Österreich muss Ausstieg aus Vollspaltenböden beschleunigen und Dänemark will Auflagen für Sauen verschärfen

(Markt-)Beobachtungen von Hugo Gödde +++ Geht in der europäischen Tierschutzpolitik doch noch etwas voran? Der enttäuschende Entwurf der EU-Kommission zum Tierschutz lässt daran zweifeln. In Deutschland stagniert die Reform zum Ärger vieler veränderungswilliger Landwirte. Die versprochene Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung auf Sauen soll nach Ministeriumsangaben zum Entsetzen der Branche nur freiwillig erfolgen. Aus verschiedenen EU-Ländern kommen dagegen andere Signale, die einen höheren Tierschutz anstreben.

Österreich: Gericht schärft Vollspaltenverbot nach

In Österreich steht das Zeitfenster des Vollspaltenverbots für Schweineställe erst ab 2040 vor dem Ende. Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hält die Übergangsfrist bis zum Verbot von Vollspaltenböden für „zu lang und sachlich nicht gerechtfertigt“. Es hat die entsprechende Festlegung im Tierschutzpaket vom Juni 2022 gekippt, demzufolge erst Ende 2039 alle Vollspaltenböden verboten sind. Dieser Teil des Tierschutzgesetzes wird zum 1. Juni 2025 aufgehoben. Bis dahin hat der Wiener Nationalrat eine neue Bestimmung zu beschließen.

Übergangsfrist zu lang

Die lange Übergangsfrist für unstrukturierte Vollspaltenböden war vereinbart worden, um den Betrieben Planungssicherheit zu ermöglichen. Neue Ställe müssen bereits seit 2023 nach den neuen Auflagen gebaut werden, während Bestandsställen eine Frist bis 2039 eingeräumt wurde. Dieser Zeitraum erscheint dem Gericht „zu überschießend lang“. „Damit herrscht ein ungleicher Wettbewerb, der 17 Jahre dauern würde,“ führt das VfGH aus.
Es hat den Tierschutz einerseits und den Investitionsschutz andererseits abgeglichen und die Frist als „einseitig auf den Investorenschutz“ ausgerichtet bewertet.

„Der Verfassungsgerichtshof ist daher der Auffassung, dass die Dauer der Übergangsregelung überschießend lang und sachlich nicht gerechtfertigt ist, weshalb sich § 44 Abs. 29 TSchG als verfassungswidrig erweist“, heißt es im Gerichtsurteil vom 23.12.2023. Das Gericht folgte der Argumentation des Antrags der Landesregierung des Burgenlandes, der auf einen Wertewandel in der Gesellschaft abhob und sich auf das Tierschutzgesetz von 2014 bzw. 2022 bezog. Deren Landeshauptmann sah in dem Urteil einen Erfolg für den Tierschutz und „für eine verantwortungsvolle Landwirtschaft – auch im Interesse vieler Bauern, die diese qualvolle Form der Tierhaltung jetzt schon ablehnen.“

Kritik an der schwarz-grünen „Alibi“-Lösung

Er kritisierte den „Alibi“-Beschluss der Bundesregierung, die zwar das Verbot beschlossen hätten, „aber das Inkrafttreten auf das Jahr 2040 hinausgeschoben und gleichzeitig von einem undurchsichtigen Evaluierungsprozess abhängig gemacht“ hätten.

Die Regierung wurde kalt erwischt, nachdem sie bei den unterschiedlichen schwarz-grünen Interessen mühsam einen Kompromiss erzielt hatte – auch gegen den massiven Widerstand der Schweinebranche. Entsprechend waren die Reaktionen. Während der für Tierschutz zuständige Sozialminister Rauch baldmöglichst eine Lösung finden will, um schneller aussteigen zu können, warnt der konservative Landwirtschaftsminister Totschnigg vor einer Abhängigkeit vom Ausland. „Wir dürfen unser österreichisches Schnitzel nicht gefährden“, erklärt er. Versorgungssicherheit, Tierwohl und Überleben der Höfe müsse zusammengedacht werden. Man werde das Gerichtsurteil rechtlich und fachlich analysieren und mit den Betroffenen Vorschläge erarbeiten.

Dänemark will Tierschutzauflagen verschärfen

Auch in Dänemark kommt Bewegung in die Tierschutzdiskussion. Das Agrarministerium will ein Abkommen für verbesserten Tierschutz für Nutz- und für Heimtiere mit 23 Initiativen erreichen. Die Anforderungen des staatlichen Tierschutzlabel sollen angehoben werden und eine Arbeitsgruppe als Querschnittsaufgabe mit dem Ziel verschärfter Sanktionen bei Verstößen eingerichtet werden. Damit soll die Kritik von Tierschutzorganisationen, aber auch von Marktteilnehmern aufgenommen werden, die effektive und wirksame Kontrollen angemahnt hatten. Die Initiative würde die Schweinebranche erheblich treffen, auch wenn sie noch sehr allgemein gehalten ist. Schließlich will man die Schweinebranche nicht zu sehr verärgern. Denn bei 650% Selbstversorgungsrate ist der Export überlebenswichtig und mit hohen und kostenträchtigen Auflagen erhöhen sich die Kosten und verschlechtern sich die Ausfuhrchancen. Schon jetzt ist der Fast-Monopolist Danish Crown (Marktanteil ca. 80%) in Schieflage und zahlt seit Monaten seinen landwirtschaftlichen Genossenschaftsmitgliedern deutlich weniger als der EU-Schnitt. Deshalb sind Marktbeobachter noch skeptisch gegenüber den tatsächlichen Vorgaben. „Die Dänen versprechen mehr als sie halten“, ist eine verbreitete Meinung.

Sauenhaltung im Fokus

Besonders bei der Sauenhaltung strebt man in Kopenhagen Verbesserungen beim Tierschutz an, „damit mehr Ferkel überleben“ und die Sauen eine höhere Überlebensrate erreichen. Dabei hat gerade die europaweit führende dänische Schweinezucht die Leistungssteigerung in den letzten 10 bis 20 Jahren in neue Rekordhöhen getrieben. Waren in den 2000er Jahren noch ca. 25 Ferkel pro Sau und Jahr ein Zeichen von erfolgreicher Produktion, muss man heute mehr als 30 Ferkel erzeugen, um wirtschaftlich mitzuhalten. Ferkelerzeuger mit Spitzenwerten liegen heute über 35 Ferkel – auf Kosten von Gesundheit und Qualität.

In der Liste der Initiativen sollen Sauen in Zukunft in Abferkelställen nicht mehr fixiert, der Anteil intakter Ringelschwänze soll gesteigert werden. Die Kastration männlicher Ferkel, die bisher von den Landwirten selbst mit Schmerzmitteln durchgeführt wird, soll mit einer Betäubung verpflichtend werden.

Außerdem strebt die dänische Regierung eine „schrittweise Abschaffung der Anbindehaltung“ an und will einen früheren Ausstieg aus der Käfighaltung von Legehennen unterstützen. Auch die Vermarktung langsamer wachsender Geflügelrassen soll gefördert werden. Man will sich in Brüssel für diverse Maßnahmen einsetzen. „Ich freue mich darauf, den Vorschlag mit den Parteien im dänischen Parlament zu erörtern und hoffe, dass wir uns gemeinsam auf ein Tierschutzabkommen einigen können, das das erste seiner Art in Dänemark sein wird“, so Landwirtschaftsminister Jacob Jensen in einer Presseerklärung.

Der Marktbeobachter zeigt sich überrascht, wie der Tierschutz in manchen EU-Ländern diskutiert bzw. umgesetzt wird, während bei uns die Diskussion nach der Auflösung der Borchert-Kommission wie festgefahren scheint. Auch in den Niederlanden werden die Auflagen im „beter-leven“-Programm für Schweine Ende des Jahres erhöht und man blickt mit großem Interesse auf die Entwicklung der Initiative Tierwohl und der Tierhaltungskennzeichnung in Deutschland. Vielleicht kommt durch die großen Treckerdemonstrationen und die Suche nach Agrar-Lösungen Bewegung in Finanzierung und Planungssicherheit für die Schweinehalter, die vor sechs Wochen nicht mehr möglich oder gewollt schienen.
Das wäre sozusagen ein Kollateralnutzen.

 

17.01.2024
Von: Hugo Gödde

Das dänische Programm "Geinsam für die Tiere" - 23 Initiativen für mehr Tierschutz.