Schweizer Tierhalter verbieten tierquälerisch gewonnenes Hormon PSMG

Die Tierbranche in der Schweiz verbietet auf privatrechtlichem Weg das Hormon PMSG zur Behandlung von Fruchtbarkeitsproblemen bei Schweinen. In Deutschland fordern die Animal Welfare Foundation und der Deutsche Tierschutzbund ein Produktions-, Import- und Anwendungs-Verbot für PMSG.

Der Grund für das PMSG-Verbot in der Schweiz liegt laut einer gemeinsamen Mitteilung des Schweizer Bauernverbands und des Schweineproduzenten-Verbands Swissporcs in den bedenklichen Herstellungsbedingungen, die mit dem hohen Tierwohlstandard in der einheimischen Landwirtschaft nicht vereinbar seien. PMSG wird aus dem Blut von tragenden Stuten gewonnen und dient laut der Mitteilung in einzelnen Fällen dazu, Fruchtbarkeitsprobleme bei Schweinen zu behandeln. Der Grund für den Entscheid sei die Erkenntnis, dass die Bereitstellung des Hormons nach wie vor unter für die Stuten tierquälerischen Bedingungen erfolgt. Der Wechsel der Herkunft von Südamerika nach Europa (Island) habe nicht die erhoffte Verbesserung gebracht. Der beschlossene Verzicht auf PMSG ist für rund 95 % der Schweizer Tierhaltungsbetriebe verbindlich und der Einsatz des Hormons in allen Tierkategorien verboten.

Per Dringlichkeitsbrief haben sich in Deutschland, auch mit Blick auf das Verbot in der Schweiz, die Animal Welfare Foundation (AWF) und der Deutsche Tierschutzbund (TSchB) an den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir gewandt, sich für ein Verbot von Produktion, Import und Anwendung des Hormons PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) einzusetzen. Dabei verweisen AWF und TSchB darauf, dass das Europäische Parlament bereits im Oktober 2021 mit großer Mehrheit von der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten gefordert habe, aktiv zu werden. Ein nationales Produktionsverbot in Deutschland ist aus Sicht der Tierschützer dringend angezeigt, da auf dem Gestüt Meura in Thüringen wiederholte großvolumige Blutentnahmen bei trächtigen Stuten zur PMSG-Gewinnung erfolgen. Auch ein Importverbot für PMSG sei nötig, da das Hormon in Südamerika und Island unter tierquälerischen Bedingungen gewonnen wird. Das zeigten AWF-Recherchen seit 2015.

„Die Gewinnung und der Einsatz des Hormons PMSG ist weder aus Tierschutzsicht noch rechtlich vertretbar“, erklärt Sabrina Gurtner, AWF-Projektleiterin. „Es ist höchste Zeit, dass Deutschland ein umfassendes PMSG-Verbot erlässt – sowohl für den Import als auch für die Produktion und Anwendung. Das Qualhormon wird als Fruchtbarkeitsbooster in der industriellen Tierzucht eingesetzt. Es dient einzig der Profitmaximierung, die Bedürfnisse der Tiere bleiben dahinter zurück.“

„Aufgrund der immensen Tierschutzproblematik fordern wir ein Verbot seit Langem, doch nun mit besonderer Dringlichkeit“, sagt Dr. Esther Müller, Geschäftsführung Wissenschaft beim Deutschen Tierschutzbund. „In Deutschland dulden zuständige Behörden seit Jahrzehnten die Blutentnahmen bei trächtigen Stuten auf dem thüringischen Gestüt Meura – obwohl diese laut Aussage zweier Gutachten rechtswidrig sind. Die Bundesregierung sollte schnellstmöglich Klarheit schaffen und dieser unnötigen und in keiner Weise vertretbaren Praxis ein Ende setzen.“

Auf dem Haflinger Gestüt Meura wird laut AWF/TSchB Stuten seit 40 Jahren Blut entnommen, um PMSG zu gewinnen. Zwei Rechtsgutachten belegten, dass die Blutentnahmen als Tierversuche einzustufen seien und deshalb die Anforderungen erfüllen müssen, die an Tierversuche gestellt werden. Tierversuche sind nur dann genehmigungsfähig, wenn sie unerlässlich und ethisch vertretbar sind. Dies sei bei der PMSG-Gewinnung eindeutig nicht der Fall, da Alternativen zum PMSG-Einsatz existieren.

Auch die Anwendung von PMSG ist aus Sicht der Tierschützer nicht zu akzeptieren. In der industriellen Schweinezucht diene das Fruchtbarkeitshormon der Taktung der Arbeitsabläufe und Effizienzsteigerung: Muttertiere kommen gleichzeitig in die Rausche, die Ferkel werden taggenau geboren, gleichzeitig gemästet und geschlachtet. Der Einsatz des Hormons führe auch zu größeren Würfen und einer höheren Belastung der Sauen. Die Versorgung der unnatürlich vielen Ferkel sei weder vor noch nach der Geburt gewährleistet. Konsequenterweise fordern die Animal Welfare Foundation und der Deutsche Tierschutzbund ein Ende des Einsatzes von PMSG.

In der Schweiz gehe der Verband der Schweizer Schweinezüchter bereits mit seinem freiwilligen Verzicht auf PMSG voran. In Dänemark und Holland werde ein PMSG-Ende bereits diskutiert. „Die PMSG-Gewinnung ist über 40 Jahre alt. Sie stammt aus einer Zeit, in welcher das Allheilmittel der Welternährung in der Intensivtierhaltung gesehen wurde. Heute weiß man mehr über die negativen Auswirkungen dieser Ideologie auf die Tiere, den Klimawandel, Ressourcenknappheit und die Gesundheit. Es wird Zeit, sich von dieser überholten Lebensmittelproduktionsweise zu verabschieden“, so AWF und Deutscher Tierschutzbund.

Gestüt Meura widerspricht Darstellung

Bereits im Februar hat das Haflinger Gestüt Meura, das nach eigenen Worten größte Gestüt Europas für Haflinger und Edelbluthaflinger,  in einer Erklärung „zu Medienberichten und Vorwürfen wegen angeblich unrechtmäßiger Blutentnahmen bei trächtigen Stuten“ Stellung genommen. Darin heißt es unter anderem: „Im Zusammenhang mit Berichten aus Island, wo trächtigen Stuten unter erschreckenden und zutiefst verwerflichen Bedingungen Blut für pharmakologische Zwecke abgenommen wird, haben verschiedene Medien und Organisationen in Deutschland die Behauptung aufgestellt, dass die seit vielen Jahren auf dem Gestüt Meura vorgenommene Plasmagewinnung unter vergleichbar grausamen Bedingungen geschehe. Der Deutsche Tierschutzbund e.V. geht sogar so weit, zu behaupten, die Plasmagewinnung auf dem Gestüt Meura erfolge „illegal“ unter den Augen der zuständigen Behörden, die angeblich untätig blieben.
Solche Vorwürfe wiegen schwer. Nicht zum ersten Mal werden sie gegen uns erhoben. Nicht zum ersten Mal werden Fakten ignoriert, die wir in sachlicher, jederzeit überprüfbarer Form anbieten. Fakten, die belegen, dass die Vorwürfe unhaltbar sind und die Methoden der Blutentnahme, wie sie jetzt in Island aufgedeckt und vor Jahren bereits aus Südamerika berichtet wurden, in keiner Weise vergleichbar sind mit der Praxis der Plasmagewinnung, wie sie auf unserem Gestüt geschieht.
Schmerzlich mussten wir leider lernen, dass – in weit überwiegender Zahl – weder Journalisten und Medien, noch Vertreter von Tierschutzorganisationen an einer Befassung mit den Tatsachen, geschweige denn an einem von uns angebotenen Besuch auf dem Gestüt interessiert sind.“

Von dem Gestüt auf seiner Homepage zur Verfügung gestellte Informationen zur „Plasmagewinnung für veterinärmedizinische Zwecke“ finden sich hier.

 

09.05.2022
Von: FebL/PM

Die Animal Welfare Foundation und der Deutsche Tierschutzbund kritisieren die tierquälerische PMSG-Gewinnung bei trächtigen Stuten. Bildquelle: Tierschutzbund