Staatliche Stellen werden nicht STV-Erfüllungsgehilfen

Jetzt ist es amtlich: Das Amt muss keine pauschalen STV-Anfragen beantworteten! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erneut ein weises Urteil im Sinne der Bauern und Bäuerinnen in den Auseinandersetzungen um den Nachbau gesprochen. Noch mal von vorne: Die Saatgut-Treuhandverwaltungs-GmbH (STV) hatte an das Landesverwaltungsamt in Thüringen, welches für die Abwicklung der EU-Förderung zuständig ist, eine Anfrage gestellt, um sämtliche Anbaudaten der landwirtschaftlichen Betriebe im Land zu erhalten. Sie berief sich auf ihr Recht auf Information, um ihre Ansprüche auf Nachbaugebühren durchsetzen zu können. Die thüringischen Beamten weigerten sich, Daten herauszugeben und wurden von der STV verklagt. Nachdem das erstinstanzliche Landgericht in Erfurt gegen die Datenweitergabe entschieden hatte, schickte das nun von der STV angerufene Oberlandesgericht in Jena den Prozess nach Straßburg zum EuGH. Die wichtigste Vorlagefrage lautete sinngemäß: Besteht ein Auskunftsanspruch gegenüber amtlichen Stellen, der sich allein auf Arten von Pflanzen bezieht, ohne dass auch Auskünfte zu einer geschützten Sorte verlangt werden können? Es gibt eine entsprechende Verordnung, in der dem Sortenschutzinhaber die Möglichkeit eingeräumt wird, bei „mit der Überwachung betrauten“ amtlichen Stellen Informationen zu „bestimmten Arten oder Sorten“ bzw. einer „betreffenden Sorte“ – so ist es ausdrücklich formuliert – zu erfragen. Die STV beruft sich auf diese Verordnung, fragt allerdings ja nicht gezielt, sondern pauschal an, deshalb die Frage des Gerichts, wie auf eine so allgemeine Frage reagiert werden muss. In einem EuGH-Prozess nehmen dann die EU-Kommission wie auch die Mitgliedsstaaten Stellung, bevor der Generalanwalt seinen Schlussantrag abgibt und am Ende dann das Gericht entscheidet. Nur die Kommission und Spanien hatten sich zu Wort gemeldet, erstere im Sinne der STV, zweitere im Sinne des Landes Thüringen. Falsche Logik Der Generalanwalt bezog klar Position. „Aus diesen Bestimmungen ergibt sich auf den ersten Blick bereits ziemlich klar, dass der Sortenschutzinhaber von Landwirten und Aufbereitern grundsätzlich nur Informationen in Bezug auf Sorten verlangen und erlangen kann. Der Gerichtshof ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen, indem er diese Bestimmungen in seinen Urteilen Schulin und Brangewitz recht eng auslegt“, schreibt Generalanwalt Michal Bobek und zielt damit auf die Einführung von „Anhaltspunkten“ und dem „qualifizierten Auskunftsersuchen“ ab, was die IG Nachbau mit ihren Verfahren zur Landwirts- bzw. Aufbereiterauskunft in Straßburg durchgesetzt hatte. Vor diesem Hintergrund, so Bobek, sei es schwer zu verstehen, weshalb amtliche Stellen in demselben Regelungssystem eine weit umfassendere Pflicht zur Bereitstellung von Informationen treffen solle. „Die von der Rechtsmittelführerin (und teilweise von der Kommission) vorgetragene Auslegung ist insofern problematisch, als sie durch eine äußerst weite Auslegung der Durchführungsverordnung die Logik und Systematik der Grundverordnung auf den Kopf stellt: Die amtlichen Stellen würden faktisch die Standard-Adressaten für Auskunftsersuchen, sowohl in Bezug auf Sorten als auch auf Arten.“ Gleichzeitig könne „nicht außer Acht gelassen werden, dass die Sortenschutzinhaber Zugang zu Informationen erhielten, die weit über das hinausgehen, was für den Schutz ihrer Rechte des geistigen Eigentums erforderlich ist. Diese Informationen könnten möglicherweise für eine Reihe anderer gewerblicher Zwecke genutzt werden, die mit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen gegenüber derzeitigen Kunden nur eine sehr entfernte – oder sogar gar keine – Verbindung aufweisen“, schreibt der Generalanwalt zudem. Ein weitsichtiger Exkurs in Zeiten, in denen vielfach nur lobpreisend den Verlockungen der Digitalisierung verfallen und gar nicht gemerkt wird, dass Datenkontrolle – gerade in der inzwischen weit digitalisierten Landwirtschaft – faktisch kaum stattfindet. Klares Urteil Nach dem Schlussantrag war es Sache des Gerichts, ein Urteil zu finden. Das tat es Mitte Oktober und folgte dabei im Wesentlichen dem Generalanwalt. „Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung dahin auszulegen ist, dass sie für den Inhaber eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes keine Möglichkeit vorsieht, von einer amtlichen Stelle Auskünfte zur Verwendung von Vermehrungsmaterial von Arten zu verlangen, ohne dass im entsprechenden Ersuchen die geschützte Sorte, für die diese Auskünfte verlangt werden, konkret genannt ist.“ Das Gericht bezieht sich ausdrücklich auf seine Urteile zu Bauern und Aufbereitern, in denen es qualifizierte Auskunftsersuchen unter Nennung von Anhaltspunkten zum Maß aller Dinge auch im Hinblick des Interessensausgleichs zwischen Züchtern und Bauern machte. Am Ende resümieren die Richter auch das noch einmal: „Insoweit ginge eine Auslegung der Verordnung dahin, dass jeder Sortenschutzinhaber eine amtliche Stelle um Auskünfte über den Anbau durch Landwirte ersuchen darf, obwohl sie geschützte Pflanzensorten weder im Sinne der Grundverordnung verwendet noch dies beabsichtigt haben, über das zum Schutz der jeweiligen legitimen Interessen des Pflanzenzüchters Notwendige hinaus.“ Georg Janßen, Geschäftsführer der AbL und der IG Nachbau, kommentierte das EuGH-Urteil: „Für uns ist klar: Eine GmbH aus Bonn darf nicht auf Daten einer staatlichen Behörde zurückgreifen, um ihre Geschäftsziele zu erreichen und Nachbaugebühren für unser Saatgut zu kassieren. Dies sieht das höchste europäische Gericht genauso.“
29.10.2019
Von: cs

Welche Sorte? Staatliche Stellen sind nicht Auskunftspflichtig.