Maul-und Klauenseuche: Ausrottungsstrategie wackelig

Bekämpfen von Seuchen bei Tieren ist untrennbar mit internationalem Handel verflochten.

Ein deutscher Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) – und enorme Schockwellen, die durch die betroffene Region, durch ganz Deutschland, durch Europa und weltweit in Länder mit europäischen Handelsbeziehungen schwappen. Was wäre das für eine Erleichterung und auch ein Glück, wenn es bei dem einen Fall bleibt. Denn im Kopf sind sofort Bilder und Gefühle vom Jahr 2001, in dem diese Tierseuche, vor allem aber der Umgang damit in Großbritannien eskalierte und Folgeausbrüche in Nachbarländern auch in Deutschland zu großer Aufregung führten. Glück jedoch nicht für die betroffenen Bäuerinnen und Bauern und ihre Tiere. Und dazu zählt eben nicht nur die 14-köpfige infizierte Büffelherde sondern auch die Schafe, Ziegen und Rinder des entfernter liegenden Kontaktbetriebes, die Ziegen des sich nicht bestätigten Verdachtsfalles sowie alle Klauentiere in der nächsten Umgebung des Ausbruchsbetrieb – mehrere Schafe und 170 Schweine. Insgesamt seien 275 Tiere sicherheitshalber getötet worden, berichtete der rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg) am 17. Januar nach Angaben aus dem Brandenburger Landwirtschaftsministerium. Die Auswirkungen durch regionale zeitlich befristete Transportsperren und internationale Handelsverwerfungen sind ein wirtschaftliches Problem für die Nahrungsmittelbranche und ziehen  noch erheblich größere Kreise für viele weitere landwirtschaftliche Betriebe: Milchtankfüllungen, die wiederholt weggekippt werden müssen, schlachtreife Mastschweine, die nicht geschlachtet und zu groß für ihre Stallabteile werden, Fleisch, das nicht wie geplant exportiert wird und die Erzeugerpreise nach unten drückt – und dabei sind viele weitere Bereiche und insbesondere die psychische Belastung der Tierhalter:innen noch gar nicht angesprochen.

Tierseuchen und der Handel

Die Tierseuchenbekämpfung ist nicht nur bei MKS unmittelbar mit den Anforderungen des internationalen Handels verknüpft. So vertritt die EU eine Strategie zur Ausrottung von  Tierseuchen wie Klassischer Schweinepest und MKS. Das ist der Hintergrund für das rigorose Vorgehen bei Ausbruch der Seuche, im Rahmen dessen auch nicht-infizierte, aber grundsätzlich für MKS empfängliche Tiere im Umfeld eines Seuchenherdes vorsorglich getötet werden, um eine Ausbreitung des Virus insbesondere in viehdichten Regionen zu verhindern. Heutzutage würde diese Strategie aber im weiteren Verlauf einer möglichen Seuchenausbreitung wohl nicht mehr allein auf diese Weise weiterverfolgt – zu groß waren die gesellschaftlichen Widerstände und die ethischen Bedenken bei vergangen Seuchenzügen.

Notimpfung zum Leben möglich

So können zumindest die offiziellen Vorbereitungen und Äußerungen zu einer möglichen Notimpfung verstanden werden: die vorsorgliche Herstellung von 750.000 Impfdosen und die dazugehörige Einordnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums: „Eine Notimpfung kommt dann in Betracht, wenn sich die Infektion massiv und schnell ausbreitet. Diese würde zum Beispiel in Form einer Ringimpfung erfolgen, um eine Immunschranke um einen Seuchenherd zu bilden und damit eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern.“ Offen bleibt, welche Art der Notimpfung vorgesehen wäre. Denn das EU-Recht ermöglicht unterschiedliches Vorgehen: Bei einer Notsuppressivimpfung, die im Infektionsgeschehen eine Ausbreitung eindämmen soll, müssen alle geimpften Tiere anschließend so schnell wie möglich getötet werden. Wissenschaftlich wird dabei noch eine Variante diskutiert, bei der Schlachten und teilweise Verwerten möglich wäre. Eine Notschutzimpfung bei empfänglichen Tieren außerhalb der Ausbruchszone soll eine Ausbreitung verhindern - die Tiere müssen nicht getötet werden. Nötig werden dabei umfassende Laboruntersuchungen, um geimpfte Tiere von infizierten zu unterscheiden und Infekte trotz Impfung zu erkennen, was grundsätzlich durch die eingesetzten Markerimpfstoffe möglich ist. Noch im vergangenen Herbst hatte sich die Bundestierärztekammer in einem Positionspapier gemeinsam mit dem Bundesverband für Tiergesundheit allgemein für die Impfung als Teil einer zeitgemäßen strategischen Bekämpfung von Tierseuchen ausgesprochen: „Die Impfung muss als Impfung zum Leben verstanden werden. Die geimpften Tiere werden bis zum Ende ihres normalen Produktionszyklus gehalten und die Erzeugnisse können vermarktet werden.“

Seuchenstatus regional begrenzbar

Die größten Befürchtungen und Hemmnisse für eine veränderte Herangehensweise bestehen mit Blick auf den Außenhandel. Bei einem Seuchenausbruch wie in Deutschland entstehen sofort Exportbarrieren, die möglichst schnell behoben werden sollen. Die Zeiträume, wann betroffene Länder oder Zonen ihren begehrten Seuchenfreiheitsstatus „MKS frei ohne Impfung“ der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) wiedererlangen können, sind im WOAH Codex festgelegt: 3 Monate, nachdem das letzte infizierte Tier im Rahmen der Ausmerzstrategie getötet und entsorgt wurde. Bei Anwendung der Impfung sind drei Monate nach der Schlachtung des letzten geimpften Tieres vorgesehen oder sechs - bei spezieller Begründung minimal drei - Monate nach der letzten durchgeführten Notimpfung. Schon jetzt ist die Bundesregierung bemüht die Handelsauswirkungen so gering wie möglich zu halten – und dringt in Gesprächen vor allem auf europäischer Ebene auf das Regionalisierungsprinzip, welches für die EU gilt und auch bei der WOAH international festgelegt ist: Dementsprechend kann eine das Seuchengeschehen eingrenzende Zone festgelegt werden, die ihren Freiheitstatus unabhängig vom Rest einer Region oder eines Landes verliert. Als entscheidend hat sich dabei erwiesen, schnell nachvollziehbar die entscheidenden Handelspartner im In- und Ausland zu informieren: wie zum Ausmaß des Ausbruchs, zur Bestandsdichte in der Region, zum Krisenmanagement, zum Vorgehen bei Tests und Laboruntersuchungen - und gegebenenfalls zur Art der eventuell verwendeten Impfstoffe samt begleitender Sicherheitstests.

Diskussionen angestoßen

Es gibt diejenigen Länder und Stimmen, die sofort generelle Einfuhrsperren verhängen – sei es aus historisch verständlicher Angst vor Übertragung, wie im Falle von Großbritannien, auf Grund fehlender Detailinformationen oder aus diplomatischen Kalkül, weil die Situation im internationalen Gerangel um Handelsmacht Vorteile verspricht. Aber es gibt auch diejenigen, die sich von guten Argumenten, verlässlichen Informationen und vertrauenswürdigem Krisenmanagement überzeugen lassen. So hat z.B. nach Angaben von Agra Europe Polens Chefveterinär Dr. Jażdżewski die Forderung nach einem totalen Einfuhrverbot für Tiere aus Deutschland wegen des MKS-Ausbruchs abgelehnt. Er wies auf die von Polen eingenommene Haltung zum Agraraußenhandel hin: „Wir selbst plädieren weltweit sehr stark für die Notwendigkeit der Regionalisierung“, so Jażdżewski. Polen würde unglaubhaft werden, wenn es darum gehe, andere Länder vom Regionalisierungskonzept zu überzeugen, um so Handelsverluste zu begrenzen.

Auch für die Vermarktung geimpfter Tiere bräuchte es Regeln und Gespräche. Die Diskussion zur Überwindung von Handelsbarrieren ist angestoßen. Diese könnte erweitert werden, um neue Handlungs- und Umgangsmöglichkeiten zu schaffen – nicht zuletzt für die Tiere und für die mit ihnen lebenden und arbeitenden Bäuerinnen und Bauern.

Bei Wasserbüffeln in Brandenburg kam es zum MKS-Ausbruch (Symbolbild). Foto: Rüdiger50/Pixabay