Neuer EU-Rechtsrahmen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem geplant

In ihrer "Farm to Fork"-Strategie hat die EU-Kommission angekündigt, bis Ende 2023 einen Vorschlag für eine Rahmen-Verordnung für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem (SFS - Sustainable Food System) vorzulegen. Dieses neue EU-Gesetz soll Nachhaltigkeit in allen Politik- und Gesetzesinitiativen rund um Ernährung und Landwirtschaft verankern, deren Kohärenz sicherstellen und die Resilienz des Lebensmittelsystems stärken. Der Gesetzgebungsprozess wird von der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG Sante) der EU-Kommission koordiniert.

Dieses Rahmengesetz soll den Begriff einer „Ernährungsumgebung“ verankern, also auch sozio-kulturelle Aspekte stärker berücksichtigen. Es könnte unterschiedliche Ziele wie Klimaschutz, Gesundheit, Tierschutz oder soziale Gerechtigkeit komplementär verbinden, um damit deutlich den Veränderungsdruck auf die bislang schwer zu reformierende EU-Agrarpolitik in Richtung dieser Ziele erhöhen.

Um die Positionen der Menschen und Verbände zum SFS-Gesetz herauszufinden, hatte die EU-Kommission im letzten Frühsommer eine entsprechende öffentliche Konsultation durchgeführt, an der sich auch die AbL beteiligte. In ihrer Stellungnahme im Rahmen der Konsultation begrüßt die AbL grundsätzlich die Gesetzesinitiative. Sie warnt aber gleichzeitig davor, dem Drängen einiger Akteure nachzugeben und z.B. gentechnisch veränderte Produkte als "nachhaltig" zu labeln. Wichtige Prinzipien wie das Vorsorgeprinzip, dürfen nicht unterwandert werden

Zentrales Element des SFS soll ein „Nachhaltigkeitslabel“ für alle (?) Lebensmittel sein. Hier stellt sich natürlich die Frage, was denn ein „nachhaltiges“ Lebensmittel eigentlich ist. Die AbL hat in ihrer Stellungnahme deutlich gemacht, dass neben ökologischen Kriterien auch soziale und menschenrechtliche Kriterien zu integrieren sind und einmal mehr auf die Gefahr angeblich „nachhaltiger“ gentechnisch veränderter Lebensmittel hingewiesen. Denn es besteht das Risiko, dass durch den Druck einiger Mitgliedsstaaten und Akteure der Ernährungsindustrie die Nachhaltigkeitskriterien, die dem Gesetz zugrunde gelegt werden sollen, stark verwässert werden.

Neben den Regeln für Nachhaltigkeitslabels werden auch Standards für eine nachhaltige öffentliche Lebensmittel-Beschaffung sowie Regeln für Marketing- und Werbestandards diskutiert. Weitere Diskussionen in diesem Zusammenhang sind im Rahmen des Aktionsplans zur Farm to Fork-Strategie u.a. die Überarbeitung von Nährwertdeklarationen und Ziele zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

Der erste Vorschlag von Gesundheits-Kommissarin Stella Kyriakides wird spätestens diesen September erwartet, der weitere Prozess wird aber über die Europawahl 2024 hinaus stattfinden, was wahrscheinlich zu Verzögerungen führen wird. Gleichzeitig stehen bereits Anfang Juni die Regulierung neuer Gentechniken und eine Revision der Saatgutgesetzgebung auf der Kommissions-Agenda. Bis Ende des Jahres möchte zudem der amtierende Agrarkommissar Janusz Wojciechowski erste Eckpunkte der GAP nach 2027 vorstellen. Es läuft also auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Bezug auf die Deutungshoheit von Nachhaltigkeit hinaus.

07.02.2023
Von: hm

Das nachhaltige Lebensmittelsystem (Sustainable Food System) ist auch Bestandteil der Farm to Fork-Strategie.