernährung sichern.“ Tilman von Samson von Fridays for Future:
"Die aktuelle Agrarpolitik verdeutlicht die Ignoranz der Bundesregierung gegenüber den
Herausforderungen unserer Zeit. Anstelle der massiv kritisierten Direktzahlungen brauchen
wir ein System, das unseren Landwirt*innen hilft, eine der größten Hoffnungen im Kampf für
die Klimawende zu werden!" Christoph Bautz, Geschäftsführer der Bürgerbewegung Campact:
“Die Demos gestern und heute ziehen am selben Strang: Denn den Bauern steht das
Wasser bis zum Hals. Jetzt braucht es die richtigen Konsequenzen: Weniger Weltmarkt und
mehr regionale Vermarktung. Faire Preise statt Dumping der Discounter. Und
Agrarsubventionen für Landwirte, die Artenvielfalt erhalten und ihre Tiere anständig halten." Paula Gioia von der AbL und La Via Campesina:
„Wir fordern: Schluss mit der Produktion für den Weltmarkt – Bauernrechte jetzt umsetzen!
Als Bäuer*innen wollen wir in erster Linie für lokale Märkte produzieren. Das schafft
Ernährungssouveranität hier, erhält die Agrarmärkte und bäuerlichen Lebensmittelsysteme
anderswo und ist ein wichtiger Beitrag für die globale Solidarität!“ Antônio Andrioli, Agrarexperte und Mitbegründer der brasilianischen Bundesuniversität
„Fronteira Sul“:
„Wir fordern EU-Mercosur-Abkommen stoppen! Denn es ist politisch falsch, erhöht die
soziale Ungleichheit beim Einkommen, fördert lange Transportwege und noch mehr
Abholzung. Die Länder in Lateinamerika werden weiter auf die Produktion von
Primärprodukten reduziert, von Industriegütern aus Europa überschwemmt und zur
Unterentwicklung verdammt.“ Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace:
„Ohne eine konsequente Agrarwende werden wir die Klimakrise nicht in den Griff
bekommen. Ministerin Klöckner muss unseren Protest ernstnehmen. Sie muss Tierleid
endlich verbieten und die Emissionen aus der Landwirtschaft durch weniger Tiere deutlich
reduzieren.“ Hubert Weiger, Ehren-Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND):
„Wir brauchen eine soziale und ökologische EU-Agrarpolitik – bei der die Natur und die
bäuerlichen Betriebe im Mittelpunkt stehen. Damit schützen wir auch die Vielfalt der
Landschaften und können den Rückgang der Insekten stoppen. Die Agrarpolitik muss
endlich den Rahmen dafür schaffen, dass Bäuerinnen und Bauern für den Erhalt der
Lebensgrundlagen auch honoriert werden.“ Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbunds:
„Stillstand und Rückschritt zeichnen die letzten Jahre deutscher Tierschutzpolitik aus. Erst
die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration – nun soll die Sauenhaltung im
Kastenstand legalisiert werden. Wir haben es satt – und stellen Strafanzeige, sofern Frau
Klöckner nicht von ihren Plänen ablässt.“ Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident:
„Dürresommer, Artensterben: Die Zeit rennt uns davon. Wir brauchen jetzt eine
zukunftsfähige EU-Agrarpolitik. Denn 2020 entscheidet sich, ob wir endlich faire
Bedingungen für Landwirte und Natur schaffen." Felix Prinz zu Löwenstein, Bio-Bauer und BÖLW-Vorsitzender:
„Wir stehen in einer Zeitenwende, ob wir wollen oder nicht. Es kommt jetzt nur darauf an, ob
wir sie selbst gestalten. Die Bundesregierung muss deshalb für die Unterstützung der
Bauern sorgen, die Klima, Tiere, Boden oder Gewässer schützen. Und die Bäuerinnen und
Bauern müssen gemeinsam ein mutiges Bild einer zukunftsfähigen Landwirtschaft
entwickeln.“
20.01.2020
Von: FebL/PM

Mit lautstarkem Beifall wurden die Treckerfahrer und -fahrerinnen (im Bild nur einige von ihnen) auf der Bühne der "Wir haben es satt"-Demo begrüßt und ihnen für ihren Einsatz gedankt. Fioto: FebL