Thüringer Landwirtschafts- und Naturschutzverbände prämieren „Natura 2000-Landwirte“

Für „ihre herausragenden Leistungen zum Erhalt des Europäischen Naturerbes“ wurden drei Thüringer Betriebe mit der Auszeichnung „Natura 2000-Landwirte“ geehrt: die Agrargenossenschaft Weißensee e.G., der Landwirtschaftsbetrieb Friedrich Dübner und die Landschafts- und Arealpflege Gerhard Schmidt.

Gewürdigt wurden sie durch das Kompetenzzentrum Natura 2000-Stationen und dessen Träger, den BUND Thüringen, den NABU Thüringen, den Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) sowie Verbände des landwirtschaftlichen Berufsstandes, dem Thüringer Bauernverband (TBV), den Thüringer Ökoherz e.V. und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Seit 2018 werden landwirtschaftliche Betriebe in Thüringen, die sich über die Maße für die Umsetzung der Natura 2000-Ziele einsetzen, öffentlichkeitswirksam prämiert.

Aus dreizehn Vorschlägen, die von den zwölf Natura 2000-Stationen eingereicht wurden, wählte die sechsköpfige Jury die drei Preisträger aus. Mit der Auszeichnung werden die besonderen, über den gesetzlichen Rahmen hinausgehenden, Leistungen für den Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräumen innerhalb des Europäischen Schutzgebietsnetzwerkes „Natura 2000“ gewürdigt. Die Ehrung soll nicht als Wettbewerb, sondern als besondere Geste der Wertschätzung verstanden werden und zum Nachahmen anregen.

Anlässlich der Würdigung erklärt Ines Heßelbach, Vorstandsmitglied des Thüringer Bauernverbands: „Auch in schwierigen Zeiten für Landwirtschaft und Gesellschaft, mit Herausforderungen auf dem Weltmarkt, den gestiegenen Betriebs- und Lebenshaltungskosten sowie den zunehmenden Belastungen durch bürokratische Auflagen ist es wichtig, positive Zeichen zu setzen und gleichzeitig ökologisch und gesellschaftlich bedeutsame Aspekte wie den Schutz unserer Umwelt und die Erhaltung der Artenvielfalt im Auge zu behalten. Die Auszeichnung repräsentiert nicht nur die persönlichen Leistungen der Preisträger, sondern zeigt auch das stetig wachsende Bewusstsein in der Landwirtschaft und im Naturschutz für die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit. Alle müssen gemeinsam vorangehen, um im Sinne der Umwelt koordiniert, ressourcenorientiert, langfristig und nachhaltig gestalten zu können. Besonders erfreulich ist, dass wir dieses Jahr zum ersten Mal einen Ackerbaubetrieb auszeichnen können. Das zeigt, dass Engagement und individuelle Möglichkeiten nicht durch einzelne Betriebszweige, Betriebsgrößen oder Bewirtschaftungsformen begrenzt sind.“

Damit solche Betriebe mehr werden, sieht Jan Brunner, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland, die Politik in der Pflicht: „Die prämierten Betriebe stehen stellvertretend für ihren Berufszweig. In Thüringen gibt es zahlreiche Betriebe, die sich weit über die gesetzlichen Vorgaben für den Naturschutz engagieren. Angesichts der Auswirkungen der Klimakrise und des Artensterbens müssen es aber mehr werden. Dafür müssen Umwelt- und Klimaleistungen der Landwirtschaft von der Politik entsprechend honoriert werden.“

Eine bessere Honorierung der Leistungen der Betriebe mahnt auch Martin Schmidt, Vorsitzender des NABU Thüringen, an: „Das Engagement der Natura 2000-Landwirte, die wir heute auszeichnen, geht weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Diese Betriebe leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Noch schöner wäre es aber, wenn genau solche Betriebe im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik besser honoriert werden würden, als ihnen durch Bürokratie und leere Fördertöpfe das Arbeiten zusätzlich zu erschweren.“

Für Sebastian König, Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen, zeigt die Auszeichnung,dass in einer Zeit des Gegeneinanders das Miteinander nicht in Vergessenheit gerät.“ Besonders herausragend an den Prämierten sei dieses Jahr die breite Auswahl der Betriebe. Groß, klein, Ackerbau, Grünland. „Sie stehen stellvertretend für die Vielfalt der Thüringer Betriebe“, so König.

Und Dr. Susanne Kipp, Vorstandsmitglied des Thüringer Ökoherz e.V.,erklärt: „Natura 2000 und Landwirtschaft funktionieren zusammen und sind keine Gegensätze. Und sogar aktiver Artenschutz kann funktionieren, wenn Betriebe sich darauf einlassen und entsprechend honoriert werden. Das Naturschutz schon lange bei den Landwirt*innen ein Thema ist, zeigt sich bei der heutigen Prämierung auf besondere Art und Weise und sollte anderen Betrieben ein Vorbild sein.“

Auf die Rolle kompetenter Ansprechpartner für die Betreibe weist Jürgen Metzner, Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege,hin: „Das wir bereits zum vierten Mal gemeinsam Betriebe auszeichnen zeigt, wie wichtig diese Anerkennung ist. Die hier prämierten Betriebe reihen sich in die Riege von Betrieben ein, welche in besonderer Weise für die Natur und nicht gegen sie arbeiten. Besonders wichtig sind dabei kompetente Ansprechpartner vor Ort, wie sie zum Beispiel unsere zwölf Natura 2000-Stationen sind.“

Zu den Preisträgern heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Trägerorganisationen:

Friedrich Dübner wurde aufgrund seines langjährigen Einsatzes für die Trocken- und Halbtrockenrasen ausgewählt. Er beweidet nicht nur die wertvollen Grünlandbereiche mit Schafen und Ziegen, sondern hat sich für deren Schutz bereits 2019 zwei Herdenschutzhunde angeschafft. Darüber hinaus legte er bereits eine Hirschkäferwiege und Schutzäcker für gefährdete Ackerwildkrautarten auf seinen Eigentumsflächen an.

Die Agrargenossenschaft Weißensee e.G. ist einer der größten Ackerbaubetriebe in Thüringen. Der Betrieb macht sich seit vielen Jahren für den Artenschutz und die Biodiversität auf den eigenen Flächen stark. Unter anderem wurden Rebhuhn- und hamsterfreundliche Blühflächen angelegt, Gräben für den Schutz der Helm-Azurjungfer angelegt und gepflegt sowie über viele Jahre hinweg unzählige Kopfweiden unentgeltlich geschnitten. Die Agrargenossenschaft zeigt damit, dass auch konventioneller Ackerbau mit Naturschutz Hand in Hand gehen kann.

Für sein besonderes Engagement für die Landschaftspflege und den Naturschutz wurde der Landwirt Gerhard Schmidt ausgezeichnet. Seit über 50 Jahren setzt er sich persönlich für die Gewinnung und Vermarktung von Qualitätsheu der traditionellen Bergwiesen im Thüringer Wald ein. Viele dieser Wiesen sind so schwierig zu mähen, dass sie ohne die Bewirtschaftung durch Herrn Schmidt bereits verbuscht wären und ihr Artenreichtum somit endgültig verloren wäre. Die dafür notwendige Technik entwickelte Herr Schmidt eigenhändig. Auch als Gründungsmitglied des „Landschaftspflegeverbandes Thüringer Wald“ setzt er sich seit 1990 unablässig und ehrenamtlich für die ressourcenschonende Bewirtschaftung ein und leistet damit einen großen Beitrag zum aktiven Naturschutz.

Ehrung der diesjährigen Gewinner mit der Auszeichnung „Natura 2000-Landwirte“ v. l. n. r.: Beate Kunnen, Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft; Sebastian König, BUND Thüringen; Dr. Hans-Jürgen Schäfer, Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz; Gerhard Schmidt, Landwirt; Stefan Heßler, Agrargenossenschaft Weißensee e.G.; Martin Schmidt, NABU Thüringen, Friedrich Dübner, Landwirt; Martin Hirschmann, Thüringer Bauernverband; Dr. Susanne Kipp, Thüringer Ökoherz e.V.; Anna Swiatloch, Kompetenzzentrum Natura 2000