Starke Stufen - nicht nur für den Handel!
Der bunte Strauß des Lebensmitteleinzelhandels an unterschiedlichen Haltungskompassen, Tierwohlkennzeichnungen etc. hat sich seit dem 1. April diesen Jahres vereinheitlicht in der sogenannten Haltungsform. Hier finden nun für verpackte Ware die Verbraucher*innen Stufen in aufsteigender Wertigkeit für mehr Tierwohl zwischen 1 bis 4, wobei die Stufe 1 dem gesetzlichen Standard und die Stufe 4 Standards wie Bio, die Premiumstufe des deutschen Tierschutzbundes und Neuland beinhaltet. Das staatliche Tierwohl-Siegel soll 2020 für den Bereich Schwein folgen. Die teilnehmenden Lebensmitteleinzelhändler an der Haltungsform haben schon angekündigt ihr System sehr wahrscheinlich in dem staatlichen Label aufgehen lassen.
Soweit so bekannt. Für die zukünftige Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung werden von zentraler Bedeutung sein:
Der Wille bzw. Nicht-Wille zur politischen Flankierung von möglichen Umbauprogrammen
die Begleitung bzw. Nicht-Begleitung (Verhinderung) eines möglichen Umbaus durch die landwirtschaftlichen Interessensvertretungen
die (Preis-)Platzierung der einzelnen Produkte in den jeweiligen Stufen in der Ladentheke
und natürlich nicht zuletzt die Akzeptanz der Verbraucher*innen mit einhergehender Zahlungsbereitschaft.
Dass die Produktion unter den Bedingungen in den unterschiedlichen Stufen nicht zum gleichen Preis zu haben sein wird, ist selbstredend, heißt aber noch lange nicht, dass es auch zu auskömmlichen Erzeuger-Preisen führt. Das Beispiel aus dem Milchbereich, wo ein namhafter Discounter seine Trinkmilch im Norden ausschließlich als "Weide-Milch" zum selben Preis vermarkten wird, ist ein Beispiel für steigende Standards die quasi eingepreist werden.
Wo also liegen für bäuerlich geprägte Betriebe die Chancen in der Differenzierung des Marktes?
Positive Beispiele gibt es. So ist die Rebio Erzeugergemeinschaft aus Baden-Württemberg schon vor einigen Jahren eine Partnerschaft mit langfristigen Verträgen für Bioland-Schweinefleisch mit der EDEKA Südwest eingegangen. In der gleichen Zeit ist dies auch der EZO Süd mit konventionellen Schweinefleisch ebenfalls mit der EDEKA-SüdWest gelungen. Das Programm "Hofglück" wir nach den Richtlinien der deutschen Premiumstufe des deutschen Tierschutzbundes produziert. Pionier bzgl. artgerechtere Tierhaltung und damit auch Ausgangspunkt in dieser Region war das bäuerliche Neuland-Programm. Originär Neuland ist die Zusammenarbeit zwischen der Neuland Fleischvertriebs GmbH im Westen mit der Belieferung von ALDI-Testmärkten.
Dies sind alles Vorboten einer Differenzierung des Marktes im klassischen Lebensmitteleinzelhandel. Allen drei Beispielen liegt zugrunde, dass hier auf Augenhöhe mit schier übermächtig geglaubten "big Playern" der Lebensmittelbranche verhandelt wurde und es ist allen drei gelungen auskömmliche Erzeugerpreise für bäuerlich geprägte Betriebe mit langfristigen Verträgen zu verbinden.
Sicherlich kann man dem entgegenhalten, dass es sich hier um "Nischenbeispiele" in einem Nachfrage- bzw. Testmarkt handelt und sich das Groß der Missstände in der Tierhaltung wie auch in der Bezahlung der Erzeuger durch die nun eingeführte Haltungsform und dem möglicherweise folgenden staatlichen Tierwohllabel nicht viel verändern wird.
Aber die Differenzierung bietet nun mal die Chance überhaupt auf breitflächiger Ebene den Markteinstieg in eine verbesserte Tierhaltung zu bekommen. Dass dies nicht nur Image-Programme des Lebensmitteleinzelhandels werden, sondern bäuerlichen Betriebe eine Perspektive bieten, liegt auch an Bäuerinnen und Bauern, deren Interessensvertretungen und natürlich auch an den Verarbeitern und Vermarktern.
Es bleibt, wie es ist: Es gilt sich einzumischen!